Baader Bond Markets: "Grünes Licht für Mario Draghi? Im Prinzip ja, aber…"

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Stopp

18. Juni 2015. München (Baader Bank). Hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) Mario Draghi nun freie Bahn gegeben? Im Prinzip ja, aber es ist zu beachten, dass sich das Urteil der Richter aus Luxemburg über den Kauf von Staatsanleihen nur auf das Programm „Outright Monetary Transactions“ (OMT) bezieht, das nie umgesetzt wurde. Mit dem praktizierten Modell des „Quantitative Easing“ aber, in dessen Rahmen die EZB bis September 2016 monatlich Staatsanleihen für 60 Millarden Euro erwirbt, hat sich der EuGH gar nicht befasst. Außerdem: Der Schwarze Peter liegt nun wieder beim Bundesverfassungsgericht (BVG), das ja die Luxemburger Richter in Sachen OMT nur um Klärung gebeten, sich selbst aber das letzte Wort vorbehalten hatte.

Grundsätzlich erlauben die Richter in ihrem Urteil vom Dienstag der EZB, zur Euro-Rettung Staatsanleihen kaufen zu dürfen. Das umstrittene, aber bisher noch nicht aktivierte OMT-Programm der Notenbank von 2012 ist somit laut EuGH rechtmäßig. Demnach überschreitet das Programm nach Luxemburger Lesart nicht die währungspolitischen Befugnisse der EZB und verstößt auch nicht gegen das Verbot der monetären Finanzierung von Mitgliedstaaten. EZB-Präsident Mario Draghi hatte im September 2012 allein schon mit seiner Ankündigung für eine Beruhigung der Märkte gesorgt, die EZB werde alles unternehmen, was auch immer notwendig sei („Whatever it takes“), um den Euro zu stützen.

Nun gaben die Richter der EZB vor, die von ihr selbst gesetzten Regeln auch einzuhalten. Sollte die Notenbank also das OMT-Programm jemals nutzen, muss sie eine Mindestfrist einhalten und darf ihre Entscheidung zum Ankauf oder das Volumen nicht vorher ankündigen. Damit hat der EuGH Einschränkungen formuliert, goutiert aber grundsätzlich das Vorgehen der EZB, womit der Ball wiederum im Feld des Bundesverfassungsgerichts liegt. Dieses hatte zuvor entschieden, dass das angekündigte Ankaufprogramm die Kompetenzen der EZB überschreite, weil sie nicht in unbegrenzter Höhe Staatsanleihen kaufen dürfe – und damit die Haftung in genauso unbegrenzter Höhe auf die nationalen Notenbanken verteile.

Die Karlsruher Richter sind ob ihrer anstehenden Entscheidung nicht zu beneiden. Ihnen obliegt nun zu prüfen, ob die geforderten Beschränkungen durch die Vorgaben des EuGH erfüllt worden sind. Zumindest auf den ersten Blick scheint dies nicht der Fall zu sein und somit haben sie nun mit ihrer Entscheidung die Wahl zwischen wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen.

Die große Gretchenfrage ist aber für die Zeit bis zu einer finalen Klärung in Karlsruhe, was im Zweifelsfall passieren würde. Sollte der Fall eintreten und die EZB das OMT-Programm starten müssen, dann könnte die für Deutschland geltende Bürgschaft-Obergrenze zum Problem werden. Daher müssen sich die Richter möglichst schnell mit diesem europäischen Urteil befassen, um Klarheit zu schaffen.

Nach der Fed-Sitzung: Abwarten und Tee trinken

Auch nach dem Abschluss der zweitägigen Beratungen der US-Notenbank Fed ist man nicht wirklich schlauer wie es mit den US-Zinsen weitergehen wird.

Obwohl viele Notenbanker immer wieder den Blick in die Zukunft wagen und eine Zinserhöhung generell ins Auge fassen, wurde gestern die Beibehaltung des Korridors zwischen null und 0,25 Prozent einstimmig beschlossen. Davon war im Vorfeld nicht unbedingt auszugehen, da einige abweichende Stimmen permanent vernommen werden.

Dies deutet darauf hin, dass die Robustheit der US-Konjunktur noch zu wünschen übrig lässt und der Zinspfad flacher ausfallen wird als noch vor Wochen angenommen. So bekräftigten die Fed-Vertreter, die Zinsen erst dann anzuheben, wenn sich die Bedingungen am Arbeitsmarkt nachhaltig verbessern und die Inflation von 2 Prozent in greifbare Nähe rücken sollte.

