Anleihen: Weiter im Bann der Zentralbanken

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6. November 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Es bleibt ein Hin und Her: Nachdem US-Notenbankchefin Janet Yellen eine Leitzinserhöhung in diesem Jahr als „reelle Möglichkeit“ bezeichnet hat, wird am Markt nun wieder von einem Zinsschritt im Dezember ausgegangen. Mit Spannung erwartet werden die heute Nachmittag zur Veröffentlichung anstehenden US-Arbeitslosenzahlen, die Auskunft über den Zustand der US-Wirtschaft geben sollen. „Yellen hat davon gesprochen, dass die Zinsen angehoben werden könnten, wenn sich die wirtschaftliche Lage weiter positiv entwickelt“, erklärt Arthur Brunner von der ICF Bank. „Daher sind die Arbeitslosenzahlen wichtig.“

„Man kann es zwar inzwischen fast nicht mehr hören, aber die Kapitalmärkte fristen ihr Dasein nur noch im Schatten der Notenbanken“, kommentiert Klaus Stopp von der Baader Bank. Das ist in Europa nicht anders als in den USA: Hier wird mit einer Ausweitung des Anleihekaufprogramms seitens der EZB gerechnet. Die Spekulationen verstärken sich immer dann, wenn schlechte Konjunkturzahlen veröffentlicht werden, etwa am gestrigen Donnerstag enttäuschende Auftragseingänge für die deutsche Industrie.

Davor kamen von Konjunkturseite in Europa in dieser Woche allerdings positive Nachrichten: Zu Wochenbeginn wurden die Einkaufsmanagerdaten des verarbeitenden Gewerbes für den Euroraum veröffentlicht, wie Sabine Tillman von der Hellwig Wertpapierhandelsbank meldet, „Der Gesamtindex stieg im Monatsvergleich auf 52,3 Punkte, dies war der erste Anstieg seit drei Monaten.“ Am Mittwoch wurden im Euroraum die finalen Einkaufsmanagerindizes für den Dienstleistungsbereich bekannt gegeben. „Sie verbesserten sich nochmals in Spanien, Italien und Frankreich.“

Bundesanleihen insgesamt schwächer

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Brunner

Der Euro-Bund-Future hat im Wochenvergleich nachgegeben und notiert am heutigen Freitag bei 156,46 Punkten nach 157,49 vor einer Woche, zehnjährige Bundesanleihen werfen wieder 0,599 Prozent ab, vergangenen Freitag waren es 0,52 Prozent. Vor anderthalb Wochen war der Euro-Bund-Future zwischenzeitlich auf ein Sechsmonatshoch von 158,60 Prozent geklettert, die Rendite für zehnjährige Bundespapiere hatte kurzzeitig nur noch bei 0,425 Prozent gelegen.

Rege gehandelt wurden im Übrigen rumänische Anleihen, wie Daniel Förtsch von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsgesellschaft feststellt, etwa ein bis 2025 laufendes Papier mit Kupon von 2,75 Prozent (WKN A1Z9K8). „Das hängt wohl mit dem Rücktritt des rumänischen Ministerpräsidenten Victor Ponta zusammen.“

VW-Anleihen wieder unter Druck

Im Handel mit Unternehmensanleihen bleibt VW Thema Nummer eins. Die Nachricht in dieser Woche, dass von falschen CO2-Angaben bei Volkswagen offenbar auch 98.000 Benzinfahrzeuge betroffen sind, führte erneut zu Verkäufen. „Das gilt vor allem für Hybridanleihen (WKN A1ZE21)“, erklärt Brunner. „Allerdings nutzen viele Privatanleger die Kurse auch für einen Einstieg.“ Rainer Petz von Oddo Seydler berichtet ebenfalls von Abgaben, etwa in einer im März dieses Jahres emittierten ewigen Anleihe mit Kupon von aktuell 3,5 Prozent (WKN A1ZYTK), deren Kurs von knapp 84 Prozent vergangene Woche auf heute 80,65 Prozent gefallen ist.

Regelrecht abgestürzt ist die Tillman zufolge die Solarworld-Anleihe (WKN A1YDDX). „Grund war die Nachricht aus den USA, eine Vorinstanz habe eine Entscheidung gegen Solarworld und für Hemlock getroffen.“ Der Siliziumlieferant Hemlock Semiconductor verklagt Solarworld wegen nicht eingehaltener Verträge auf rund 800 Millionen US-Dollar Schadensersatz. Eine Niederlage wäre für Solarworld existenzgefährdend. Handelte die Anleihe zunächst noch um 250, so gab der Preis im Verlauf auf ein Tief unter 200 bei hohen Umsätzen nach, wie Tillmann ausführt. „Der Vorstand sah sich angesichts der Kursverluste zu einer Erklärung genötigt, diese half dem Preis der Anleihe leicht auf die Beine, so dass das aktuelle Niveau von 210-220 wieder erreicht wurde.“

Interesse an Bonds in türkischen Lira

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Stopp

Laut Stopp beschäftigen sich Privatanleger nach dem Wahlsieg der AKP in der Türkei und dem Anstieg der Lira mit Fremdwährungsanleihen auf die türkische Währung, etwa von der Landwirtschaftlichen Rentenbank und der Europäischen Investitionsbank EIB (WKN A1MAQ2, A1ZFL3). Auch Anleihen in US-Dollar und britischen Pfund hätten sich gesteigerten Interesses seitens der Investoren erfreut. Förtsch zufolge geht viel um in auf US-Dollar lautenden Amazon-Anleihen, zum Beispiel einem bis 2021 laufenden Bond mit Kupon von 3,3 Prozent (WKN A1ZTEP).

Neues von Nestlé

Brunner berichtet von einer neuen Nestlé-Anleihe in Euro, die bis 2023 läuft und einen Kupon von 0,75 Prozent bietet (WKN A1Z956). Gut nachgefragt werden mehrere Neuemissionen in unterschiedlichen Laufzeiten von Microsoft, wie Petz beobachtet hat. „Viel gekauft wird zum Beispiel der zehnjährige Bond mit Kupon von 3,125 Prozent und Stückelung von 2.000 US-Dollar (WKN A1Z9YQ)“, konkretisiert der Händler. „Das Interesse an US-Dollar-Anleihen seitens der Privatanleger bleibt generell groß.“

von Anna-Maria Borse,
Deutsche Börse AG© 6. November 2015