Stopp
22. Mai. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die bevorstehende und heute bereits beginnende Europawahl sorgt für Nervosität der Anleger am Rentenmarkt. Deutlich unter Druck geraten sind Staatsanleihen europäischer Krisenländer angesichts von Prognosen, denen zufolge antieuropäische Parteien bei der Wahl besonders stark abschneiden könnten. Bei einem Erfolg dieser Kräfte wird befürchtet, dass so manches Land der Euro-Peripherie sein eingeschlagenes Sparprogramm aufweichen und sich von seinem Sanierungskurs verabschieden könnte.
Vor allem in den krisengeplagten Euroländern Griechenland und Portugal könnten Regierungskoalitionen durch den Ausgang der Europawahl geschwächt werden, so dass es gegebenenfalls zu Neuwahlen kommen könnte. Vor diesem Hintergrund sind die Renditen für Staatsanleihen in diesen Ländern in den vergangenen Tagen spürbar gestiegen und die Kurse entsprechend gefallen – auch wenn es gestern eine leichte Erholung gab.
Im Zuge dieser Entwicklung kletterte die Rendite griechischer Anleihen im fünfjährigen Bereich auf rund 5,03 Prozent, wie ein bis 4/2019 laufender Hellas-Bond (WKN A1ZGWQ) zeigt. Die Kurse von italienischen Staatspapieren standen ebenfalls im Banne der Europawahl und litten unter Kursverlusten.
Sogar die Staatspapiere von Portugal, das in der vergangenen Woche mediengerecht den Schutz des EU-Rettungsschirms verlassen hat, gaben vergangene Woche mehrheitlich nach. So notiert eine bis 6/2019 laufende Staatsanleihe aus Lissabon (WKN A0T7AG) bei rund 109,45 Prozent, was eine Rendite von 2,72 Prozent bedeutet. Ein zehnjähriger Bond (WKN A1HKUP), der 2/2024 fällig wird, rentiert dagegen mit 3,79 Prozent.
Auch deutsche Staatsanleihen haben in den vergangenen Tagen nachgegeben, was allerdings eher einer technischen Reaktion geschuldet war. Der richtungsweisende Euro-Bund-Future fiel bis zum Handelsschluß auf 145,85 Prozent, während im Gegenzug die Renditen anzogen. Damit rentierten zehnjährige Bundesanleihen wieder mit 1,42 Prozent und litten zusätzlich etwas unter der zögerlichen Nachfrage nach der neuen Benchmark-Anleihe (WKN 110235).
Fed bastelt an neuen Instrumenten
„Frühestens zur Jahresmitte 2015 dürfte mit einem ersten Zinsschritt der US-Notenbank zu rechnen sein.“
Die US-amerikanische Notenbank Fed bastelt auch fünf Jahre nach Beginn der Finanzkrise an neuen Strategien zur Steuerung der Geldpolitik. Denn, was früher über die Veränderung des Leitzinses relativ einfach zu steuern war, ist heute komplexer geworden.
Durch Zinssenkungen bis nahe Null Prozent hat die Notenbank das Finanzsystem mit 2,6 Billionen US-Dollar überschwemmt. Diese Menge ist aber zu groß, um sie gefahrlos wieder zu reduzieren. Daher erwägt die Fed neue Steuerungsinstrumente einzusetzen – etwa die Overnight Reverse Repos. Das sind direkte Handelsgeschäfte der Fed mit nahezu 100 Geldmarktfonds und anderen Finanzinstitutionen. Der darauf angewandte Reverse-Reposatz und der Zinssatz, den die Banken für ihre Reserven erhalten, könnten die neuen Leitzinsen der US-amerikanischen Notenbank werden, wie Fed-Chefin Janet Yellen bereits angedeutet hat. Ihre Sorge dabei ist aber, dass der Handel mit Overnight Reverse Repos attraktiver werden könnte als der mit den Bankreserven. Das könnte zur Folge haben, dass sich der Markt für Kurzfristkredite von den Banken hin zu den unregulierten Geldmarktfonds verlagert. Am Feinschliff muss die Fed also noch arbeiten.
Wann die US-Notenbank die Zinsen nun erstmalig nach der Finanz- und Bankenkrise anheben wird, ist immer noch offen. Marktbeobachter rechnen jedoch frühestens zur Jahresmitte 2015 mit einem ersten Zinsschritt. Die Notenbank hat also noch etwas Zeit, um ihre Instrumente neu zu erfinden.
Von der mit Spannung erwarteten Veröffentlichung der Protokolle der letzten Notenbanksitzung, den so genannten „Minutes“, haben sich Anleger am Abend Aufschluss über die weitere Geldpolitik in den USA erhofft. Dem war auch so, denn im Protokoll steht geschrieben, die intensiv geführte Debatte über Ausstiegsstrategien bedeutet nicht, dass die Straffung bald komme.
