Hüfner
10. Juni 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Vor zwei Jahren sah alles noch ganz harmlos aus. Da erzählte mir ein Zentralbanker in Peking, der Renminbi sei noch weit weg von einer größeren Rolle im internationalen Währungssystem. Zwar werde die chinesische Währung eines Tages einmal eine Schlüsselwährung sein, aber vorher müsse man erst Erfahrungen auf den internationalen Finanzmärkten sammeln. Man müsse das System richtig verstehen, damit man später keine Fehler mache. Das kam mir damals klug und überzeugend vor. Heute sieht die Welt freilich ganz anders aus. Der Renminbi ist schnurstracks auf dem Weg in die Liga der internationalen Währungen – und das in einem Tempo wie es sich wenige hätten vorstellen können.
Es begann vor ein paar Jahren mit einfachen Sticheleien chinesischer Politiker gegen den Dollar. Sie brachten die Sonderziehungsrechte als alternative Reservewährung ins Gespräch. Sie mahnten die Amerikaner, für ordentliche Verhältnisse bei ihren Staatsfinanzen zu sorgen. Die USA sollten ihrer Verantwortung für die Stabilität des internationalen Währungssystems gerecht werden. Der chinesische Präsident nannte die Dominanz des Dollar in der Weltwirtschaft ein „Produkt der Vergangenheit“.
Dann wurde es konkreter. Peking schloss mit einer Reihe von Handelspartnern bilaterale Abkommen ab, in denen die Fakturierung von Ex- und Importen in Renminbi vorgesehen wurde. Das waren zuerst eher unbedeutende Nachbarn wie die Mongolei, Nordkorea, Vietnam oder Kambodscha. Inzwischen gehören dazu aber auch so wichtige Staaten wie Brasilien.
Die nächsten Schritte betrafen den Kapitalverkehr. Peking erlaubte die Eröffnung von Einlagen in Renminbi auch bei ausländischen Banken. Heute können deutsche Unternehmen solche Konten selbst bei deutschen Banken halten. Das erleichtert natürlich das Exportgeschäft. Dann kamen Bond-Emissionen in chinesischer Währung (die sogenannten Dim-Sum-Anleihen). Unilever hat als erstes europäisches Unternehmen eine solche Anleihe begeben. In diesem Jahr fand das erste IPO in Renminbi in Hong Kong statt. Es war das chinesische Immobilienunternehmen Hui Xian. Inzwischen sind auch Optionsgeschäfte in chinesischer Währung möglich, mit denen sich Unternehmen aus der Volksrepublik gegen die Aufwertung ihrer Währung absichern können.
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Aufwertung des Renminbi gegenüber dem US-Dollar
Quelle: Riskbank
Begleitet werden diese Veränderungen von einer deutlichen Aufwertung des Renminbi (siehe Grafik). Seit Sommer 2005 hat sich der Wechselkurs gegenüber dem Dollar in zwei Phasen um insgesamt 22 Prozent erhöht. Das ist mehr als die Aufwertung des Euro gegenüber der amerikanischen Währung in dieser Zeit (12 Prozent). Es gleicht freilich immer noch nicht die Unterschiede in der Kaufkraft aus.
Natürlich bewegt sich das alles noch auf niedrigem Niveau. Der Renminbi spielt auf den internationalen Finanzmärkten praktisch immer noch keine Rolle. China ist zwar der weltgrößte Exporteur, im globalen Devisenhandel liegt sein Anteil aber unter 5 Prozent. Wenn die Volksrepublik im Weltwährungssystem wirklich mitspielen will, dann muss sie noch viel tun.
Drei Dinge sind wichtig. Sie muss die Kapitalverkehrskontrollen abbauen. Eine abgeschottete Währung kann nie zu einer Weltreservewährung werden. Sie braucht einen großen und wettbewerbsfähigen Finanzmarkt.
Das geht nicht von einem Tag auf den anderen. Und sie muss ihre Banken international wettbewerbsfähig machen. Im Augenblick sind die chinesischen Banken zwar groß. Sie sind im internationalen Finanzgeschäft aber noch nicht richtig dabei. Zudem haben sie hohe Bestände an faulen Krediten (non performing loans).
Das kann sich aber schnell ändern. Die Chinesen wollen aus politischen Gründen eine größere Rolle im Weltfinanzsystem spielen. Das ist ganz anders als beim Euro. Die Europäer akzeptieren eine größere Bedeutung ihrer Gemeinschaftswährung in der Welt. Dahinter steht aber kein politischer Wille.
Die Geschichte zeigt, dass sich, bei entsprechendem Willen, die Machtverhältnisse auf den Finanzmärkten schnell drehen können. Die Ablösung des britischen Pfund durch den US-Dollar im 20. Jahrhundert ergab sich praktisch binnen zehn Jahren (von 1914 bis 1924). Entscheidend war damals ein einziges Gesetz, der Federal Reserve Act von 1913. Damit wurde den US-Banken die Außenhandelsfinanzierung erlaubt und sie durften Filialen im Ausland eröffnen. Dazu kam die Gründung der Federal Reserve, die durch Käufe von Bankers Acceptances einen breiten und liquiden Markt schuf. Wenn die Chinesen wollen, können sie die Bedeutung des Renminbi also schnell ausbauen.
Freilich müssen sie damit ihr Wirtschaftssystem öffnen – das ist kein kleiner Preis, den sie dafür zahlen müssen.
Für das internationale Währungssystem wäre eine größere Rolle des Renminbi positiv. Die Welt wäre nicht mehr so stark vom US-Dollar abhängig. Es gäbe ein multipolares System mit einem Wettbewerb von drei Währungen – Dollar, Euro und Renminbi.
Für den Anleger
Die Wirkungen einer größeren Rolle des Renminbi sind nur sehr langfristig zu sehen. Sie gingen in erster Linie zu Lasten des Dollar. Gelder würden aus den USA nach China verlagert. Der Wechselkurs des Dollar würde sich abwerten, der des Renminbi würde stärker. Dollar-Zinsen würden ansteigen. Die amerikanische Geldpolitik müsste sich stärker an Stabilitätsgesichtspunkten orientieren. Für den Euro würde sich nicht so viel ändern.
Anmerkungen oder Anregungen? Herr Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com
© 10. Juni 2011/Martin Hüfner
Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon Asset Management S.A. Er war viele Jahre Chefvolkswirt beziehungsweise Senior Economist bei der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank. In Brüssel leitete er den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung. Hüfner schreibt für große internationale Zeitungen wie die Neue Züricher Zeitung oder die Schweizer Finanz und Wirtschaft sowie für große Zeitungen in Deutschland. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. „Europa – Die Macht von Morgen“ und „Comeback für Deutschland“.