Auslandsaktien: Biotech mit Risiken und Nebenwirkungen

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1. Oktober 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Lange Zeit kannten US-Biotech-Werte an der Börse nur eine Richtung: nach oben. Jetzt könnte aber ein Ende der Rallye eingeläutet sein. Der Branchenindex Nasdaq Biotechnology hat in den vergangenen zwei Wochen 20 Prozent an Wert verloren, seit Juli sind es 27 Prozent. Dem vorausgegangen war ein rasanter Höhenflug, seit Sommer 2010 hatte sich der Index mehr als vervierfacht. Einen Rücksetzer ähnlichen Ausmaßes hatte es bereits Anfang 2014 gegeben, dann setzte der Index allerdings seinen Aufwärtstrend wieder fort und erklomm neue Höhen. Ist es auch diesmal nur eine kurze Korrektur oder ist die Wende gekommen?

Grund für den aktuellen Kursrutsch waren Äußerungen von US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, die via Twitter dem Wucher bei Medikamenten den Kampf ansagte. Eine kräftige Preiserhöhung von Turing Pharmaceuticals für das Medikament Daraprim gegen Toxoplasmose war der Auslöser: Das Unternehmen hatte den Preis pro Tablette von einem auf den anderen Tag von 13,50 auf 750 US-Dollar erhöht.

Europäische Unternehmen ebenfalls betroffen

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Vrbsky

„Hillary Clinton hatte schon einmal Maßnahmen angekündigt, jetzt könnte es aber ernst werden“, bemerkt Jan Vrbsky von der Baader Bank. Zumindest hätten Anleger dies zum Anlass genommen, sich die Bewertungen der Biotech-Aktien noch einmal anzuschauen. „Diese hatten seit Jahresanfang bis zum Sommer immerhin ein Drittel an Wert zugelegt.“ Die generell hohe Volatilität an den Märkten im Moment habe dazu beigetragen, eine „kleine Lawine“ in Gang zu setzen.

So seien die Kurse des kalifornischen Pharmazie- und Biotechnologieunternehmen Gilead Sciences und des Biotech-Unternehmens Celgene aus New Jersey regelrecht eingebrochen: Bei Gilead fiel der Kurs an der Börse Frankfurt (WKN 885823) innerhalb von anderthalb Wochen von 97 auf unter 86 Euro, bei Celgene (WKN 881244) von 110 auf unter 95 Euro. Selbst europäische Titel seien in Mitleidenschaft geraten, etwa das Schweizer Unternehmen Santhera Pharmaceuticals (WKN A0LCUK).

Biogen schon seit Juli angeschlagen

Die hohen Preise für US-Arzneimittel sorgen immer wieder für Diskussionen. Bei Tecfidera, dem Multiple-Sklerose-Mittel von Biogen, kostet eine Tablette 186 US-Dollar, wie Walter Vorhauser von Oddo Seydler berichtet. Allerdings läuft der Hoffnungsträger nicht so gut wie gewünscht, die Umsatzentwicklung von Tecfidera im zweiten Quartal enttäuschte, der Biogen-Kurs gab deutlich nach. Das Unternehmen, das bis Anfang dieses Jahres noch unter dem Namen Biogen Idec firmierte, rechnet für 2015 jetzt nur noch mit einem bereinigten Gewinn je Aktie zwischen 15,50 und 15,95 US-Dollar statt 16,60 bis 17 US-Dollar.

„Biogen nimmt aber jetzt weitere Krankheiten ins Visier, vor allem Alzheimer.“ Die Hoffnungen bezüglich des neuen Medikaments BIIB037, das Alzheimer verzögern soll und 2017 auf den Markt kommen könnte, seien hoch. An der Börse Frankfurt fiel die Aktie (WKN 789617) mit dem jüngsten Abwärtssog in der Branche bis auf 240 Euro. Am Donnerstagmittag sind es wieder 264,05 Euro, seit Jahresanfang sitzen Anleger aber immer noch auf Verlusten. Auf Zweijahressicht kommen sie allerdings noch auf ein Plus von 47 Prozent, auf Dreijahressicht sogar auf 128 Prozent.

Amgen: Nummer 1 wächst weiter

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Vorhauser

Beim weltgrößten Biotech-Konzern Amgen sind langfristig orientiert Anleger ebenfalls auf ihre Kosten gekommen, zwischen 2011 und Sommer dieses Jahres hat sich der Kurs an der Börse Frankfurt (WKN 867900) mehr als verdreifacht. Doch auch hier gab es zuletzt Verluste: Anfang August kostete Amgen noch 163 Euro, Ende September rutschte die Aktie auf 115 Euro ab. Aktuell sind es 125,40 Euro.

Anders als Biogen hat Amgen mit seinen Zahlen zum zweiten Quartal positiv überrascht, wie Vorhauser berichtet. Der Umsatz kletterte um 4 Prozent auf 5,4 Milliarden US-Dollar, der Nettogewinn um 7 Prozent auf 1,65 Milliarden US-Dollar. „Die Verkäufe beim Rheumamittel Embrel fielen höher aus als erwartet.“ Die Prognosen für das Gesamtjahr wurden daraufhin angehoben.

„Amgen bleibt auf Expansionskurs“, erklärt Vorhauser mit Blick auf die Übernahme der niederländischen Firma Dezima Pharma. Zudem sei mit dem kalifornischen Start-up Xencor eine Kooperationsvereinbarung zur Entwicklung neuer Krebsimmuntherapien geschlossen worden, mit dem  Schweizer Pharmakonzern Novartis eine Vereinbarung über die Erforschung und Behandlung von Alzheimer.

Langer Atem gefragt

„Die Luft könnte erst einmal raus sein aus der Biotech-Branche, zumindest für die kommenden ein bis zwei Jahre“, meint Vorhauser. Eine Forschungsphase stehe nun an. „Längerfristig sind Biotech-Titel aber immer interessant.“ Die Gesundheitsbranche habe großes Potenzial. Der Biotech-Sektor sei zwar extrem volatil, große Unternehmen wie Amgen und Biogen seien aber etabliert und erwirtschafteten hohe Gewinne. Sie seien auch nicht so abhängig von einem Produkt wie kleinere Unternehmen. „Die Strategie der Großen ist, die Kleinen aufzukaufen und somit durch Zukäufe zu wachsen.“

Vrbsky verweist auf die wieder attraktiveren Bewertungskennziffern für Biotech-Aktien. „Bei Gilead liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2016 bei 8,5 bis 9, bei Amgen bei 12,5, beim S&P 500 insgesamt sind es hingegen 15,5.“ Das sei auch Investoren aufgefallen. „Viele sehen die aktuellen Kurse als Chance und steigen jetzt ein.“ Allerdings hänge viel von der Politik ab. „Sollten tatsächlich Maßnahmen zur Preiskontrolle beschlossen werden, würde das natürlich nichts Gutes für die Branche bedeuten.“

von Anna-Maria Borse, Deutsche Börse AG
© 1. Oktober 2015

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