CoCo-Bonds der Deutschen Bank finden reißenden Absatz
„Auch bei den CoCo-Bonds gilt die alte Börsenweisheit: Hohe Rendite bedeutet hohes Risiko.“
Nachdem Anfang April das Bundesfinanzministerium die steuerlichen Rahmenbedingungen für Contingent Convertible Bonds (CoCo-Bonds) festgelegt hatte, war es gestern soweit: Die Deutsche Bank platzierte über dieses für deutsche Anleger bisher wenig bekannte Vehikel Anleihen in drei unterschiedlichen Währungen mit einem Gegenwert von ca. 3,5 Milliarden Euro.
Dieses Konstrukt eröffnet Banken die Möglichkeit, einen Kapitalpuffer aufzubauen, um im Krisenfall über die automatische Umwandlung in Aktien zusätzliches Eigenkapital zu generieren oder durch Abschreibung des Nominalwerts die Finanzinstitute zu entlasten. Die Zinsen auf die Anleihen können als Betriebsausgaben geltend gemacht werden, und auf Zahlungen an ausländische Investoren wird keine Kapitalertragssteuer erhoben. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Deutsche Bank von einer weit über den Erwartungen liegenden Nachfrage überrollt wurde. Ursprünglich waren für das Gesamtjahr 5 Milliarden Euro an Hybridkapital angedacht, und das Volumen dieser Anleihe war mit 1,5 Milliarden Euro veranschlagt.
Die drei Tranchen der jüngsten Platzierung waren:
- 1,75 Milliarden Euro mit einem Kupon von 6,00 Prozent
- 1,25 Milliarden US-Dollar mit einem Kupon von 6,25 Prozent
- 650 Millionen GBP mit einem Kupon von 7,125 Prozent
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass insbesondere in der aktuellen Niedrigzinsphase solche Kupons bei vielen Investoren Begehrlichkeiten wecken. Aber zu verschenken hat der deutsche Banken-Primus nichts, und somit gilt auch bei CoCo-Bonds die alte Börsenweisheit: „Hohe Rendite bedeutet hohes Risiko“. Diese Warnung ist sicherlich nicht unbegründet, denn auch die Präsidentin der Finanzaufsicht Bafin, Elke König, hat darauf hingewiesen, dass die neuartigen Anleihen nicht für alle Anleger geeignet seien.
Russische Staatsanleihen legen zu
„Entpuppt sich China im Konflikt zwischen dem Westen und Russland als der lachende Dritte?“
Entpuppt sich China im Konflikt zwischen dem Westen und Russland als der lachende Dritte? Vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise stärkt Russland nämlich seine Bande zum Reich der Mitte. Nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich wollen die beiden Länder künftig enger kooperieren. Wladimir Putin, der sich unabhängiger von europäischen Gasabnehmern machen will, war deshalb extra nach Shanghai gereist. So soll der Handel zwischen China und Russland 2015 erstmals einen Wert von mehr als 100 Milliarden US-Dollar erreichen – knapp 13 Prozent mehr als 2013.
So manchen Anlegern, die das riskante Investment eingegangen sind, gefällt diese Entwicklung, legten doch russische Anleihen durch die Bank zu. Ein Bond der russischen Föderation auf US-Dollar (WKN 249138) mit Laufzeit 7/2018 stieg auf ein Niveau von 131,00 Prozent, was einer Rendite von circa 3,00 Prozent entspricht. Ein Langläufer wie die russische Staatsanleihe (WKN A1HQXY) mit Fälligkeit 9/2023 und 4,60 Prozent Rendite, die ebenfalls in US-Dollar begeben ist, notiert bei circa 101,75 Prozent.
Anleihen in brasilianischem Real sind gefragt
„Von einer WM-Hausse ist nichts zu spüren.“
Auch wenn für das südamerikanische Land von einer WM-Hausse nichts zu spüren ist, wagt sich der brasilianische Real (BRL) im Vorfeld der Fußball-WM zaghaft aus der Deckung. Derzeit muss man 3,03 BRL für einen Euro bezahlen, Mitte Februar waren dies noch 3,29 BRL.
Diese Entwicklung spiegelt sich auch in einem steigenden Interesse an Anleihen wider, die in BRL notiert sind. So zog der Kurs eines in BRL begebenen Bonds der KfW (WKN A1K0WU) bis gestern auf 98,08 Prozent an nach 97,00 Prozent Mitte Februar. Das bis März 2015 laufende Papier rentiert aktuell mit circa 9,60 Prozent – ohne Berücksichtigung des Währungsrisikos. Auch eine Medium Term Note der Europäischen Investitionsbank EIB in BRL (WKN A1ZB8E) legte auf 101,44 Prozent zu. Mitte März notierte der Titel noch bei 98,895 Prozent. Das Papier läuft bis 12/2017 und weist eine Rendite von 9,91 Prozent auf.
