Stopp
28. Mai. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Deutet man die Zeichen richtig, die aus dem Hause der Europäischen Zentralbank (EZB) kommen, wird es am 5. Juni zu einer weiteren Lockerung der Zinspolitik in der Euro-Zone kommen. Auch das, was aus dem portugiesischen Sintra nach außen drang, wo von Sonntag bis Dienstag 150 Notenbanker, Ökonomen und Politiker über den Kurs der Geldpolitik diskutierten, klang wie das berühmte Pfeifen im Walde.
So gehen Marktakteure davon aus, dass die EZB bei ihrer nächsten Zinssitzung den Leitzins nochmals absenken wird – und zwar von 0,25 auf 0,15 Prozent. Damit will EZB-Präsident Mario Draghi den Gefahren, die von einer langen Periode niedriger Inflationsraten ausgehen, einen Riegel vorschieben.
Darüber hinaus könnte die EZB das beschließen, was gerne als Strafzins bezeichnet wird – ein Minuszins also, den die Banken zu zahlen hätten, wenn sie Gelder bei der EZB parken. Die Intention, die hinter einer solchen Maßnahme stünde, ist klar: Anstatt ihr Geld bei der EZB schlummern zu lassen, sollen die Banken mehr Kredite vergeben, vor allem an Unternehmen in Südeuropa, die bisweilen große Finanzierungsprobleme haben.
Ob das Mittel der Strafzinsen wirklich dazu taugt, eine solche Dynamik in Gang zu setzen, darf zumindest hinterfragt werden. Es könnte auch so kommen, dass Strafzinsen auf die Konditionen bestehender Kreditnehmer abgewälzt werden.
Und für den Fall, dass das Werkzeug der Strafzinsen nicht die erhoffte Wirkung haben sollte, bastelt Draghi weiter an einem Konzept für den Aufkauf von Kreditverbriefungen – Asset Backed Securities (ABS), deren Weiterverkauf zu den Auslösern der Finanzkrise gezählt hat und seitdem für viele als Teufelszeug gilt. Würden kleine Kredite an Mittelstandsbetriebe und Privathaushalte gebündelt und verbrieft werden, so könnten diese auch weiterverkauft und am Ende gar von der EZB aufgekauft werden. Sollte die EZB nun tatsächlich dieses Register ziehen, so wird entscheidend sein, wie transparent und standardisiert diese ABS-Produkte sein werden. Hier sollte der Börsenhandel Vorbild sein, wofür nur fungible Produkte in Frage kommen, weil sie austauschbar sind nach Maß und Zahl und somit eine Marktpreisbildung ermöglichen. Dennoch würde der Aufkauf von ABS-Produkten durch die EZB vielen wiederum als Sündenfall der Zentralbank gelten. Neuland wäre es allemal, das die EZB damit betreten würde.
Es ist zu erwarten, dass es Draghi vor einem solchen Schritt noch mit anderen Maßnahmen versuchen wird, wie zum Beispiel mit einer erneuten Zinssenkung. Diese gilt bei vielen Akteuren als bereits beschlossene Sache. Sollte es wider aller Erwartungen am 5. Juni nicht dazu kommen, dürfte jedenfalls so mancher Disponent auf dem falschen Fuß erwischt werden.
Entspannung am Bondmarkt nach Europawahl
„Die Kurse für Staatsanleihen aus Ländern der Peripherie in der Eurozone ziehen an.“
In der Woche nach den Europawahlen überwiegt an den Märkten die Erleichterung, so dass die Kurse an den Anleihemärkten der Peripherieländer unterm Strich nach oben tendiert haben. Besonders bei Staatsanleihen aus Italien und Spanien war dies der Fall. Zum Beispiel eine bis 4/2019 laufende spanische Anleihe (WKN A1ZB43) rentiert derzeit nur noch mit rund 1,48 prozent. Im zehnjährigen Bereich liegt die Rendite bei ca. 2,80 Prozent, was an einem Titel aus Madrid, der bis 4/2024 läuft (WKN A1ZCTC), ablesbar ist. Italienische Staatsanleihen sind aus steuerlichen Gründen an deutschen Börsen nicht handelbar.
