29. Juli 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die Atempause für den Kapitalmarkt war nur von kurzer Dauer. Zu der fehlenden Lösung im US-Streit um die Anhebung der Schuldenobergrenze beschäftige der Warnschuss von Moody’s Richtung Spanien nun den Anleihemarkt, berichten die Market Maker. „Die Rating-Agentur ließ heute Morgen verlauten, dass sie die Bonität von Spanien überprüfen und gegebenenfalls die Benotung senken wird“, meldet ein Händler der Hellwig Wertpapierhandelsbank. Zudem hätte sich Italien in dieser Woche nur zu schlechteren Bedingungen am Kapitalmarkt frisches Geld besorgen können.
Nach Ansicht der HSH Nordbank rückt auch Portugal zu Beginn der Defizitfortschrittskontrolle durch den IWF, die EZB und die EU am kommenden Montag wieder in den Fokus. Trotz Verlängerung der Laufzeiten und Reduzierung der Zinssätze für die Hilfskredite stimmten die Signale der vergangenen Wochen für das Land wenig optimistisch. Auch deshalb wendeten Investoren sich derzeit lieber Unternehmensanleihen namhafter Industriekonzerne zu, vermutet Gregor Daniel von der Wertpapierhandelsgesellschaft Walter Ludwig.
Zypern in Bedrängnis
„Den Daumen gesenkt hat Moody’s in dieser Woche bereits für Zypern“, beobachtet Daniel. Die Bonitätsnote liege nun mit Baa1 nur noch drei Stufen über dem Status „ohne Investment Grade“. Ein Grund für die Herabstufung seien die wirtschaftlichen und politischen Folgen einer verheerenden Explosion auf einem zyprischen Marinestützpunkt, die die bisherigen Sparbemühungen der Regierung relativiere.
Den Zyprern könne zudem die enge Verflechtung der Finanzbranche mit dem angeschlagenen griechischen Bankensektor zum Verhängnis werden. „Die Banken halten griechische Staatsanleihen im Wert von rund fünf Milliarden Euro“, weiß der Hänlder. Moody’s habe nun angekündigt, die Kreditwürdigkeit Zyperns weiter herabzustufen, sollte das Land seinen Bankensektor mit erheblichen Mitteln stützen müssen. Eine in 2014 fällig werdenden Zypern-Anleihe (WKN A0DAA7) sei darauf hin abgestürzt. „Die Anleihe ist aber auch aufgrund mangelnder Liquidität besonders anfällig für Schwankungen“, fügt Daniel hinzu.
Wie gewonnen, so zerronnen
Stopp
Nur eine kurze Verschnaufpause hat der Beschluss über die zusätzlichen Hilfen insbesondere griechischen Anleihen mit kurzer Fälligkeit beschert. Die Kursgewinne von bis zu 10 Prozent für die Kurzläufer seien bereits zur Hälfte wieder weggebrochen, beobachtet Klaus Stopp. „Anleger fragen sich, ob es für ihre 2012 und 2013 fällig werdenden Anleihen ebenfalls einen Schuldenschnitt geben wird“, analysiert der Händler der Baader Bank. Selbst eine in wenigen Wochen fällig werdende Griechenland-Anleihe (WKN A0GSUC) notiert aktuell bei 99,55 Prozent und erreicht eine Rendite von 12 Prozent. Ein im März 2012 fälliger Bond (WKN A0T6US) wirft bei einem derzeitigen Stand von 80,95 Prozent eine Rendite von 41,56 Prozent ab. „Der Markt hat offensichtlich bereits einen Abschlag mit einkalkuliert“, vermutet Stopp.
Rege Nachfrage nach US-T-Notes
„Die Hoffnung stirbt zuletzt“, laute das Motto der Marktteilnehmer, wenn sie auf die USA blicken, beschreibt die HSH Nordbank das Verhalten der Investoren an den Kapitalmärkten. Trotz politischer Sackgasse bezüglich der Anhebung der US-Schuldengrenze sei eine Auktion von siebenjährigen T-Notes reibungslos und mit ordentlicher Nachfrage verlaufen. Dennoch werde es bis zu einem mehrheitsfähigen Beschluss für das amerikanische Sparpaket zumindest noch das Wochenende und intensive Verhandlungen brauchen.
