Devisen: Euro nahe Jahrestief

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25. November 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Lange wurde spekuliert, mittlerweile scheint es nahezu sicher: Die US-Notenbank wird im Dezember den Leitzins anheben, die EZB die Geldpolitik weiter lockern. Die Notenbankpolitik dies- und jenseits des Atlantiks wird also auseinander laufen. Der Euro zeigt sich daher mittlerweile schwer angeschlagen: Am Mittwochmittag kostet die Gemeinschaftswährung nur noch 1,0583 US-Dollar, Mitte Oktober war sie in Erwartung einer Verschiebung des Zinsschrittes in den USA noch auf über 1,14 US-Dollar gestiegen.

Damit sind jetzt die Tiefs vom März bei 1,0463 US-Dollar fast wieder erreicht, immer mehr wird von einer baldigen Parität gesprochen. Damit rechnet Goldman Sachs schon seit einem Jahr. Ende 2015 werde der Euro genau einen Dollar kosten, erklärte Jörg Kukies, Co-Chef von Goldman Sachs in Deutschland, jüngst in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. In den ersten Monaten des Jahres 2016 könne der Kurs sogar auf 0,95 US-Dollar fallen.

Was die US-Leitzinserhöhung angeht, könnten allenfalls noch extrem schlechte Konjunkturdaten einen Strich durch die Rechnung machen. Die sind nach Ansicht der Helaba aber nicht zu erwarten. „Alles in allem sehen wir keinen Grund, an der von den Fed-Vertretern avisierten ersten Zinserhöhung Mitte des kommenden Monats zu zweifeln“, meint Ralf Umlauf. Entsprechend bleibe dem US-Dollar der Rücken gestärkt.

Bewusste Euro-Schwächung

„Während man in den USA vorwiegend das ‚Wie viel’ diskutiert, geht es im Euroraum eher um das ‚Was’“, kommentiert Thu Lan Nguyen von der Commerzbank. Eine Option sei die Ausdehnung des Anleihekaufprogramms, eine andere die Senkung des Einlagesatzes. Je nachdem wie vorsichtig oder aggressiv die Äußerungen der EZB-Mitglieder im Vorfeld der in der kommenden Woche stattfindenden EZB-Sitzung ausfielen, könne noch einmal ordentlich Bewegung in die Wechselkurse kommen. „Mittel- bis langfristig bleibt das Ziel der EZB aber zweifellos, den Euro in der Tendenz zu schwächen, um so Inflation zu erzeugen.“ Eine mögliche Erholung des Euro sei daher kaum nachhaltig.

Attraktivere US-Zinsen

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Auch die DekaBank erwartet mit Blick auf die fundamentalen Faktoren bis Ende 2016 eine Abwertung gegenüber dem US-Dollar, die Geldpolitik sei für längere Zeit eine spürbare Belastung. „Wir rechnen mit einem zunehmenden Zinsvorsprung von US-Treasuries gegenüber Bundesanleihen. Zudem sind die Wachstumsaussichten für die US-Wirtschaft günstiger als für Euroland“, erklärt Christian Melzer im Währungsausblick der Bank für November/Dezember. Grundsätzlich stützend für den Euro sei aber der erwartete moderate Aufschwung in Euroland, der auch einige der südeuropäischen Sorgenkinder mit einschließe. Konkret prognostiziert die DekaBank 1,03 US-Dollar zum Euro auf Dreimonats- und die Parität auf Zwölfmonatssicht.

Bei den Devisen-ETNs bleibt das Währungspaar Euro/US-Dollar im Fokus. Weiterhin sehr rege gehandelt wird Sven Titze von der ICF Bank zufolge der ETFS 5x Long US-Dollar Short Euro- (WKN A12Z31) und der ETFS 5x Short US-Dollar Long Euro-ETN (WKN A12Z32). „Alle anderen Währungen spielen im Moment keine Rolle“, meint Titze. Die beiden Produkte von ETF Securities stehen auch auf der Umsatzliste der Börse Frankfurt für die vergangenen vier Wochen ganz oben, ebenfalls viel um ging in den nicht gehebelten Varianten ETFS Long US-Dollar Short Euro (WKN A1EK0V) und ETFS Short US-Dollar Long Euro (WKN A1EK0W).

Pfund wertet weiter auf

Gegenüber fast allen Währungen ist der Euro auf Monatssicht Verlierer, darunter auch gegenüber dem britischen Pfund. Aktuell geht der Euro zu nur noch 0,70 Pfund über den Tisch, Mitte Oktober waren es noch 1,72, vor einem Jahr fast 0,80 Pfund. Hier gibt es derzeit vor allem zwei Themen, die den Kurs beeinflussen: Eine mögliche Leitzinserhöhung der Bank of England und das Referendum der Briten über den EU-Austritt.

Mittlerweile sieht es nach einer Verschiebung der Zinserhöhung aus. „Die Bank of England hat die Erwartungen der Leitzinswende für das erste Quartal 2016 mit ihren November-Projektionen nicht bestätigt“, erläutert Marina Lütje von der DekaBank. Der britische Arbeitsmarkt bleibe aber anhaltend stark, die DekaBank rechnet nun mit einer Zinsanhebung im zweiten Quartal. „Die geldpolitischen Gegensätze sollten das Pfund auf Sechsmonatssicht noch etwas stärken.“ Dieser Trend werde dann aber voraussichtlich von dem näher rückenden Referendum ausgebremst werden. „Schließlich sollte sich mit fortschreitender Erholung in Euroland der Euro wieder stärker gegenüber dem Pfund behaupten.“

Gegenüber Franken stabil

Halten konnte sich der Euro hingegen gegenüber dem Schweizer Franken, aktuell kostet die Gemeinschaftswährung 1,0828 Franken, von Parität, die im Januar nach Freigabe des Franken erreicht wurde, kann hier keine Rede mehr sein. „Die erneuten Lockerungsschritte der EZB bremsen die langsame Euro-Aufwertung aber aus, so dass das Währungspaar Euro/Franken sich zunächst eher seitwärts bewegen dürfte“, meint Lütje. Voraussetzung für einen nachhaltig schwächeren Franken bleibe die wirtschaftliche Erholung in Euroland.

Von Anna-Maria Borse, Deutsche Börse AG
© 25. November 2015