Anleihen: Aufgeschoben, nicht aufgehoben

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20. September 2013. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Mit der Entscheidung der US-Notenbank vor zwei Tagen, das Anleihekaufprogramm doch noch nicht zu drosseln, wurden viele Marktteilnehmer auf dem falschen Fuß erwischt: „Das war schon überraschend, die Märkte hatten sich auf eine Einschränkung eingestellt“, kommentiert Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsgesellschaft. In der Folge sanken die Zinsen für Bundesanleihen und US-Treasuries wieder deutlich. „Ben Bernanke begründete die Entscheidung damit, dass die Fed die Wirtschaft noch nicht für robust genug hält. Weitere Konjunkturverbesserungen sollen abgewartet werden“, erklärt Arne Hellwig von der Hellwig Wertpapierhandelsbank.

Straffung wird kommen

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Stopp

Die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen, zuvor bei über 2 Prozent, fiel zwischenzeitlich auf 1,88 Prozent, wie Arthur Brunner von ICF Kursmakler meldet. Am Freitagmittag liegt sie bei 1,93 Prozent. Der Euro-Bund-Future stieg wieder über 139 Punkte, aktuell notiert der Indikator für die langfristigen Zinserwartungen bei 138,53 Prozent.

Dass rückläufige Zinsen und steigende Kurse von Bundesanleihen von Dauer sein werden, glaubt aber kaum jemand. „Sicherlich wird sich schon bald zeigen, dass es sich hierbei lediglich um ein Strohfeuer handelt und im Zweifelsfall die gestiegenen Kurse zu Glattstellungen genutzt werden“, meint Klaus Stopp von der Baader Bank. Die von den Märkten erwartete Entscheidung sei nur vertagt worden.

Spanien profitiert

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Brunner

Dass der Rentenmarkt insgesamt beflügelt wurde, kam auch Spanien am gestrigen Donnerstag zugute: Das Land konnte sich Brunner zufolge sehr günstig refinanzieren. „Das Maximalvolumen von 3 Milliarden Euro wurde sogar leicht übertroffen, die Renditen lagen deutlich niedriger als bei der letzten Auktion.“ Aus Griechenland und Zypern seien daneben mit Fortschritten bei Privatisierung und Bankenabwicklung „verhältnismäßig beruhigende“ Nachrichten gekommen.

Sorgen bereitet unterdessen Portugal. „Trotz des erstaunlich hohen BIP-Wachstums von 1,1 Prozent im letzten Quartal ist die Finanzlage so prekär, dass Standard & Poor’s es in Betracht zieht, das Rating weiter herabzusetzen“, erläutern Stefan Gäde und Cyrus de la Rubia von der HSH Nordbank. So habe der Beginn der jüngsten Troika-Inspektion unter keinem guten Vorzeichen gestanden. „Portugals Rückkehr an die Kapitalmärkte wird 2014 wohl nur nach dem Vorbild Irlands möglich sein.“ Der ESM würde dann im Zweifelsfall bereitstehen, um die am Kapitalmarkt emittierten portugiesischen Anleihen aufzunehmen.

Continental nach Hochstufung gefragt

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Daniel

Noch oben ging es im Handel mit Unternehmensanleihen für Continental-Papiere (WKNs A1X24V, A1X3BZ), wie die Händler festgestellt haben. „Moody’s hat die Bonitätsnote für den Konzern auf Baa3 heraufgestuft“, erklärt Daniel. Wie Brunner ergänzt, wurde auch Schaeffler von Moody`s heraufgestuft, Hintergrund ist die zunehmende Entflechtung der beiden Unternehmen. „Die Anleihen haben aber kaum reagiert.“ Rege gehandelt worden sei die erst im Sommer emittierte Anleihe der Deutschen Rohstoff AG (WKN A1R07G). „Im Moment liegt der Kurs um 100 Prozent.“

Einen wahren Kursrutsch erlebte die Anleihe des österreichischen Baukonzerns Porr (WKN A1APJM): „Vor einer Woche wurde sie noch zu 100 Prozent gehandelt, dann fiel der Kurs auf 90 Prozent“, erklärt Daniel. Hintergrund sei wohl eine Verkaufsempfehlung gewesen. Aktuell wird die Anleihe allerdings schon wieder zu 96 Prozent gehandelt. Auch Stopp berichtet von Interesse an der bis 2020 laufenden Continental-Anleihe (WKN A1X3B7), außerdem an Bonds von Nestlé (WKN A1HQUA), ThyssenKrupp (WKN A1MA9H) und Renault (WKN A1G9HU).

Viel Bewegung in Krisentiteln

Hellwig zufolge waren zu Beginn der Woche Nachrang- und Hybridemissionen von Banken, etwa der Depfa und der WestLB, gefragt. „Nach der überraschenden Fed-Entscheidung hat sich der Kaufwille der Kundschaft aber etwas abgekühlt.“

Ebenso rege gehandelt worden sei eine bis 2016 laufende Bombardier-Anleihe (WKN A0G1ZL) – in beide Richtungen.

Die heftigen Kursverluste von Bonds in Schwellenländerwährungen nutzen einige Anleger zum Einstieg. Daniel zufolge wurde etwa in KfW-Anleihen in brasilianischen Real und türkischen Lira (WKNs A1RE8Z, A1RE8Q) zugegriffen.

Windreich-Insolvenz löst Verkaufswelle aus

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Petz

Einiges Aufsehen erregte in dieser Woche, wie Hellwig beobachtet, der Insolvenzantrag des Windpark-Entwicklers Windreich. „Nach Auskunft des inzwischen abgetretenen Firmenchefs Willi Balz ist das Verfahren von ihm selbst in Eigenregie nach dem neuen Insolvenzrecht beantragt worden. Auf diese Weise ist das Unternehmen vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt, ohne die Geschäfte einem Insolvenzverwalter zu überlassen. Das Verfahren kann drei Monate lang aufrecht erhalten werden. Bei nicht erreichter Sanierung droht dann die Insolvenz“, erläutert der Händler.

Die Windreich-Anleihe (WKN A1CRMQ) wurde vorübergehend vom Handel ausgesetzt, handelte dann am Mittwoch wieder in einer Range von 10 bis 17 Prozent. Allerdings haben sie sich mittlerweile gegenüber den ersten Handelstagen nach der Insolvenzanmeldung halbiert, ergänzt Hellwig. jetzt werde die theoretisch 2015 fällige Anleihe um 8 Prozent gehandelt. 

Neue Mittelstandsanleihe

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Daneben begann am Mittwoch dieser Woche die Zeichnungsfrist für die Unternehmensanleihe der VST Building Technologies (WKN A1HPZD), einem österreichischen Anbieter von Technologielösungen für die Bauwirtschaft. Das Papier, das bis 2019 läuft und einen Kupon von 8,5 Prozent aufweist, kann noch bis zum 30. September gezeichnet werden, im Anschluss erfolgt die Notierungsaufnahme im Entry Standard.

Außerdem hat der Windparkprojektierer PNE Wind eine zweite Tranche seiner 8 Prozent-Anleihe (WKN A1R074) platziert, wie Rainer Petz von Close Brothers Seydler meldet. „Mit der Aufstockung wurde jetzt das maximal mögliche Volumen von 100 Millionen Euro ausgeschöpft.“ PNE Wind wurde außerdem in den Prime Standard für Unternehmensanleihen der Börse Frankfurt aufgenommen, das Segment mit den höchsten Transparenzanforderungen. „Wir sehen eine gute Nachfrage nach der Anleihe von Privatkunden“, berichtet Petz.

von Anna-Maria Borse, Deutsche Börse AG

© 20. September 2013