Somit schleicht sich die Fed ganz vorsichtig an eine Straffung der Geldpolitik heran und bleibt einen Hinweis, ob das Ziel noch in diesem Jahr erreicht werden kann, schuldig. Die logische Folge ist also auch nach der gestrigen Fed-Sitzung: Abwarten und Tee trinken.

Der Showdown um Hellas

Wenn die Zeichen nicht trügen, bereiten sich die Euro-Länder auf ein Scheitern aller Verhandlungen zur Rettung des hoch verschuldeten Griechenlands vor. So haben die Euro-Partner bereits das für viele Undenkbare gedacht und einen Notfallplan ausbaldowert, mit dem am Wochenende die Kontrolle des griechisch-europäischen Zahlungsverkehrs umgesetzt werden könnte, um einen panikartigen Ansturm auf Banken zu verhindern. Dies berichtete die „Süddeutsche Zeitung“.

Ende des Monats läuft das schon zweimal verlängerte Hilfsprogramm für Griechenland aus. Ohne Einigung droht Athen die Staatspleite. Wenn es stimmt, was Medien berichten, will sich Regierungschef Alexis Tsipras nicht mehr auf eine Rückzahlung der Tilgungsrate in Höhe von fast 1,6 Milliarden Euro an den IWF festlegen. Alle drei im Juni fälligen Kreditraten sollten gebündelt am 30. Juni von Athen überwiesen werden.

Parallel dazu gehen die Vermittlungsbemühungen in der Griechenland-Krise fieberhaft weiter. So traf gestern der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in Athen mit Tsipras zusammen, um seinen Beitrag für ein Ergebnis in letzter Minute zu leisten. Allerdings sehe er, Faymann, die Gefahr, dass man sich an die Idee eines „Grexits“ gewöhne. An einem solchen Ausstieg Griechenlands aus dem Euro sei aber niemand interessiert. So ehrenhaft das Ansinnen vieler Politiker ist, die Situation retten zu wollen, so deutlich wird hierbei die Profilierungssucht einzelner Regierungschefs und das Signal an Athen, dass keine Einigkeit aber Angst die Szene beherrscht.

In Anbetracht des Showdowns um Hellas wird in Brüssel über einen Krisengipfel noch an diesem Wochenende spekuliert. Zunächst aber soll abgewartet werden, ob es beim Treffen der Euro-Finanzminister am heutigen Donnerstag in Luxemburg doch noch gelingt, das Ruder herumzureißen.

Dabei ist für die verhandelnden Akteure nicht klar, ob sie sich nicht zwischen den Ungeheuern Skylla und Charybdis aus der griechischen Sagenwelt entscheiden müssen. Zu unklar sind die Folgen eines „Grexits“. So wie es der US-Ökonom Dennis Snower skizziert, würde ein Ausstieg Griechenlands Europa destabilisieren. Ein „Grexit“ wäre demnach sehr risikoreich, und vor allem die politischen Folgen ließen sich kaum abschätzen, auch wenn die kurzfristigen Folgen für den Rest der Eurozone überschaubar wären.

Die Gegenposition vertritt Hans-Werner Sinn, der sagt, Hellas sei längst pleite. So fänden sich seit Jahren keine privaten ausländischen Kreditgeber mehr und Kredite der öffentlichen Gläubiger könnten den Konkurs nur verschleppen, so der Leiter des Ifo-Instituts gegenüber N-TV. Also plädiert er für den Ausstieg, dessen Nachteil der teuren Importe dem Vorteil neuer Arbeitsplätze gegenüber stehen würde. Und per Saldo würde dies die griechische Gesellschaft stabilisieren, argumentiert Sinn.

Dabei ginge es ja nicht darum, ein Land vollends kaputt zu machen. Vielmehr wären die Europartner gefordert, vor allem in der Anfangszeit Griechenland beim Import von sensiblen Gütern wie Medikamenten oder Energie unter die Arme zu greifen, bis das Land wieder mit einer eigenen Währung auf eigenen Beinen stehen und Handelsbilanzüberschüsse erzielen könnte. Dies wäre sinnvoll angelegte Entwicklungshilfe. 

