Auslandsaktien: Indiens Börse heiß gelaufen?

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3. April 2014. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Indiens Leitindex steigt und steigt. Der BSE Sensex kletterte am gestrigen Mittwoch auf 22.551 Punkte und markierte damit abermals ein neues Rekordhoch. Jüngster Auslöser sind die anstehenden Wahlen, mit deren Ausgang viele Hoffnungen verbunden werden. „Anleger setzen auf einen Regierungswechsel am 7. April“, erklärt Christian Grabbe von der Baader Bank. Es werde damit gerechnet, dass eine Koalitionsregierung unter Führung der oppositionellen BJP die von der Congress-Partei geführte Regierung ablöse. „Von dieser Koalition wird ein besserer wirtschaftspolitischer Kurs als von der aktuellen Regierung erwartet.“

Es gibt aber noch weitere Gründe für die Rallye: „Das Land scheint das Leistungsbilanzdefizit in den Griff zu bekommen“, bemerkt Walter Vorhauser von Close Brothers Seydler. „Außerdem hat sich die Rupie stabilisiert.“ In den vergangenen Jahren waren Kursgewinne an den indischen Börsen für Investoren aus Europa oder den USA oft durch Währungsverluste zunichte gemacht worden. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2013 erlebte die Rupie einen massiven Wertverfall. Jetzt zeigt sich die Währung wieder stärker.

ICICI: fast 40 Prozent Plus in zwei Monaten

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Vorhauser

Deutlich gestiegen ist zum Beispiel der Kurs von Indiens größter Privatbank ICICI. „Seit Anfang Februar befindet sich ICICI (WKN 936793) an der Börse Frankfurt im Aufwärtstrend“, berichtet Vorhauser. Denn die an der Börse Frankfurt gehandelten ADRs (Aktienverbriefende Hinterlegungsscheine), notierten am 6. Februar bei 22,82 Euro, jetzt sind es 31,64 Euro. Vergangenen Sommer war der Kurs sogar im Tief auf unter 19 Euro gefallen.

Neben den generell verbesserten Aussichten für die indische Volkswirtschaft macht sich Vorhauser zufolge das Geschäftsmodell der Bank positiv bemerkbar, die übrigens seit 2008 auch in Deutschland präsent ist. „ICICI ist breit aufgestellt und auch im Versicherungsmarkt sehr aktiv. Die Zusammenarbeit mit Prudential und Lombard läuft gut.“ Indien habe da noch einen großen Nachholbedarf.

Tata Motors-Anstieg um die Hälfte

Starke Kursgewinne verzeichnete zuletzt auch Tata Motors (WKN A0DJ9M), wie ICICI ein Schwergewicht im Sensex. Seit Sommer vergangenen Jahres kletterte der Kurs an der Börse Frankfurt von unter 17 auf jetzt 25,98 Euro – ein Plus von 53 Prozent. Indiens größter Autobauer hatte 2008 von Ford die Automarken Jaguar und Land Rover übernommen. „Davon profitiert Tata sehr“, meint Roland Stadler von der Baader Bank. Die Sparte Jaguar Land Rover ist, durch diverse Modellwechsel, derzeit im Aufwind und wird zunehmend zur Gewinnstütze für Tata Motors. „Der Tata-Kurs bewegt sich dadurch schon ähnlich wie der deutscher Autoaktien.“

Höhenflug auch bei Wipro und State Bank of India

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Stadler

Ebenfalls sehr gut entwickelt hat sich der indische IT-Dienstleister Wipro (WKN 578886). Der Kurs hat sich seit vergangenem Sommer sogar fast verdoppelt von 5,03 Euro im Juni auf aktuell 9,77 Euro. „Wipro ist weiter auf Expansionskurs“, merkt Vorhauser an. „Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass die Präsenz in Aberdeen ausgebaut werden soll. Das hat den Aktienkurs nochmals unterstützt.“

Einen Sprung nach oben hat auch Indiens größte Bank, die sich überwiegend im Staatsbesitz befindende State Bank of India, gemacht, wie Stadler feststellt. Von unter 35 Euro Ende Februar kletterten die GDRs, ebenfalls Hinterlegungsscheine der Bank of India (WKN 903136) an der Börse Frankfurt innerhalb weniger Wochen um 32 Prozent nach oben auf aktuell 46,18 Euro. „Goldman Sachs hat die Aktie gerade auf ´Buy` gestuft“, erklärt der Händler.

Überhöhte Bewertung

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Grabbe

Wie Grabbe einräumt, unterliegen Anleger, die von einem weiteren Anstieg profitieren wollten, allerdings nicht unerheblichen Risiken. „Der Markt hat die Wahl bereits weitestgehend eingepreist.“ Die Bewertung sei schon wieder ambitioniert. „Der Konsens der Analysten schätzt für das Jahr 2014 das Kurs-Gewinn-Verhältnis des Sensex auf 16,5. Das ist eine überdurchschnittlich hohe Bewertung.“ Problematisch seien unverändert die Banken, die mit notleidenden Unternehmenskrediten zu kämpfen hätten. Zudem sei die Verschuldung des privaten Sektors in den vergangenen zehn Jahren von 30 auf 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. „Auch eine Enttäuschung bei der Wahl ist nicht ausgeschlossen.“

Probleme nicht ausblenden

Die Commerzbank zeigt sich ebenfalls skeptisch: Zwar werden abnehmende Leistungs- und Zahlungsbilanzdefizite sowie solide Quartalsergebnisse gelobt, zudem werde 2014 die konjunkturelle Talsohle voraussichtlich durchschritten werden. Zu den negativen Faktoren gehörten aber nach wie vor der Reformstau, eine überbordende Bürokratie, politische Unsicherheiten, der Ausstieg der US-Notenbank aus der ultraexpansiven Geldpolitik sowie die relativ hohe Inflation. Für die Aktien kommt die Bank auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2014 von 15: „Somit ergibt sich gegenüber dem MSCI Asien Pazifik ex Japan-Index ein üppiger Bewertungsaufschlag von 40 Prozent.“ Der indische Aktienmarkt sei damit nicht mehr günstig bewertet.

von Anna-Maria Borse, Deutsche Börse AG
© 3. März 2014