Unsicherheit herrscht indessen in Frankreich nach dem Sieg der rechtsextremen Front National und der geschwächten Regierung unter Francois Hollande. In der Tendenz legten die Anleihenkurse allerdings auch dort zu. So rentiert eine bis 5/2019 (WKN A1ZCQH) laufende Staatsanleihe aus Paris derzeit mit ca. 0,66 Prozent, während im zehnjährigen Bereich die Rendite bei rund 1,75 Prozent liegt, wie ein Titel (WKN A1HS3U) mit Laufzeit 5/2024 zeigt.
Eine größere Unsicherheit herrscht in Griechenland, wo sich bei den Europawahlen die linke Gruppierung Syriza, die raus aus der EU möchte, durchgesetzt hat. Dennoch verharren griechische Staatsanleihen im zehnjährigen Bereich auf ihrem bisherigen Niveau.
In Reykjavik erschallt das Wort vom Schuldenschnitt
„Blaupause für andere Länder?“
Da ist es wieder, das böse Wort: Schuldenschnitt. Was bisher nur in Zypern zur Lösung der Überschuldungskrise angewandt wurde, will nun auch die isländische Regierung für ihre Banken erreichen.
So droht Reykjavik den Gläubigern der vor knapp sechs Jahren in Schieflage geratenen Banken Kaupthing, Glitnir und Landsbanki, die Institute pleitegehen zu lassen, sollten sie nicht einem Schuldenerlass zustimmen. Wie hoch die Quote für einen solchen Schuldenschnitt sein soll, lässt Island zunächst offen, das bisher offenbar nicht in der Lage gewesen ist, die für einen solch kleinen Staat immense Schuldenproblematik zu stemmen. Noch heute summieren sich die Schulden der drei Banken auf rund 22 Milliarden Euro, nachdem die Institute 2008 unter einer Schuldenlast von 75 Mrd. US-Dollar zusammengebrochen waren. Zu den Gläubigern sollen die Bayerische Landesbank und eine US-Tochter der Deutschen Bank zählen.
Ob nun die Debatte, die man von Zypern kennt, wieder aufflammen wird? Damals gab es die Befürchtung, ob ein Schuldenschnitt in einem kleinen Euro-Land zur Blaupause für andere Schuldenländer werden könnte. Schau‘n mer mal, wie der Kaiser sagt.
ENBW und Unibail Rodamco im Gleichklang
„Zwei neue Bonds mit je 12 Jahren Laufzeit und Kupon von 2,50 Prozent“
Der deutsche Energieversorger ENBW und die französische Unibail Rodamco haben grundsätzlich wenig gemeinsam. Dennoch platzierten beide Emittenten in dieser Woche eine Anleihe mit jeweils 12 Jahren Laufzeit und einem Kupon von 2,50 Prozent.
Unibail Rodamco, ein französisches Immobilien- und Investmentunternehmen, das durch die Fusion der Unternehmen Unibail und Rodamco Europe entstanden ist, brachte einen Bond mit Fälligkeit 6/2026 (ISIN XS1074055770). Der Kupon des 600 Millionen Euro schweren Titels beträgt 2,50 Prozent. Gepreist wurde die Anleihe bei +72 bps über Mid Swap, was einem Emissionspreis von 99,703 Prozent entsprach.
Der Energieversorger ENBW emittierte eine Anleihe mit einem Volumen von 500 Millionen Euro, die ebenfalls bis 6/2026 läuft (ISIN XS1074208270). Auch dieser Titel ist mit einem Kupon von 2,50 Prozent ausgestattet. Und obwohl auch dieser Bond mit +72 bps über Mid Swap gepreist wurde, ergab sich infolge veränderter Rahmenbedingungen ein Emissionspreis von 99,826 Prozent.
Außerdem steht für heute die Begebung einer Euro-Benchmark-Anleihe mit einer Laufzeit von 4 Jahren (6/2018) für América Móvil an, den größten Mobilfunkanbieter in Lateinamerika. Erwartet wird ein Spread von ca. +50 bps über Mid Swaps.
