Goldberg
TecDAX-Sentiment
27. Juli 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Es war am vergangenen Donnerstag, einen Tag nach unserer vorherigen Stimmungserhebung, als sich die Ergebnisse des EU-Gipfels zumindest auf den ersten Blick als wesentlich positiver erwiesen, als dies die meisten Akteure erwartet hatten. Dennoch fiel die Reaktion der deutschen Standardwerte ausgesprochen bescheiden aus. Allerdings muss man auf der anderen Seite festhalten, dass die Ergebnisse des Treffens nach genauerem Hinsehen für viele Analysten mehr oder weniger große Fragezeichen hinterlassen hatten. Anders ausgedrückt: Es blieb über das Wochenende genügend Zeit, die Beschlüsse zu sezieren. Seit Montagmorgen scheint jedoch das EU-Thema die Akteure nicht mehr wirklich zu beschäftigen.
Die große Jubelrallye ist also ausgeblieben. Aber ist das der Grund, warum sich die Stimmung bei den von der Börse Frankfurt befragten mittelfristig orientierten Akteuren zum vierten Mal in Folge verschlechtert hat? Dieses Mal im Vergleich zur Vorwoche in nennenswertem Maße. Denn 7 Prozent der Optimisten haben sich fast gleichmäßig auf die Lager der Neutralen und der Bären verteilt. Dabei erscheint uns das Motiv „Gewinnmitnahmen“ wegen des 1,5-prozentigen Kursgewinns des DAX im Wochenvergleich nicht gerade plausibel, zumal sich das Börsenbarometer ziemlich genau in der Mitte der mehrmonatigen Bandbreite von grob 7.000 bis 7.600 DAX-Zählern befindet.
Analyse zum Anhören:
Vielmehr hat man den Eindruck, dass einigen Akteuren der von vielen zuletzt als Theaterspiel empfundene Streit um die Erhöhung des US-Schuldendeckels wohl doch etwas zu lange dauert. Trotzdem ist erstaunlich, dass dieselben Akteure die Probleme vor der eigenen europäischen Haustür offenbar deutlich weniger scherten, als eine mögliche Zahlungsunfähigkeit der USA. Wo doch immer noch das Gros der Finanzmarktteilnehmer davon ausgeht, dass es selbst bei einem Scheitern der Verhandlungen um das Schuldenlimit irgendwie weiter gehen wird. Sei es, dass das bisherige Limit wie mancherorts vermutet am 2. August noch gar nicht erreicht wird oder dass die Regeln beziehungsweise Gesetze in letzter Minute geändert werden.
Analyse im TV:
Jeden Donnerstag
- 11.15 Uhr auf n-tv
- 14.10 / 18.05 Uhr auf DAF
Eine mögliche Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA, auch im Falle einer späten politischen Einigung, entbehrt einer nicht unerheblichen Wahrscheinlichkeit. Doch welche Konsequenzen würde dies für die Praxis nach sich ziehen? Obwohl die Ratingagentur Standard & Poor‘s diese Wahrscheinlichkeit für eine Herabstufung zuletzt mit 50 Prozent angab, haben die Finanzmärkte bislang nur sehr zögerlich auf diese mögliche Maßnahme reagiert. Vielleicht wird auch nach und nach vielen Investoren klar, dass mehr als die Hälfte der mit höchster Bonitätsnote eingestuften Anleihen auf der ganzen Welt von den USA selbst emittiert worden sind. Womit sich die Frage stellt, ob der Rest der AAA-Welt überhaupt in der Lage wäre, die Nachfrage zu stemmen, wenn jedermann plötzlich seine US-Staatsanleihen verkaufen wollte. Wer also die Bonität der USA herabsetzt, sollte sich daher im Klaren sein, dass womöglich das ganze System der Bewertung von Staatsanleihen vor einem Paradigmenwechsel von einem absoluten zu einem relativen Bewertungssystem steht.
Für den DAX, der den jüngsten Rückgang beim Optimismus – gemessen am Bull/Bear-Index befinden wir uns praktisch in neutralem Terrain – und die damit verbundenen Verkäufe gut verkraftet hat, bedeutet dies eine Rückkehr langfristigen Kapitals in bescheidenem Maße. Zumindest ist damit auch hierzulande genügend Nachfrage für Aktien vorhanden, sofern sich das amerikanische Drama doch nicht als Tragödie erweist. Aber auch für den langfristigen Anleger bleibt am Ende unter allen Alternativen weltweit Europa und vor allen Dingen Deutschland als dessen Motor die relativ gesehen beste aller Optionen. Ein Faktum, von dem auch der Aktienmarkt profitieren dürfte.
Joachim Goldberg, cognitrend
Verhältnis Optimisten zu Pessimisten
Bullish | Bearish | Neutral | |
---|---|---|---|
Total | 36 % | 30 % | 34 % |
ggü. letzter Erhebung | – 7 % | + 4 % | + 3 % |
DAX-Stimmungskurve
Stand DAX 27.07.2011, 12:00 Uhr: 7.335 Punkte (+ 1,52 % gegenüber der letzten Erhebung), Bull/Bear- Index: 53,3 Punkte