Angesichts der wirtschaftlichen Probleme, vor denen Brasilien steht, ist dem Land und auch den in- und ausländischen Fußballfans während der WM eine gewisse Stabilität der Währung und natürlich auch der dortigen Verhältnisse zu wünschen. Viva Brasil.
Deutschlands Haushaltspolitik auf wackeligen Füßen
„Bundesbank mahnt Umdenken an.“
Es ist noch nicht allzu lange her, da wurden Deutschlands Finanzpolitiker nicht müde, sich für das Projekt „ausgeglichener Haushalt“ feiern zu lassen. Eine gute Konjunktur und steigende Steuereinnahmen passten nur allzu gut in dieses Bild. Aber dann spitzte sich die Ukraine-Krise zu und es kam zum Streit mit Russland mit all seinen wirtschaftlichen Folgen für deutsche Unternehmen.
Und nun entfalten zusätzlich eine Reihe von Sondereffekten negative Auswirkungen auf den Bundeshaushalt. So reißt zum Beispiel die Diskussion um die Brennelemente-Steuer für Betreiber der Kernkraftwerke ein nicht unerhebliches Loch in den Staatshaushalt. Sollte das Urteil des Finanzgerichts Hamburg rechtskräftig werden, dann müsste der Bund den Konzernen die bereits gezahlten 2,3 Milliarden Euro zurückerstatten und die 800 Millionen Euro für das Jahr 2014 auf der Einnahmenseite streichen.
Aber auch das Ergebnis der Tarifverhandlungen der Angestellten und Beamten des Bundes war teurer als erwartet bzw. geplant. Somit wird von der dafür vorgesehenen Rückstellung wenig übrigbleiben und das Ziel des ausgeglichenen Haushaltes wird weiter in die Zukunft verschoben. Sollte dies allerdings dennoch erreicht werden, dann könnte das Ergebnis auch dem kleinen Wort „strukturell“ geschuldet sein. Denn bei dieser Berechnungsmethode werden die konjunkturell bedingten Effekte herausgerechnet.
Die Risiken der Haushaltspolitik sind anscheinend auch Vertretern der Deutschen Bundesbank, die sich kritisch zur Finanzpolitik der Bundesregierung äußerten, ein Dorn im Auge. Diese empfehlen eine striktere Haushaltspolitik, um der hohen Staatsverschuldung und der demographischen Entwicklung gerecht zu werden.
Noch schlimmer stellt sich die Lage bei den Kommunen dar. Dort steigt in den meisten Fällen nur noch der Nachholbedarf bei Investitionen an, aber nicht die Einnahmenseite. Den inzwischen aufgestauten Rückstand beziffern Experten auf rund 120 Milliarden Euro und der Trend „Klamme Kommunen werden immer klammer“ verstärkt sich von Monat zu Monat.
Nahrungsmittelkonzerne drängen an den Markt
Carlsberg platziert Anleihe für eine Milliarde Euro, Kellogg bringt 500 Millionen Euro unter.
Mit Kellogg und Carlsberg gingen in dieser Woche zwei Unternehmen aus dem Bereich der Nahrungsmittelindustrie an den Markt. So emittierte der Frühstücksflocken-Hersteller Kellogg (WKN A1ZJK9) eine 500 Millionen Euro schwere Müsli-Anleihe mit einer Laufzeit von 7 Jahren (Fälligkeit 5/2021), deren Kupon bei 1,75 Prozent liegt. Gepreist wurde die Anleihe bei +68 bps über Mid Swap, womit der Emissionspreis bei 99,511 Prozent lag.
Carlsberg, der viertgrößte Brauereikonzern der Welt, platzierte eine zehnjährige Anleihe (WKN A1ZJZQ) mit Fälligkeit 5/2024. Das Volumen des Bonds, der mit einem Kupon von 2,50 Prozent ausgestattet ist, liegt bei 1 Milliarde Euro. Gepreist wurde die Anleihe bei +102 bps über Mid Swap, was einem Emissionspreis von 98,991 Prozent gleichkam.
Alta Velocidad, der Markenname der spanischen Eisenbahngesellschaft Renfe für das Hochgeschwindigkeitsnetz, brachte ebenfalls eine Anleihe (WKN A1ZJZN) mit einer Laufzeit von zehn Jahren (5/2024) an den Kapitalmarkt. Der Kupon beträgt 3,50 Prozent, das Volumen 1 Milliarde Euro und gepreist wurde die Anleihe bei 99,552 Prozent.
