Anleihen: Flucht in Bundesanleihen

5. August 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Unzufriedenheit mit dem US-Finanzkompromiss und den Maßnahmen zur Rettung der EU-Wackelkandidaten sowie die drohende Konjunkturdelle hatten schon seit Wochenbeginn die Investoren in risikolose Anlagen fliehen lassen. Die überraschende Wiederaufnahme von Anleiherückkäufen durch die EZB gestern versetzte dem Markt jedoch den Dolchstoß: Um 3,4 Prozent ging es für den DAX nach unten, der Euro tauchte ab, Gold als Fluchtwährung legte nochmals zu. Der Euro-Bund-Future kletterte über die Marke von 133 Prozent und erreichte damit einen neuen Jahreshöchststand. „Nachdem EZB-Chef Trichet eine erneute Intervention an den Finanzmärkten signalisierte, hat der Bund-Future richtig Fahrt aufgenommen“, erklärt Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsgesellschaft. Heute setzt sich der Trend fort, der DAX liegt abermals tief im Minus. Die EZB hatte gestern den Leitzins unverändert gelassen, vor allem aber erstmals seit vier Monaten wieder Staatsanleihen der Peripherieländer zurückgekauft, allerdings nur irische und portugiesische. „Viele Akteure hatten ihre Hoffnung auf die EZB gesetzt, dass diese italienische und spanische Staatsanleihen am Markt kauft“, erläutert Arthur Brunner von ICF Kursmakler.

Steigende Risikoaufschläge für Europas Peripherie

„Italien und Spanien kommen nicht zur Ruhe“, kommentieren Viola Stork und Ulrich Wortberg von der Helaba. Selbst die einigermaßen erfolgreich verlaufenen Auktionen spanischer Staatsanleihen hätten die Marktteilnehmer nicht nachhaltig beruhigen können. „Zwar sind die Renditen vorübergehend gesunken, dennoch schürt das insgesamt hohe und im Trend steigende Zinsniveau Spekulationen, wonach das Land die Schuldenlage langfristig nicht mehr selbst in den Griff bekommt.“ Ähnlich sei die Situation in Italien. Die Beteuerung von Ministerpräsident Berlusconi, dass die Fundamentaldaten des Landes solide und das heimische Finanzsystem robust seien, werde die Gemüter der Investoren nicht dauerhaft beruhigen können. Vor diesem Hintergrund seien erneute Spread-Ausweitungen wahrscheinlich. „Am Donnerstag erreichte die Renditedifferenz zwischen zehnjährigen italienischen und deutschen Staatsanleihen mit über 390 Basispunkten ihren bisherigen Höchststand, das Spread-Hoch zu Spanien wurde bei etwa 407 Basispunkten markiert“, erläutern die Analysten.

Bloß nichts Riskantes


Daniel

Auch anderenorts lässt sich ablesen, wie sehr Sicherheit im Moment gefragt ist, wie Brunner bemerkt: „Selbst der Renditeabstand von französischen zu deutschen Staatsanleihen beträgt mittlerweile 90 Basispunkte im zehnjährigen Bereich, vor einem Monat waren es gerade einmal 39.“ Doch auch den USA trauen viele Anleger nicht mehr über den Weg. Gregor Daniel verweist auf die Herabstufung der USA durch die chinesische Rating-Agentur Dagong von A+ auf A und den neuerdings negativen Ausblick. „Die US-Rating-Agenturen sind befangen und nicht glaubwürdig“, ergänzt er. Der richtungsweisende Bund-Future liegt aktuell bei 132,49, vor einer Woche waren es noch 130,66. Zehnjährige Bundesanleihen werfen nur noch eine Rendite von 2,24 Prozent ab.

Hochprozentiges kommt unter die Räder


Petz

Im Anleihehandel ging es dem entsprechend turbulent zu in dieser Woche, gestern und heute ganz besonders. „Die Nerven liegen blank“, meint Gregor Daniel. Alles, was irgendwie nach Risiko riecht, wird abgestoßen. „Unternehmensanleihen konnten nicht von der Flucht in Rentenpapieren profitieren“, meldet Brunner, der Handel sei diese Woche sehr schwierig gewesen. „Die Renditeabstände zu Bundesanleihen haben sich zum Teil drastisch erhöht. Der Markt für Neuemissionen ist diese Woche so gut wie zum Erliegen gekommen.“ Wie Rainer Petz von Close Brothers Seydler berichtet, trennen sich Anleger gerade auch von den hochverzinslichen Anleihen. „Zum Beispiel hat die bis 2018 laufende Anleihe von Heidelberger Druck innerhalb einer Woche über 10 Prozent an Wert verloren“, erklärt der Händler. Das Papier, das einen Kupon von 9,25 Prozent hat, notierte am vergangenen Freitag noch bei 87 Prozent, heute sind es 77. „Das macht eine Rendite von 14 Prozent.“ Auch andere so genannte High Yielder, etwa Papiere von Air Berlin mit Laufzeit bis 2015 (WKN AB100A) und 2018 (WKN AB100B) sowie von Auto-Teile-Unger (WKN A1EWTK) stürzten regelrecht ab. Auf den Verkaufslisten standen Brunner zufolge auch Nachranganleihen, etwa ein Papier der IKB (WKN 273032). „Das ist in diesem Umfeld auch nicht sonderlich verwunderlich““, meint der Händler.

Norwegische und australische Währung punkten

Vom Euro wollen viele Anleger nichts mehr wissen. „Fremdwährungen sind angesagt, besonders Norwegische Kronen und Australische Dollar.“ Gesucht seien etwa eine KfW-Anleihe (WKN A1E8VW) in der skandinavischen Währung mit Laufzeit bis 2016 und einem Kupon von 4 Prozent, die heute zu 103,35 gehandelt wird, und eine relativ neue, bis 2015 laufende VW-Anleihe (WKN A0VRFC) in Australischen Dollar. Diese weist einen Kupon von 6,25 Prozent aus und notiert heute bei 103,65. Im Übrigen ist Daniel zufolge eine bis 2015 laufende Venezuela-Anleihe (WKN A0DZ45) die ganze Woche sehr gut gekauft worden, sei heute im Zuge des allgemeinen Abwärtsstrudel aber in die Knie gegangen.

© 5. August 2011 / Anna-Maria Borse