Des Weiteren plant Air Liquide, ein französischer Hersteller technischer Gase und Anbieter verwandter Dienstleistungen, eine Euro-Benchmark-Anleihe mit einer Laufzeit von 10 Jahren (6/2024) zu emittieren. Erwartet wird ein Spread von +55-60 über Mid Swaps.
USA schöpft wieder aus dem Vollen
„Bund bietet für 32 Jahre 2,25 Prozent p.a.“
In den USA hat man für die Investoren in dieser Handelswoche wieder eine Fülle von Laufzeiten im Angebot. So wurden T-Bills mit einer Laufzeit von vier Wochen, drei sowie sechs Monaten und 52 Wochen angeboten. Aber auch T-Bonds mit Fälligkeit in zwei, fünf und sieben Jahren im Volumen von 95 Milliarden US-Dollar wurden aufgelegt. Abgerundet wurde das Emissionsprogramm mit der Begebung einer zweijährigen Floating Rate Note im Volumen von 13 Milliarden US-Dollar.
In Deutschland hingegen stand für heute die Aufstockung der aktuellen 32-jährigen Anleihe auf der Agenda. In einem Marktumfeld nahe des Renditelows zeigte sich allerdings sehr deutlich, dass zwar das Vertrauen in die Anleihen Deutschlands vorhanden ist, aber bei einer solch langen Laufzeit wird die zu erzielende Rendite (2,25 Prozent) als zu gering angesehen. Das wird deutlich in der technischen Unterzeichnung. Für den Aufstockungsbetrag von 2 Milliarden Euro lagen lediglich Kaufaufträge von ca. 1,85 Milliarden Euro vor und nur 1,623 Milliarden Euro wurden zugeteilt. Die restlichen 377 Millionen Euro wurden als Marktpflegequote zurückbehalten.
Devisenhändler warten auf EZB
„Türkei: 5 ½ Schritte vor und ½ Schritt zurück.“
Am vergangenen Samstag erlebte die Sportgemeinde zwei atemberaubende Finals. In der UEFA-Champions-League konnte sich der spätere Titelgewinner Real Madrid erst durch ein Tor in der Nachspielzeit in die Verlängerung retten und in der Handball-Bundesliga setzte sich der THW Kiel bei Punktgleichheit lediglich durch ein um zwei Treffer besseres Torverhältnis durch. Das genaue Gegenteil zeigte uns der Euro am Devisenmarkt. Trotz Europawahl am Wochenende und der Angst, dass europafeindliche Parteien stark zulegen könnten, präsentiert sich die Gemeinschaftswährung wenig aufgeregt. Im Vergleich mit dem Greenback pendelt die Einheitswährung in einer Range zwischen 1,3606 US-Dollar und 1,3687 US-Dollar und notiert aktuell bei 1,3620 US-Dollar. Es bleibt abzuwarten wie es sich nach der EZB-Sitzung in der kommenden Woche verhält.
Erst im Januar hat die türkische Notenbank ihren Leitzins in einem großen Schritt von 4,5 Prozent auf 10,0 Prozent angehoben. Grund hierfür war der starke Verfall der türkischen Lira. Trotz der weiterhin hohen Inflation geht es nun mit einem kleinen Schritt von 0,5 Prozentpunkten wieder in die andere Richtung. Begründet wurde dies seitens der Notenbank mit „abnehmender Unsicherheit“, doch scheint dies nur eine Alibi-Erklärung zu sein. Denn 5 ½ Schritte mit einem ½ Schritt relativieren zu wollen, macht nur begrenzt Sinn. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der Euro daraus kein Kapital schlagen konnte und weiterhin bei ca. 2,87 TRY notiert.
Unter Privatanlegern waren in dieser Berichtswoche insbesondere Anleihen auf türkische Lira, südafrikanische Rand und brasilianische Real gefragt.
Autor: Klaus Stopp, stellvertretender Leiter Rentenhandel der Baader Bank.
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© 22. Mai 2014