Anleihen: Zinswende in weiter Ferne

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16. Oktober 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Nach den hochnervösen Wochen im August und September ist an den Märkten im Oktober etwas Ruhe eingekehrt. „Da die globale Konjunktur nicht so gut läuft wie erhofft, wird jetzt mit einer weiteren Verschiebung der US-Leitzinserhöhung gerechnet“, bemerkt Arthur Brunner von der ICF Bank. Dementsprechend zeigten sich Aktien- und Anleihemärkte derzeit fest. „Auch für Europa wird mehr und mehr davon ausgegangen, dass die EZB noch einmal nachlegen wird“, ergänzt der Händler. „Darauf deuten auch die jüngsten Inflationszahlen hin, die mit 0 Prozent  weit von den von der EZB anvisierten 2 Prozent entfernt sind.“ Von der Sitzung der Europäischen Notenbank in der kommenden Woche erhoffen sich die Märkte nun weitere Lockerungssignale.

Unterdessen probiert die EZB im Rahmen ihrer Anleihekäufe das Verfahren der sogenannten umgekehrten Auktion aus, bei der ein Käufer nach Verkäufern sucht – bei den klassischen Auktionen ist es andersherum. In den USA ist das Verfahren bereits üblich. „Auf diese Weise will die EZB Erkenntnisse über die Tiefe des Angebots erhalten“, meint Klaus Stopp von der Baader Bank. Es gehe also darum herauszufinden, welche Bank welche Titel zu welchem Preis verkaufen würde. Seiner Ansicht nach könnte damit eine Ausweitung des Ankaufprogramms vorbereitet und ausgelotet werden, welche Papiere in einem solchen Fall knapp werden könnten.

Wirtschaft läuft nicht rund

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Brunner

Es waren in dieser Woche eine ganze Reihe von Konjunkturdaten, die enttäuschten: „Der am späten Dienstagvormittag veröffentlichte ZEW-Index für Oktober zeigte sowohl bei der Lagebeurteilung als auch bei der Erwartungshaltung einen deutlichen Rückgang“, erklärt Sabine Tillman von der Hellwig Wertpapierhandelsbank. Dazu meldete China schwache Im- und Exportdaten, der Konsumklimaindex in der EU sank im dritten Quartal von 10,8 auf 10,3 Punkte, und in den USA fielen die Einzelhandelsumsätze schwächer aus als erwartet. „Im am Mittwochabend veröffentlichten Beige Book ist von einem mäßigen Wachstum der Wirtschaft die Rede“, bemerkt Tillmann. „Die Turbulenzen in China sowie der starke US-Dollar werden im Bericht als Gegenkräfte für das US-Wirtschaftswachstum angeführt. Die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung noch in diesem Jahr sank entsprechend.“

Der Euro-Bund-Future notiert am Freitagmittag bei 156,91 Punkten nach 155,99 vor einer Woche. Zehnjährige Bundesanleihen werfen 0,54 Prozent ab nach 0,62 vergangenen Freitag.

Spanien zahlt wieder weniger

Neue Staatsanleihen aus Europas Peripherie wurden sehr gut angenommen, wie Brunner berichtet.  „Bei spanischen Papieren mit Laufzeit von drei Jahren ging die Rendite von 0,335 auf 0,263 Prozent zurück, bei Laufzeit von zehn Jahren von 1,837 auf 1,767 Prozent und bei fünfzehn Jahren von 2,627 auf 2,301 Prozent.“ Auch bei litauischen Staatsanleihen griffen Anleger gerne zu, etwa bei zehn Jahre laufenden (ISIN XS1310032187) mit Kupon von 1,125 Prozent und zwanzig Jahre laufenden mit 2,125 Prozent. Beide sollen kommende Woche in den Handel aufgenommen werden.

