Anleihen: Anlagenot bleibt

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8. November 2013. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Dass die Europäische Zentralbank die Leitzinsen für den Euroraum so schnell nochmals senken würde, hat kaum jemand erwartet: Mit der Reduzierung des Hauptrefinanzierungssatzes auf das Rekordtief von 0,25 Prozent am gestrigen Donnerstag wurden viele Marktteilnehmer auf falschem Fuß erwischt. „Begründet wurde der Zinsschritt mit dem schwachen Kredit- und Geldmengenwachstum sowie dem geringen Inflationsniveau“, erklären Johannes Jander und Ulrich Wortberg von der Helaba.

„Das ist die Angst vor japanischen Verhältnissen“, bemerkt Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsgesellschaft mit Blick auf das lange von Deflation geplagte Land in Fernost. „Ob eine Zinssenkung um 0,25 Prozent noch etwas bringt, ist allerdings zu bezweifeln.“ Auch Cyrus de la Rubia und Stefan Gäde von der HSH Nordbank sind skeptisch: „Es ist fraglich, ob eine Zinssenkung um 25 Basispunkte irgend etwas an dem wirtschaftlichen Ausblick für Europa ändert.“ Sie erinnern daran, dass sich die Eurozone seit dem zweiten Quartal aus der Rezession herausarbeitet. „Die Einkaufsmanagerindizes liegen in den meisten Ländern über 50 Punkte.“

Bundesanleihen kaum verändert

Besonders stark reagiert hat der Euro-Bund-Future nicht auf den Zinsschritt: Nach 141,85 Punkten in der Vorwoche notiert der Indikator für langfristige Zinserwartungen am heutigen Freitagmittag bei 141,73 Punkten. Zehnjährige Bundesanleihen werfen 1,69 Prozent ab, vor einer Woche waren es 1,68 Prozent.

In den USA wird unterdessen weiter darüber spekuliert, wann die Notenbank das Ende der extrem lockeren Geldpolitik einläutet. Daher werden sämtliche Konjunkturdaten – wie am heutigen Freitag die Arbeitsmarktzahlen – genau unter die Lupe genommen. „Die insgesamt erfreuliche Wirtschaftsentwicklung in den USA sollte von den nächsten Daten untermauert werden“, meint die HSH Nordbank. Der Rückgang der Renditen von zehnjährigen US-Treasuries und Bundesanleihen werde sich nicht fortsetzen. „Im Gegenteil: Wir sehen einen Renditeanstieg in Richtung von 2,70 Prozent bei den Treasuries und 1,75 Prozent bei den Bunds.“

Südländer gesucht, Frankreich nicht

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Daniel

Staatsanleihen der europäischen Südländer, die seit Sommer ohnehin zum Teil rasant im Kurs gestiegen waren, profitierten von der Zinssenkung. Unter Druck geraten am heutigen Freitag hingegen französische Staatsanleihen. „Standard & Poor`s hat Frankreich von AA+ auf AA heruntergestuft“, erklärt Daniel.

Wie Klaus Stopp von der Baader Bank berichtet, greifen Anleger auf der Suche nach dem „Kick“ zum Teil zu etwas zweifelhaften Papieren: Zum Beispiel komme eine auf US-Dollar lautende Anleihe Ägyptens (WKN A1AWT2) gut an. „Der mit einem Rating von CCC ausgestattete Bond ist 2020 fällig und rentiert derzeit mit rund 7,5 Prozent. Nach einem Tief von 76,35 Prozent Anfang Juli notiert die Anleihe aktuell wieder auf einem Niveau von 92 Prozent.“

Corporate Bonds: Einige Problemfälle

Der Handel mit Unternehmensanleihen verläuft diese Woche ruhig. Daniel zufolge sind die bis 2016 laufenden Peugeot-Anleihen (WKN A0VSYU) gesucht, ebenso Papiere von Heidelberger Druck (WKN A1KQ1E). „Heidelberger Druck hat den Nettoverlust im abgelaufenen Quartal verringert, das Sparprogramm scheint zu greifen.“

Dass bei Unternehmensanleihen immer genau hingeschaut werden muss, zeigen derzeit zahlreiche Beispiele von Papieren, die stark im Wert gefallen sind: Auf niedrigem Niveau stabilisiert hat sich 3W Power (WKN A1A29T), aktuell wird die Anleihe zu 23 Prozent gehandelt. Das Unternehmen, Holdinggesellschaft des Energiedienstleisters AEG Power Solutions, hat für den 25. November eine Gläubigerversammlung einberufen, die Anleihe soll nun offenbar restrukturiert werden.

Etwas erholt haben sich Papiere des Abfallverwerters FFK Environment (WKN A1KQ4Z), die mit der Insolvenzanmeldung Ende Oktober abgestürzt waren. Aktuell werden sie wieder zu 11 Prozent gehandelt nach zwischenzeitlich 4 Prozent vergangene Woche – vor einem Monat notierten sie noch bei 85 Prozent. Die vor einer Woche zu beobachtende Berg- und Talfahrt von A.T.U (WKN A0DLQW) hat sich nicht fortgesetzt, in dieser Woche ging es nur nach unten: Nach Kursen zwischen 20 und 40 Prozent in der Vorwoche notiert die Anleihe der Autowerkstattkette am heutigen Freitag bei 13,40 Prozent.

Porr mit neuer Anleihe

Mitarbeiter von Emissionsabteilungen haben währenddessen weiter alle Hände voll zu tun, allerdings kamen in dieser Woche vor allem für Privatanleger ungeeignete Anleihen mit Mindestanlagesumme von 100.000 Euro auf den Markt, etwa von IBM (WKN A1HS3J, A1HS4E), 3M Company (WKN A1HS4N) und Tesco (WKN A1HS4U, A1HS4V). Eine zumindest von der Stücklung her passende Unternehmensanleihe gibt es vom österreichischen Baukonzern Porr (WKN A1HSNV): Der Bond ist mit einem Kupon von 6,25 Prozent ausgestattet und läuft fünf Jahre. Die Zeichnungsfrist beginnt am kommenden Mittwoch.

Von Anna-Maria Borse, Deutsche Börse AG

© 8. November 2013