Zudem stünden erste Schätzungen für das Bruttoinlandsprodukt der USA für das zweite Quartal auf dem Programm. „Erwartet wird eine nachlassende wirtschaftliche Dynamik im Vergleich zu den ersten drei Monaten“, beobachtet die HSH Nordbank. Auch die am heutigen Freitag zur Veröffentlichung anstehenden Stimmungsindikatoren würden vermutlich auf eine Abkühlung der wirtschaftlichen Aktivität in den kommenden Monaten deuten. Trotz Verschuldungsdebatte werde dies die Kurse der T-Notes tendenziell stützen.
Kreditausfall nicht erwartet
Daniel
Wie wenig sich der Kapitalmarkt um die Zahlungsfähigkeit der USA sorge, spiegelten auch die Preise für Kreditausfallversicherungen wider, die für die USA zuletzt nur unwesentlich teurer geworden seien. „Um sich gegen Ausfälle der amerikanischen Regierung innerhalb der nächsten fünf Jahre abzusichern, wird derzeit eine Jahresprämie von 64,36 Basispunkten fällig“, erklärt Gregor Daniel. Dies entspreche 64.360 US-Dollar pro abzusichernder 10 Millionen US-Dollar. Im Vergleich lägen die Prämien für deutsche Staatsanleihen mit derzeit 63,17 Basispunkten nur unwesentlich niedriger. „Das liegt vielleicht auch daran, dass der Ernstfall bereits unter der Clinton-Regierung geprobt wurde“, glaubt Daniel. Nachdem sich die politischen Lager im Jahr 1995 nicht über die Anhebung der Schuldengrenze haben einigen können, seien etwa Zahlungen von Sozialleistungen einige Tage ausgesetzt worden und so manche öffentliche Einrichtung sei zeitweise geschlossen worden.
Dennoch spielen die Beteiligten Arthur Brunner zufolge durchaus mit dem Feuer. „Denn sollten die USA mit einer Zahlung mindestens drei Tage in Verzug geraten, so wird die für diese Regelungen der CDS zuständige Organisation ISDA ein Kreditereignis feststellen“, erklärt der Händler von ICF Kursmakler. Damit würde die Auszahlung dieser Kreditausfallversicherung ausgelöst.
Bund-Future im Höhenflug
Brunner
Den richtungsweisenden Bund-Future haben die Entwicklungen im Wochenverlauf wieder nahe an die Höchstgrenze der Vorwoche gehoben. „Das Krisenbarometer nahm die ganze Woche zu und notierte zeitweise wieder über der Marke von 130 Prozent“, berichtet Brunner. Der Renditeabstand von zehnjährigen US-Treasuries gegenüber Bundesanleihen sei innerhalb der letzten Woche um 23 Basispunkte angestiegen. Aus technischer Sicht erkennt die HSH Nordbank nun bei 129,86 Prozent für das Zinsbarometer einen kräftigen Widerstand, den es auf dem weiteren Weg nach oben zu überwinden gilt. Um die 129 sei er nach unten hin sehr gut unterstützt. Eine Belastung wären die wieder entfachten Schuldendiskussionen im Euroraum auch für den Euro, berichtet die Helaba. Nach den Aktienmärkten auch der Euro unter Druck geraten. Gegenüber dem US-Dollar wäre die Gemeinschaftswährung technisch betrachtet unter die 100-Tagelinie von 1,4327 gerutscht. Sie notiert am Freitag im frühen Handel bei 142,83 US-Dollar. Die nächsten Unterstützungsmarkes läge nun bei 1,4240 und um 1,41 zu finden.
Namhafte Konzerne machen das Rennen
Ob Euro, Australischer Dollar (AUD), norwegische Krone (NOK) oder Schwedische Krone (SEK), Anleger setzen in dieser Woche auf Großunternehmen mit guten Noten, berichtet Daniel. So registriert der Händler reges Interesse an der Neuemission der Vorwoche, der VW-Anleihe in Australischen Dollar (WKN A0VRFC). Durch die Bank gesucht würden zudem in Euro emittierte Anleihen namhafter Industriekonzerne.
Zeitgleich mit der Ankündigung einer neuen siebenjährigen BMW-Anleihe habe die Ratingagentur Moody’s die Kreditwürdigkeit des Unternehmens von A3 auf A2 nach oben gestuft. Stopp zufolge hat das für zusätzliche Nachfrage nach der eine Milliarde Euro schweren Schuldverschreibung mit einem Kupon von 3,3625 Prozent des Münchner Autobauers gesorgt. Kurz nach der Lehmann-Pleite habe BMW noch einen Zuschlag zur Bundesanleihe von 6 Prozent zahlen müsse. Diesmal seien es lediglich 1,3 Prozent mehr.
© 29. Juli 2011 / Iris Merker