VW-Anleihen erholen sich

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Daniel

Die Wogen in Sachen VW haben sich etwas geglättet, zumindest bei Anleihen. „Die Aktien sind zwar noch unter Druck, bei Anleihen sehen wird aber vor allem Käufer“, stellt Brunner fest. Auch Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsgesellschaft berichtet von Käufen, etwa in dem bis 2019 laufenden Papier mit Kupon von 3,25 Prozent (WKN A1GY7M), das mittlerweile wieder 103,94 Prozent kostet. Heftiger abgestraft blieben Hybridanleihen, so wird ein VW-Floater mit unbegrenzter Laufzeit (WKN A1ZYTJ) aktuell zu 79,50 Prozent gehandelt. „Da ist es ja nicht ausgeschlossen, dass ein Kupon einmal ausfällt.“

Gesucht ist Daniel zufolge auch eine Anleihe der Darmstädter Merck KGaA mit Laufzeit bis 2074 und Kupon von 2,625 Prozent (WKN A13R96). Bei einem aktuellen Kurs von 98,21 Prozent liegt die Rendite bei 2,59 Prozent. „Auf dem derzeitigen Zinsniveau greifen Anleger selbst bei so etwas zu.“ Daniel verweist auf einen F.A.Z.-Artikel vom heutigen Freitag, dem zufolge immer mehr Staatsanleihen Minusrenditen aufweisen. Stopp zufolge interessieren sich Anleger für Bonds von ThyssenKrupp (WKN A1R08U), Bilfinger (WKN A1R0TU) und K+S (WKN A1YCR5), ebenso für Nachranganleihen der Deutschen Bank (WKN DB7XJJ).

Dass die German Pellets-Gruppe, Hersteller und Anbieter von Holzpellets, einen neuen Genussschein angekündigt hat, sorgte bei Haltern der alten Anleihen (WKN A1TNAP, A1H3J6, A13R5N) für Unruhe, wie Rainer Petz von der ICF Bank beobachtet hat. „Es gab Verluste, mittlerweile haben sich die Kurse aber wieder erholt.“

Neues von der Deutschen Bahn

Eine weitere Neuemission gab es in dieser Woche von der Deutschen Bahn, die bereits kurz zuvor einen bis 2023 fälligen Floater mit aktuellem Zins von 0,381 Prozent  (WKN A1Z810) auf den Markt gebracht hatte. Das neue Papier (WKN A1Z86K) bietet bei einer Laufzeit von zehn Jahren einen Zins von 1,25 Prozent, wie Brunner meldet. „Die Anleihe kam mit 98,996 Prozent auf den Markt, jetzt sind es 99,51 zu 100 Prozent.“ Die Stückelung liegt in beiden Fällen bei 1.000 Euro.

Noch bis zum 9. November kann eine neue Anleihe der Joh. Friedrich Behrens AG (WKN A161Y5) im Volumen von bis zu 25 Millionen Euro gezeichnet werden. Die neue Schuldverschreibung des Herstellers von Druckluftnaglern und Befestigungselementen bietet bei einer Laufzeit von fünf Jahren eine jährliche Verzinsung von 7,75 Prozent. Dazu gibt es ein freiwilliges Umtauschangebot für die am 15. März 2016 fällige Schuldverschreibung 2011/2016 (WKN A1H3GE), diese kann 1:1 in neue Anleihen getauscht werden. Nach Ablauf der Zeichnungsfrist ist eine Einbeziehung in den Entry Standard für Unternehmensanleihen geplant.

Spekulationen über Riesenemission

Nach der angekündigten Übernahme des Brauereikonzerns SABMiller durch Anheuser-Busch InBev kursieren außerdem Spekulationen über eine Megaemission, wie Brunner berichtet. „Details gibt es aber noch nicht.“ Über 55 Milliarden US-Dollar sollen Bloomberg zufolge durch die Ausgabe von Anleihen in mehreren Währungen und mit unterschiedlichen Laufzeiten geplant sein. Bloomberg zufolge wäre das ein neuer Weltrekord für eine Bondemission zur Finanzierung eines Firmenkaufs.

Von Anna-Maria Borse, Deutsche Börse AG
© 16. Oktober 2015