Hellas droht keine Herabstufung beim Rating

Weil Standard & Poor’s die EZB nicht als privaten, sondern als öffentlichen Kreditgeber betrachtet, droht Griechenland keine Herabstufung auf „Selective Default“, sollte Hellas seine Bonds gegenüber der Notenbank nicht bedienen können. In den kommenden beiden Monaten werden griechische Anleihen über 6,7 Milliarden Euro fällig, die von der EZB gehalten werden. Aber egal, ob öffentlicher oder privater Kreditgeber, im Notfall ist das Geld weg, so oder so.

Doch die Ratingagenturen haben sich nicht nur zu Griechenland geäußert, sondern auch andere Staaten und Institutionen unter die Lupe genommen. So bestätigte Fitch die Ratings für die europäischen Rettungsfonds ESM (mit „AAA“) und EFSF (mit „AA“). Und auch bei der Benotung der Kreditwürdigkeit von Schweden mit „AAA“ bei einem stabilen Ausblick wurde keine Änderung vorgenommen. Das Gleiche gilt auch für Frankreich. Fitch bewertet dessen Bonität bei „AA“, mit ebenfalls stabilem Ausblick.

Nur bezüglich Großbritanniens haben die Ratingagenturen unterschiedliche Meinungen. So stuft Fitch das Land weiterhin mit „AA+“ ein. Dagegen versieht Standard & Poor’s das Vereinigte Königreich wegen des bevorstehenden Referendums über den Verbleib in der Eurozone mit einem negativen Ausblick, behält aber das Rating „AAA“ aufrecht.

Peking liebäugelt mit Europa

Die Regierung in Peking streckt ihre Fühler nach Europa aus, genauer gesagt, zu dem Infrastrukturfonds der EU. Nach Informationen der „Deutschen Mittelstandsnachrichten“ will China Milliarden zum Investitionsplan von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zuschießen.

Das gehe aus einem Entwurf für das Abschlusskommuniqué eines Gipfeltreffens in Brüssel am 29. Juni hervor, den Reuters einsehen konnte. Die exakte Summe aus dem Reich der Mitte zum Investitionsplan von Juncker bleibt demnach in der Vorlage noch offen, doch laut einem EU-Diplomaten wird er „in die Milliarden“ gehen. Chinesische Banken seien vor allem an Telekom- und Technologie-Projekten interessiert. Sollte China wie geplant in den Fonds einsteigen, würde die Pekinger Führung so ihren politischen Einfluss durch finanzielles Engagement ausbauen. Man kann davon ausgehen, dass die chinesische Regierung im Gegenzug finanzielles Engagement der EU beim Infrastrukturausbau des aufstrebenden Schwellenlandes erwartet, was wiederum die europäischen Anlagenbauer erfreuen dürfte.

Über einen solchen Schulterschluss dürften die USA „not amused“ sein, weil sie um ihren internationalen Einfluss bangen. Umgekehrt dürfte es vor dem Hintergrund jüngster Annäherungen zwischen China und Russland im Interesse der Europäer sein, den Wirtschafts- und Militärriesen China über verschiedene Projekte an Europa zu binden.

Wirtschaft im Euroraum im Aufwind

Ungeachtet der dramatischen Meldungen aus Griechenland gibt es aus Europa auch noch gute Nachrichten. So befindet sich die Wirtschaft im Euroraum mit ihrem Zugpferd Deutschland nach Einschätzung der Deutschen Bundesbank im Aufwind. Im Euroraum habe sich die konjunkturelle Erholung im Winterhalbjahr 2014/ 2015 ein Stück weit gefestigt, heißt es in ihrem Monatsbericht vom Juni.

Demnach entfalten in einigen Ländern die Reformen der vergangenen Jahre ihre Wirkung. Zudem profitierte der Währungsraum als Energie-Nettoimporteur vom starken Rückgang der Rohölpreise. Auch der Umstand, dass Kredite derzeit sehr günstig seien, sollte Investitionen anschieben. Sogar in Deutschland hätten sich die sehr vorteilhaften Finanzierungsbedingungen nochmals leicht verbessert.

Unterm Strich rechnen die Bundesbanker im Euroraum – ohne Deutschland – für 2015 mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,5 Prozent. Für das kommende Jahr wird ein Plus von 2,0 Prozent erwartet. Damit hob die Bundesbank ihre halbjährliche Prognose deutlich an.

Griechenland sorgt für Volatilität am Rentenmarkt

Am Wochenende feierte die Stadt München Ihren 857. Geburtstag. Das Stadtgründungsfest erfreute die Münchner mit vielfältigen Programmen und Bühnenauftritten.

