DAX-Sentiment: Kontrolliertes Dagegenhalten, statt unkontrollierte Panik

Hirschmüller
Hirschmüller

TecDAX-Sentiment

Stimmung hui, TecDAX pfui Mehr

10. August 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Zugegeben, was den Finanzmarktteilnehmern dieses Jahr mitten in der Sommerpause zugemutet wurde, war kein Zuckerschlecken. Eine sich exponentiell ausweitende Euroland-Schuldenkrise und eine bis zum Anschlag ausgereizte US-Schuldengrenzdebatte waren nichts für schwache Investorennerven. Dass dann am Wochenende auch noch dem Welt-Top-Schuldner USA das Ratingbashing blühte, war für viele einfach zu viel des Guten. Aber unabhängig davon, ob man den jüngsten Ausverkauf an der Börse vorweggenommen hat, ob man ihn für gerechtfertigt hält, ob man ihn als Panikreaktion oder als Crash bezeichnen möchte. Eine Frage muss erlaubt sein: Warum hat der deutsche Aktienmarkt seit Monatsbeginn 25 Prozent verloren, der eigentlich eher betroffene US-Markt, gemessen am Dow Jones Index hingegen nur 11,5 Prozent oder der breiter gefasste S&P 500 nur 14,5 Prozent? Und warum haben die Anleger sich mit ihren Verkaufsaktionen ausschließlich auf die Aktienmärkte eingeschossen, die herabgestuften US-Bondmärkte aber komplett verschont?

Kann es sein, dass die Märkte hierzulande überreagiert haben? Eigentlich hatten Marktteilnehmer ja das ganze Wochenende Zeit, sich in Ruhe die Folgen der US-Rating-Klatsche zu überlegen und so der medialen Crash-Kampagne am Montag mit vernünftigen Argumenten zu begegnen. Das Hauptproblem schien aber nicht die Kaufbereitschaft der heimischen Akteure zu sein, sondern die Verkaufsgewalt langfristiger, höchstwahrscheinlich ausländischer Adressen sowie die geringe Markttiefe. Einerseits befindet sich noch ein großer Teil des Marktes in den Sommerferien. Andererseits fehlt es an Privatinvestoren. Es ist kein Geheimnis, dass sich deutsche Privatanleger im Laufe der vergangenen Jahre immer mehr von der Aktienanlage distanziert haben. Positiv ist in dieser Beziehung lediglich zu werten, dass aus dieser Anlegerecke weder Panik noch Verkaufsdruck zu spüren war. Das klassische Schnäppchenjagdverhalten dieser Anlegergruppe ist dem DAX aber leider ebenfalls verwehrt geblieben.

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Bei Fondsmanagern mangelte es indes nicht an Kaufbereitschaft. Dabei hat wohl nicht nur der starke Abschlag, dem deutsche Aktien unterlagen, dazu geführt, dass die institutionellen Investoren unseres Sentiment-Panels in den vergangenen Tagen die Nerven behielten und beherzt zugriffen – ins fallende Messer, wie man so schön zu sagen pflegt; unser Bull/Bear-Index schnellte mit 68,9 auf ein Sechswochenhoch. Es waren auch sicherlich die äußeren Umstände, die inländische Fondsmanager dazu bewogen haben könnten, nicht panisch mitzuverkaufen, sondern kontrolliert dagegenzuhalten. Vor Kurzem noch lagen überall üppige Jahresendprognosen auf den Schreibtischen der Händler, auf denen DAX-Stände von 7.500 oder 8.000 angekündigt wurden. Und überall wurde verkündet, die deutsche Wirtschaft entwickle sich glänzend und die Aktienanlage sei zudem noch ein guter Inflationsschutz. Die Eurokrise sei ebenfalls gut vom Markt verarbeitet worden, war ein anderes Argument. Die Grundeinstellung für Aktien war demnach positiv.

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Die Händler unseres Panels hatten aber Glück im Unglück. Trotz des beschriebenen positiven Markttenors hatten sie in den vergangenen Wochen Vorsicht walten lassen und ihre Positionen innerhalb der mehrmonatigen Seitwärtsphase des Aktienmarktes nur auf das Nötigste heruntergeschraubt. Auch von dem Ausbruch nach unten, der den DAX bei der Befragung am letzten Mittwoch bereits bis auf fast 6.500 Punkte führte, ließen sie sich nicht beeindrucken. Dieser wachsamen Grundhaltung haben die befragten Akteure letztlich ihre jüngste Flexibilität zu verdanken. Sie müssen demnach sowohl mit dem Abbau ihrer Untergewichtung (minus 13 Prozent Bären) als auch mit dem Aufbau von Long-Positionen (plus 13 Prozent Bullen) irgendwo zwischen 5.500 und 6.500 Punkten aktiv geworden sein. Nimmt man die goldene Mitte, dürften die Einstandspreise der neuen Optimisten auf dem aktuellen Niveau liegen. Mit einer solchen Bilanz darf man im aktuellen Umfeld eigentlich mehr als zufrieden sein.

Gianni Hirschmüller, cognitrend

Verhältnis Optimisten zu Pessimisten

Bullish Bearish Neutral
Total 57 % 23 % 20 %
ggü. letzter Erhebung + 13 % – 13 % + 0 %

DAX-Stimmungskurve

DAX-Stimmungskurve

Stand DAX 10.08.2011, 12:00 Uhr: 6.015 Punkte (- 10,76 % gegenüber der letzten Erhebung), Bull/Bear- Index: 68,9 Punkte

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