Halvers Woche: "Was von der italienischen Wahl übrig bleibt …"

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Halver

1. März 2013 MÜNCHEN (Baader Bank). Das italienische Wahlvolk hat gesprochen und als gute Demokraten ist das Wahlergebnis zu respektieren. Allerdings muss man schon ein Clown sein, wenn man darüber lachen will.

Was mir sehr zu denken gibt, ist jedoch, dass sich in einem großen Land der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), das sogar Gründungsmitglied ist, die Mehrheit der wahlberechtigten Bevölkerung gegen Euroland ausgesprochen hat. In Italien wird die Währungsunion offensichtlich nur noch mit Arbeits- und Perspektivlosigkeit gleichgesetzt.

Wie im alten Rom Angst und Schrecken in Europa verbreiten

„Neue Gesundbetung in der Eurozone“

Apropos EWG, wie in einer früheren Spielshow mit Hans-Joachim Kulenkampf steht EWG auch in Italien für „Einer wird gewinnen“. Denn dieser Eine, Silvio Berlusconi, der italienische Fantomas – das französische Original war auch geliftet -, hat sich die Euro-Skepsis der Italiener in bekannter Manier zu Nutze gemacht. Ich befürchte, er wird die politische Pattsituation für seine Zwecke missbrauchen. Und wäre ich Berlusconi – ich bin es zum Glück nicht – aber wenn ich es wäre, würde ich mit einer knallharten Blockadepolitik Neuwahlen erzwingen, mich im neuen Wahlkampf als Retter Italiens präsentieren, um damit möglichst in beiden Kammern des Parlaments die Mehrheit zu gewinnen. Und dann, ja dann kann Silvio sich den italienischen Stiefel wieder anziehen und Richtung Brüssel und Berlin treten.

Die Wahlenttäuschung und die Angst vor dem italienischen Wutbürger bei Neuwahlen haben schockartig den Solidaritätsreflex bei Euro-Politikern ausgelöst. Zukünftig will man mehr auf Hilfsaktionen setzen. Stabilität wird also nicht mehr so heiß gegessen, wie sie gekocht wurde. In Deutschland nennen wir das Hartz 4: Fördern und Fordern. Ich frage mich jedoch, was vom Fordern übrig bleibt. Denn spätestens jetzt wissen auch vernünftige italienische Politiker, dass Reformen keine Wahlen mehr gewinnen. Herr Monti kann davon ganze Liederbücher singen. Eigentlich trägt er die politische Schuld am Wahlergebnis. Hätte er zügig nach Ernennung seiner Technokraten-Regierung Neuwahlen angesetzt, hätte er die Unterstützung der Italiener gehabt. Intelligent zu sein ist schön, aber man muss auch clever sein.

Happy Hour in der Eurozone: Laissez Faire und Dolce Vita

„Der Euro Hartz: Fördern statt Fordern“

Neben Silvio wissen auch die Stabilitätsanhänger im Norden sehr genau, dass das Erpressungspotenzial des euro-systemrelevanten Italiens für die Eurozone gewaltig ist: Kippt Italien, kippt Euroland. Da kann der Stiefelträger schon mal auf den Brüsseler Tisch schlagen und die Stabilitäts- und Reformanforderungen in Schach halten und entspannt Solidaritätsgeschenke empfangen. Euroland droht zum Stiefelknecht der italienischen Politik zu werden.

Neben Frankreich mit seinem stabilitätspolitischen Laissez Faire-Kurs gesellt sich also nun Italien mit seiner Dolce Vita-Haltung. Mit welcher Berechtigung bitte schön will man dann Griechen, Portugiesen oder Spaniern noch Reformen abverlangen? Nein, wir machen den Euro-Hartz: Fördern statt Fordern.

EZB erteilt den Segen Urbi et Orbi

„Du bist das Beste, was mir je passiert ist“

Das heißt auch mehr Verschuldung. Bei Reformermüdung, die Investitionen und Exporte und schließlich Arbeitsplätze abbaut, gibt es keine Alternative. Aber selbst wenn die Renditen in Italien wieder steigen werden, und wenn die Rating-Agenturen Italien & Co. wegen ihrer Stabilitätssünden strafen sollten, wird EZB-Chef Draghi nicht zögern, die Absolution zu erteilen. Und sollte die das Risiko auch auf andere Länder streuen, gibt es auch den ganz großen Sündenerlass. Eine Euro-Krise 2.0 wird die Notenbank konsequent verhindern. Es könnte die letzte sein. Zur Erinnerung: Draghi hat wenn nötig unbegrenzte Anleihenkäufe angekündigt. Wer verbal A sagt, muss auch tatsächlich B sagen. Sonst macht man sich unglaubwürdig.

Die aktuell entspannte Reaktion der Finanzmärkte signalisiert klar, dass der Glaube an Draghi als Schutzpatron von Aktien und Renten fest ist. „Du bist das Beste, was mir je passiert ist“ ist ja fast schon zur Hymne in den Börsensälen Eurolands geworden.

„Entweder man scharrt mit den Hühnern oder man fliegt mit den Adlern“

Ein bisschen über den Tellerrand geschaut ist aber definitiv klar, dass diese „Alles wird gut-(Geld-)Politik“ uns gegenüber den Konkurrenten aus Asien und Amerika zurückwerfen wird. Da wird zwar auch geldpolitisch kräftig nachgeholfen. Aber dort wird auch wieder in die Hände gespukt, man steigert das Bruttosozialprodukt.

Wir in Euroland sollten uns schnell daran erinnern, dass mit „Heile, heile Gänschen“ die Globalisierung nicht zu gewinnen ist. Deren Motto lautet nämlich: Entweder man scharrt mit den Hühnern oder man fliegt mit den Adlern.

Autor: Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank.

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© 1. März 2013/Baader Bank AG