An den internationalen Finanzmärkten gibt es aktuell nicht unbedingt Anlass zum Feiern. Die nicht enden wollende Causa Griechenland strapaziert die Nerven sowie die Geduld der Marktteilnehmer. Das Ringen um Hellas dauert zwar noch keine 857 Jahre, aber überspitzt ausgedrückt könnte es einem fast so vorkommen. Die Nervosität der Anleger ist deutlich zu spüren, was an der Entwicklung des Euro-Bund-Future sichtbar wird. Das altbekannte Muster, wonach sich Anleger bei Unsicherheit in die als sicher geltenden Bundesanleihen flüchten, kommt erneut zum Tragen. So stieg das Sorgenbarometer innerhalb unserer Berichtswoche aufgrund der angespannten Lage um das ewige Sorgenkind Griechenland von seinem Neun-Monats-Tief bei 148,23 Prozent (10. Juni) bis auf 152,21 Prozent. Damit bleibt das Rentenbarometer nach wie vor ziemlich volatil und schwer kalkulierbar. Mit Blick auf die bevorstehenden Tage und Wochen wird die Schwankungsbreite beim Euro-Bund-Future hoch bleiben, denn die aktuelle Marktlage ist alles andere als stabil. Heute Morgen handelt der September-Kontrakt bei 151,90 Prozent.

Charttechnisch gesehen ist die erste sinnvolle Unterstützungslinie weiterhin bei 148,23 Prozent anzusiedeln und nach oben richtet sich der Blick auf das Hoch vom 3. Juni bei 152,64 Prozent. Die Breite der Handelsrange ist der besonderen Situation geschuldet. Denn es ist im Falle einer Entscheidung mit einer größeren Marktbewegung zu rechnen, die sich von dem bisherigen Niveau deutlich unterscheidet. Somit gilt es abzuwarten, ob zuerst die Unterstützungslinie durchbrochen oder doch die Widerstandslinie überwunden wird.

Muss das kleine Griechenland schon bald aus dem Euro abgeholt werden?

Auch in dieser Handelswoche war seitens des Wetters wieder einiges geboten. Auf der einen Seite hochsommerliche Temperaturen, die einluden bis spät in der Nacht auf der Terrasse oder dem Balkon zu verweilen. Auf der anderen Seite sintflutartige Regenfälle, welche einige Unterführungen unpassierbar machten und zu Erdrutschen führten. In Social-Media Plattformen wurden sogleich Rufe laut wie: „Der kleine April möchte bitte im Juni abgeholt werden.“

Doch anders als in der Woche zuvor scheint den Euro aktuell vorerst nichts aus der Ruhe zu bringen. Zwar bewegten sich die Ausschläge der Gemeinschaftswährung vor der Fed-Sitzung in einer Range zwischen 1,1150 und 1,1329 US-Dollar, doch ihre Mitte hatte sie im Wochenverlauf um die Marke von 1,125 US-Dollar gefunden und das obwohl sich Griechenland und seine Geldgeber nicht auf einander zubewegt haben und der Internationale Währungsfonds (IWF) am Wochenende gar sein Verhandlungsteam wegen großer Differenzen aus Brüssel abzog.

Die Robustheit des Euro konnte auch nicht durch die gestrige Pressekonferenz von Fed-Chefin Janet Yellen, die ein Statement zur US- Zinspolitik abgab, erschüttert werden. So pendelt die Gemeinschaftswährung aktuell sogar um die Marke von 1,1360 US-Dollar.

Etwas Schwung und eine Annäherung beim Thema Griechenland könnte das heutige EU-Finanzminister-Treffen bringen. Nicht dass es dann doch im Laufe diesen Jahres sogar noch heißen würde: „Das kleine Griechenland muss aus der Euro-Zone abgeholt werden.“

Im Vergleich mit dem Schweizer Franken kam der Euro wieder etwas unter Druck. Einige Marktteilnehmer sahen wegen der Griechenlandkrise in der schweizerischen Währung den einzig sicheren Hafen. So verbilligte sich der Euro von 1,0554 auf 1,0399 Schweizer Franken.

Um etwas Abstand zu den Problemen in Euroland zu gewinnen, fragten Privatanleger in dieser Handelswoche vornehmlich Fremdwährungsanleihen auf brasilianische Real, südafrikanische Rand und türkische Lira nach.

Autor: Klaus Stopp, stellvertretender Leiter Rentenhandel der Baader Bank.

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© 18. Juni 2015