Hüfners Wochenkommentar: "Achten Sie auf die Volatilität"

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Hüfner

27. Februar 2014. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Objektiv gesehen könnte alles so schön sein. Die Kon­junktur zieht an. Die Arbeitslosigkeit geht zurück. Die Preise bleiben, was ganz ungewöhnlich ist, trotz höher­en Wachstums stabil. Die Eurokrise entspannt sich. Die Grafik beschreibt die Wachstumsraten in den wichtigen Industrieländern nach den Prognosen des Internationa­len Währungsfonds. Es sieht aus, als lebten wir in dem berühmten Märchen mit dem Goldlöckchen.

Aber beschreibt das wirklich unsere aktuelle Lage? Si­cher nicht. Die meisten Akteure in der Wirtschaft und auf den Märkten haben derzeit ein ungutes Bauchgefühl. Auf der einen Seite sieht alles okay aus, auf der anderen Seite gibt es aber so viele mögliche Bruchstellen in der Welt wie selten. Niemand kann einschätzen, ob und ge­gebenenfalls wann und wie stark sie in diesem Jahr schlagend werden.

Hier sind fünf Punkte, die 2014 den Weizen verhageln könnten. Jeder einzelne ist bekannt und erscheint man­ageable. Zusammen genommen stellen sie jedoch ein erhebliches Bedrohungspotenzial dar.

Erstens: Der Einstieg in den Ausstieg aus der überquel­lenden Liquidität. Das ist an sich ein ganz normaler Vor­gang. Er stellt aber alle Strukturen in Frage, die sich in den letzten Jahren aufgrund der hohen Liquidität und der niedrigen Zinsen gebildet haben. Er betrifft zum Bei­spiel viele Investitionen in den Schwellen- und Entwick­lungsländern. Er gefährdet kurzfristig finanzierte Immo­bilien, die plötzlich vielleicht nicht mehr rentabel sind. Die Staatsschulden können bei höheren Zinsen wieder steigen. An den Aktien- und Rentenmärkten wird die Liquidität nicht mehr so reichlich sein.

Zweitens: Die Umbauten in China. Die Wirtschaft muss den Übergang von einer exportgetriebenen Expansion mit niedrigen Löhnen zu einer von Konsum und Investi­tionen im Inland getragenen Entwicklung schaffen. Dazu kommt der Nachholbedarf in der Infrastruktur. Ferner die Unruhe an den monetären Märkten. Die Zentralbank versucht mit allen Mitteln, durch Liquiditätsspritzen grö­ßere Engpässe im Finanzsystem zu beseitigen. Sie muss die Schattenbanken in den Griff bekommen. All das muss nicht zu Friktionen führen. Freilich könnte die Wachstumsrate unter 7 Prozent fallen, was die Handelspart­ner in Asien treffen würde, aber auch westliche Unter­nehmen, die dort tätig sind.

Drittens: Der Wandel von der Euphorie der BRIC zum Problem der „Fragile Five“ (wobei zu den „Fünfen“ noch eine Reihe anderer Staaten kommen können). In vielen großen Schwellen- und Entwicklungsländern brodelt es. Es hat sich ein enormer Reformbedarf aufgestaut. Nicht nur die öffentlichen Finanzen, sondern auch die Leis­tungsbilanzen weisen erhebliche Fehlbeträge auf. Die politischen Systeme sind vielfach nicht so gesichert. Es besteht Angst vor einer Wiederauflage der Asienkrise.

Viertens: Die Finanzmärkte bewegen sich auf dünnem Eis. Die Aktien- und Rentenmärkte sind nach üblichen Kriterien vielfach überbewertet. Immobilienmärkte zei­gen Zeichen einer Blase. Das macht die Märkte anfällig für Störungen.

Fünftens schließlich (was nicht so oft erwähnt wird, auf die längere Frist aber sehr wichtig werden wird): Der Aufschwung in den Industrieländern beginnt wegen der niedrigen Investitionen in der Vergangenheit mit einer relativ hohen Kapazitätsauslastung. In Deutschland liegt sie derzeit nur rund 1 Prozent unter dem, was man üblicher­weise als Vollauslastung bezeichnet. Da ist trotz allen Geredes über die Deflation nicht mehr viel Spielraum für reales Wachstum.

Dazu kommen die politischen Krisenherde vom Nahen und Mittleren Osten über Russland und die Ukraine bis hin nach Ostasien. Auch im Euroraum ist noch nicht alles in trockenen Tüchern. Im Mai sind Europawahlen, bei denen es aller Voraussicht nach eine starke anti-europäische Fraktion geben wird, die die Stabilisierung des Euros noch schwieriger machen wird.

Von keinem einzigen dieser möglichen Bruchstellen kann man mit Sicherheit sagen, dass sie wirklich bricht. Es wäre aber ein Wunder, wenn es überhaupt keine Brüche geben und sich alles in geordneten Bahnen voll­ziehen würde. Das Problem bei so vielen Risiken: Sie hängen miteinander zusammen. Wenn eines eintritt, kann sich das auch auf die anderen auswirken. Wir ha­ben einen Vorgeschmack dazu Ende Januar bekom­men, als die neue Politik der amerikanischen Notenbank eine Reihe von Schwellen- und Entwicklungsländern in Schwierigkeiten brachte. Umgekehrt hatten die Ereignis­se in der Ukraine glücklicherweise keine größeren welt­weiten Effekte.

Die Goldlöckchen-Wirtschaft
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Quelle: IWF

Für den Anleger

Nach zwei Jahren starker Kurszuwächse mit relativ we­nig Volatilität ändert sich das Paradigma. Die große Fra­ge auf den Märkten ist in diesem Jahr nicht, wie sehr die Kurse steigen werden, sondern wie stark sie schwan­ken. Es geht bei Investitionsentscheidungen nicht da­rum, auf möglichst hohe Kursgewinne zu setzen. Wichtig ist vielmehr, bei den Aufs und Abs nicht auf dem fal­schen Fuß „erwischt“ zu werden. Ich rechne zwar nicht mit einem größeren Crash. Das erscheint angesichts der guten Fundamentaldaten nicht gerechtfertigt. Wohl aber kann es sowohl auf den Aktien- und Rentenmärkten zu größeren Ausschlägen kommen, die weh tun. Es ist da­her wichtig, sich auf Schwankungen und Volatilität ein­zustellen und das Depot dagegen abzusichern.