Anleihen: Gefangen zwischen Zins- und Geldlockerungsphantasien

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9. Oktober 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Zinserhöhungsszenarien und Spekulationen um eine Ausweitung der EZB-Anleihekäufe bleiben vorherrschende Themen an den Kapitalmärkten.

Mit Blick auf die heiß diskutierte und immer noch unentschiedene US-Notenbankpolitik sind laut Helaba die wirtschaftlichen Entwicklungen und Perspektiven ein entscheidender Einflussfaktor, da von diesen auf die zukünftige Preiskurve geschlossen werden könne. Dies bezüglich biete die heute zur Veröffentlichung anstehende Teuerung der US-Importpreise einen ersten Hinweis. Öl und der Dollar-Außenwert als maßgebliche Einflussgrößen zeigten im Vergleich einen leicht negativen Effekt. Verbunden mit einem stärkeren US-Dollar ergäben sich billigere Importe. Zwar liege der Ölpreis im Oktober wieder über dem Septemberniveau. „Alles in allem dürfte es aber wenig Anlass für eine Belebung der US-Zinserwartungen geben.“

„Das Thema bleibt uns erhalten, aber die vom Markt so klar erwarteten Umrisse des Einstiegs in die Zinswende verschwimmen zusehends“, ergänzt Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank. Kopfschmerzen bereite etwa die geringe Preisinflation. Hellmeyer vermisst die Thematisierung der strukturellen US-Wirtschaftsschwäche, die der Händler unter anderem im Zusammenhang mit der Beendigung des QE-Programms sieht. Die Fokussierung auf das Inflationsthema greift aus Sicht des Analysten zu kurz.

Für Gregor Daniel ist der Zinsschritt noch in diesem Jahr wahrscheinlich. „Es geht auch um die Glaubwürdigkeit der Institution“, begründet der Händler von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsgesellschaft.

Gewinnmitnahmen bei Bundesanleihen

Die schwebende Zinsentscheidung wird nach Meinung der Händler auch in den kommenden Wochen die Handelsaktivitäten prägen. Aktuell steht der Euro-Bund-Future bei 156,24 Prozent und konnte damit die Höchstnotierung von 157,67 Prozent nach den schwachen US-Arbeitsmarktdaten vom vergangenen Freitag nicht halten. Hinter den Verkäufen hiesiger Staatsanleihen vermutet Stopp das Einstreichen von Gewinnen.

Noch mehr Liquidität bitte

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Hellmeyer

Vor dem Hintergrund des schwachen globalen Wirtschaftsumfelds nimmt der Deflationsdruck auch im Euroraum wieder zu. Seit Mitte des Jahres fallen die Inflationserwartungen. „Offensichtlich haben die ergriffenen Lockerungsmaßnahmen der großen internationalen Notenbanken ihre beabsichtigte preistreibende Wirkung bislang klar verfehlt“, urteilt Robert Halver von der Baader Bank, der eine verstärkte Liquiditätsoffensive nicht nur vonseiten der Europäischen Zentralbank erwartet.

Damit bleibe die Diskussion um eine mögliche Ausdehnung des derzeitigen Anleihe-Kaufprogramms am Leben, wie Sabine Tillmann von der Hellwig Wertpapierhandelsbank feststellt. „Die Warnungen von EZB-Ratsmitglied und finnischem Zentralbankchef Liikanen vor einem vorschnellen geldpolitischen Eingreifen der Notenbanker bremsten die Spekulationen über eine kurzfristige Erweiterung des QE-Programms etwas.“

Schuldenerleichterung für Griechenland wieder im Gespräch

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Daniel

Im Euroraum sorgt die Kombination aus günstigem Ölpreis, extrem lockerer Geldpolitik und einem billigen Euro für ein wenig konjunkturelle Schubkraft, wie Stopp bemerkt. Einen Grund zur Entwarnung sieht der Händler darin aber nicht. Insbesondere gebe Griechenland mit seinem rückläufigen Bruttoinlandsprodukt um 2,3 Prozent in diesem und prognostizierten 1,6 Prozent im kommenden Jahr Anlass zur Sorge. Zudem stimme der von der griechischen Regierung erwartete höhere Schuldenstand von 333,5 Milliarden Euro für 2016 nicht gerade zuversichtlich. „Schon bald wird das Wort Schuldenschnitt wieder in aller Munde sein“, sagt Stopp voraus. Alle anderen Lösungen hätten nur einen vorbereitenden Charakter.

Corporate Bonds von in Bewegung

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Stopp

Im Handel mit Unternehmensanleihen stehen Anleihen der Deutschen Bank laut Tillmann unter Druck. „Nach Bekanntgabe des Herbstputzes in Verbindung mit dem Quartalsverlust von rund 6 Milliarden Euro gaben die Nachrang- und Hybrid-Anleihen der Bank nach.“ Etwa verlor ein mit 8 Prozent verzinster Bond (WKN A0TU30) im Wochenverlauf von 111,25 Prozent auf zeitweilig unter 108 Prozent. „Anleihen der Deutschen Postbank (WKNs A0DHUM, A0D24Z) wurden in Mitleidenschaft gezogen.“

Gregor Daniel berichtet von erhöhter Nachfrage nach einem Langläufer der größten deutschen Fluggesellschaft. Eine im August begebene bis 2075 laufende Lufthansa-Anleihe (WKN A161YP) mit einem Kupon von 5,125 Prozent lande verstärkt in den Anlegerdepots. Der Kurs der nachrangigen, von der Lufthansa in 2021 kündbaren Hybridanleihe stieg auf Wochensicht von 100 auf 102 Prozent.

Bonds des Automobilproduzenten Daimler (WKN A1TNJ9) wurden laut Daniel ebenfalls in Summe gekauft. Zudem komme eine zu einem Preis von 98,926 Prozent emittierte zehnjährige Anleihe der Deutschen Börse (WKN A1684V) mit einem Kupon von 1,625 Prozent bei Investoren gut an. Aktuell ist die Anleihe für etwas über 100 Prozent zu haben.

Fremdwährungsanleihen emittiert in türkische Lira (WKN A1E8U5) führt Daniel unterm Strich auf der Verkaufsseite. In den vergangenen fünf Handelstagen hat sich der Euro gegenüber der Lira allerdings von 3,35 auf 3,28 verbilligt.

Von Iris Merker, Deutsche Börse AG
© 9. Oktober 2015