Anleihen: Europas Bonds weiter auf Klettertour

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27. November 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die Geldpolitik bestimmt weiter den Markt. EZB-Chef Mario Draghi hatte Ende vergangener Woche geäußert, alles Notwendige tun zu wollen, um die Inflation so schnell wie möglich wieder zu erhöhen. Das wurde als eindeutiges Signal gedeutet, dass die EZB auf ihrer Sitzung am kommenden Donnerstag die Geldpolitik abermals lockern wird. „Die Frage ist nun, was genau gemacht wird“, bemerkt Arthur Brunner von der ICF Bank. Neben einer Ausweitung des Anleihekaufprogramms und der Senkung des Einlagezinses werde am Markt nun unter anderem über den Kauf von Länderanleihen oder Kreditpaketen spekuliert.

Der Euro-Bund-Future präsentiert sich entsprechend stark, auf Wochensicht legte das Marktbarometer abermals zu und kletterte von knapp 158 auf 158,40 Prozent. Zehnjährige deutsche Staatsanleihen werfen damit nur noch eine Rendite von 0,46 Prozent ab nach 0,48 Prozent vergangenen Freitag. Zwischenzeitlich sorgte auch der Abschuss eines russischen Militärfliegers durch die Türkei für Rückenwind bei Bundesanleihen. „Am Dienstag stieg die Risikoaversion bei den Anlegern, Bundesanleihen wurden verstärkt nachgefragt und stiegen im Kurs“, meldet Sabine Tillmann von der Hellwig Wertpapierhandelsbank.

Auch Mittelmeeranrainer profitieren

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Brunner

Zurück gingen auch Zinsen für Staatsanleihen aus Europas Peripherie, etwa spanische und italienische. „Selbst im Fall Portugal sind die Renditen wieder auf dem Rückzug“, meldet Brunner. In Portugal wurde diese Woche Sozialist António Costa zum Regierungschef ernannt. „Der Regierungswechsel hat seinen Schrecken verloren.“ Aktuell liegt die Rendite für zehnjährige portugiesische Staatsanleihen nur noch bei 2,25 Prozent, vor drei Wochen waren es noch 3 Prozent.

Griechenland ist ebenfalls kein Thema mehr. „Beim Treffen der Eurofinanzminister bzw. deren Vertreter, bei dem über Griechenland und die Haushaltsentwürfe der Eurostaaten für 2016 beraten wurde, wurde aus dem Eurorettungsschirm ESM eine 2 Milliarden Euro-Tranche für Griechenland freigegeben“, berichtet Tillmann.

VW-Anleihen wieder gesucht

Sehr beliebt sind Papiere von VW. „VW-Anleihen (WKN A1HERD) konnten ihre Kursverluste nach dem Abgas-Skandal mehr als gut machen und notieren bei weiter vorhandener Nachfrage um 100,50 Prozent“, stellt Tillman fest. Laut Brunner sind besonders Hybridanleihen (WKN A1ZE21, A1VCZP) gefragt. Auslöser sei wohl die Meldung gewesen, nach der zur Umrüstung der betroffenen Autos nur ein kleines Gitternetz und eine Softwareaktualisierung nötig seien. Auch die Aktien machten einen Satz nach oben.

Kursrutsch bei Abengoa und Scholz

Heftig unter Druck gerieten unterdessen Anleihen des angeschlagenen spanischen Anbieters von erneuerbaren Energien Abengoa, wie Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsgesellschaft berichtet. Die bis 2016 laufende Anleihe (WKN A1AVGM), deren Kurs vor gut zwei Wochen noch bei 92 Prozent lag, notiert am Freitagmittag bei nur noch 20,5 Prozent. Am Mittwoch wurde bekannt, dass Verhandlungen über den Einstieg der Industriegruppe Gestamp gescheitert sind, daraufhin beantragte Abengoa Gläubigerschutz. Auch der Aktienkurs brach ein.

Ebenfalls stark abgerutscht sind Bonds des Schrottrecylers Scholz (WKN A1MLSS), auf die Rainer Petz von Oddo Seydler hinweist. Vor zwei Wochen notierte die Anleihe noch bei über 70 Prozent, im September waren es noch fast 100 Prozent, jetzt sind es 22 Prozent. „Das Unternehmen ist hoch verschuldet, die Suche nach einem Investor war bislang ohne Erfolg.“

Travel24.com schwankungsanfällig

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Petz

Sehr volatil zeigte sich laut Brunner die Travel24.com-Anleihe (WKN A1PGRG), zuletzt ging es aber deutlich nach oben. „Hintergrund waren wohl Nachrichten über den eventuellen Einstieg eines Investors bei der Mutter Unister.“ Allerdings sei das Papier eher illiquide, die Ausschläge seien daher hoch. Mitte November lag der Kurs noch bei 35 Prozent, jetzt sind es 50 Prozent. Mittlerweile hat sich der Investoreneinstieg Presseberichten zufolge aber zerschlagen.

Viel gekauft werden Daniel zufolge außerdem Anleihen der Ersten Finance (WKN A0AW29) sowie von ThyssenKrupp (WKN A14J57). Papiere der Lufthansa standen, bevor der angekündigte Streik wieder abgesagt wurde, hingegen auf den Abgabelisten (WKN A12UAP).

Ausstieg der Allianz aus Kohle

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Stopp

Gesprächsthema war auch die Ankündigung der Allianz, nicht mehr in Unternehmen zu investieren, die mehr als 30 Prozent des Umsatzes mit Abbau oder Energieerzeugung aus Kohle umsetzen. „Allerdings dürfte sich die Umweltfreundlichkeit der Allianz bei der Entscheidung auch in Grenzen halten“, kommentiert Klaus Stopp von der Baader Bank. Vielmehr stecke hinter dem Schritt wohl reines betriebswirtschaftliches Kalkül, der Konzern gehe davon aus, dass aufgrund einer strenger werdenden Regulierung diese Assets zu großen Verlusten führen könnten. Anleihen von Kohleerzeugern wie RWE (WKN A1HR28) zeigten sich aber unbeeindruckt, wie Stopp anmerkt.

UBM mit neuer Anleihe

Ab kommenden Montag bis zum 4. Dezember 12 Uhr kann eine neue Anleihe des österreichischen Immobilienentwicklers UBM Development gezeichnet werden. Das Papier (WKN A18UQM) läuft bis Dezember 2020 und bietet ein Kupon von 4,25 Prozent.

Der Euro zeigt sich durch die nahende Zinserhöhung in den USA und geldpolitische Lockerung in der Eurozone schwer angeschlagen, am Freitagmittag kostet die Gemeinschaftswährung weniger als 1,06 US-Dollar. So interessierten sich Anleger für andere Währungen. „Auf der Suche nach Weihnachtsschnäppchen griffen Privatanleger in dieser Handelswoche verstärkt bei Anleihen auf US-Dollar, türkische Lira und russische Rubel zu“, hat Stopp beobachtet. Beispiele sind US-Dollar-Anleihen von J.P. Morgan (WKN JPM4A1) mit Kupon von 3,875 Prozent und Laufzeit bis 2024 sowie von Apple (WKN A1Z1EU) mit 4,375 Prozent bis 2045, auf türkische Lira lautende Papiere der KfW (WKN A1SR83, 9,25 Prozent bis 2020) und der Rabobank (WKN A1ZLW7, 9,25 Prozent bis 2021) sowie russische Staatsanleihen in Rubel (WKN A1G3F7, A1G10S) mit 7,5 Prozent bis 2019 und 8,15 Prozent bis 2027.

Von Anna-Maria Borse, Deutsche Börse AG

© 27. November 2015