Gestern wurde ein zwölfjähriger Bond (6/2026) von Prologis, einem globalen Eigentümer, Betreiber und Entwickler von Logistikimmobilien, im Volumen von 500 Millionen Euro emittiert. Die Anleihe ist mit einem Kupon von 3,00 Prozent ausgestattet und wurde bei einem Spread von +125 bps über Mid Swap begeben.
Rentenhändler entdecken den Zauberwürfel
„Am 5.Juni wird es heißen: Alea iacta sunt.“
In dieser Woche feierte der wohl berühmteste Würfel der Welt Geburtstag. Seit mittlerweile über 40 Jahren bringt der Zauberwürfel seine Anwender zur Verzweiflung. Viele Börsianer nutzen das mathematische Geduldsspiel als Trainingsutensil. Denn Geduld müssen die Anleger am Rentenmarkt aufbringen, da der Euro-Bund-Future sich in den vergangenen Handelstagen ziemlich nervös präsentierte. Zum Wochenausklang stieg das Sorgenbarometer in luftige Höhen und erreichte mit 146,76 Prozent – eine neue Höchstmarkte im laufenden Kalenderjahr, um anschließend durch Gewinnmitnahmen unter die Marke von 146,00 Prozent zu rutschen. Somit pendelt der Juni-Kontrakt in einer engen Range zwischen 146,58 Prozent und 145,67 Prozent und notiert aktuell bei 145,95 Prozent.
Gemäß der Chartanalyse ist das Hoch vom vergangenen Freitag bei 146,76 Prozent bzw. die psychologisch wichtige Marke bei 147 Prozent als nächster Widerstand auszumachen. Da das Sorgenbarometer den Aufwärtstrendkanal nach oben verlassen hat, wirkt die obere Begrenzungslinie dieses Kanals als Unterstützungslinie. Diese verläuft aktuell bei ca. 145,50 Prozent – Tendenz steigend! Und die bisherigen „Fangnetze“ bei 145,25 Prozent sowie 144,97 Prozent (Hoch vom 02.05.) sind weiterhin noch existent.
Bis zum 5. Juni wird die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) das beherrschende Thema an den Kapitalmärkten sein. Aber dann könnte es heißen: „Die Würfel sind gefallen!“
TIC-Daten mit Überraschung
„Bund verschuldet sich für 10 Jahre mit 1,41 Prozent“
Fallende Renditen, die zu Wochenbeginn das Marktgeschehen prägten, führten dazu, dass auch in dieser Woche verschiedene supranationale Institutionen und Staaten zur Refinanzierung diverser Projekte den Kapitalmarkt in Anspruch nahmen. So stockten sowohl Belgien als auch Finnland jeweils zwei Altemissionen auf und in Deutschland wurde planmäßig eine neue zehnjährige Anleihe (WKN 110235) begeben. Die mit einem Kupon von 1,50 Prozent ausgestattete Benchmark-Anleihe wurde mit einer Durchschnittsrendite von 1,41 Prozent zugeteilt. Die Tatsache der technischen Unterzeichnung des anvisierten 5 Milliarden Euro Emissionsvolumens hat allerdings die wenigsten Marktbeobachter überrascht.
Überrascht zeigten sich diese allerdings von den jüngst vom US-Finanzministerium veröffentlichten Zahlen (TIC-Data) für den März 2014. Ein Nettokapitalabfluss von 126,1 Milliarden US-Dollar verdeutlicht wie schwierig es im aktuellen Umfeld für die USA ist, Kapital anzulocken. Im Verlauf der vergangenen 12 Monate kumuliert sich der Nettokapitalzufluss aber immer noch auf 163,9 Milliarden US-Dollar. Aber eine andere Zahl verblüffte noch mehr: Weiterhin sind neben der US-amerikanischen Notenbank China mit 1,27 Billionen US-Dollar und Japan mit 1,21 Billionen US-Dollar die größten Gläubiger der USA. Auf Rang drei hat sich allerdings inzwischen Belgien mit 381,4 Milliarden US-Dollar etabliert. Über die Hintergründe kann nur gemutmaßt werden, denn das BIP Belgiens belief sich im Jahre 2013 auf lediglich 483,7 Milliarden US-Dollar. Dass innerhalb von sieben Monaten ca. die Hälfte der Anleihen erworben wurde, hinterlässt bei den Marktbeobachtern viele fragende Gesichter und verlangt Aufklärung.
Autor: Klaus Stopp, stellvertretender Leiter Rentenhandel der Baader Bank
Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.
Baader Bank AG
© 22. Mai 2014