Hüfners Wochenkommentar: Fünf Schwachpunkte der Weltwirtschaft

huefner+martin+120x125.jpg
Hüfner

3. Juli 2013. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die Weltwirtschaft befindet sich nicht im Auf- sondern im Abschwung. Die Wachstumsraten gehen zurück (siehe Grafik). Die Stimmung verschlechtert sich. Die Risiken nehmen zu. Das hängt nicht so sehr mit dem angekün­digten Kurswechsel der US-amerikanischen Geld­politik zu­sammen, der die Finanzmärkte derzeit irritiert. Es ist auch nicht nur ein vorübergehendes konjunktu­relles Phänomen. Vielmehr gibt es eine Reihe von längerfristigen Strukturverschiebungen.

Wachstum verlangsamt sich
Zunahme des BIP in % gegenüber Vorjahr

huefner130703.png
Quelle: IWF, 2013 eigene Schätzung

Das waren für mich wichtige Punkte, die ich in der vori­gen Woche von der Frühjahrstagung des Institute of International Finance in Paris mitgenommen habe. Alle sechs Monate treffen sich bei diesen Tagungen Vertre­ter der weltweiten Financial Community zu einem Mei­nungsaustausch. Für mich sind diese Treffen immer eine Gelegenheit, mein Bild von der globalen Welt zu überprüfen und aufzufrischen. Hier ein paar Eindrücke:

Verglichen mit der Stimmung vor einem halben Jahr – damals in Tokio – gibt es derzeit nicht nur einen Schwach­punkt der Weltwirtschaft (damals der Euro­raum), sondern fünf. Jeder Einzelne ist bekannt und scheint tragbar. Alle zusammen stellen aber eine unangenehme Mischung dar.

Der erste Schwachpunkt: Das Wachstum der Schwellen- und Entwicklungsländer verlangsamt sich um ein bis zwei Prozentpunkte. Das zeigt sich rund um die Welt, von Asien über Lateinamerika bis hin zu den „Emerging Markets“ in Europa. Von Brasilien über Indien bis hin zu Russland und der Türkei. BRICs ist out. Die Gründe lie­gen zum Teil in der langsameren Zunahme der Bevöl­kerung, zum Teil im Ende des „Superzyklus“ der Rohstoffe. Darüber hinaus verlangsamt sich der An­stieg der Produktivität durch eine geringere Zunahme der internationalen Arbeitsteilung. In Indien und Brasilien hat sich die Wirtschaftspolitik verschlechtert. In jedem Fall sind die Märkte für die Exporteure aus den Indus­trieländern weniger aufnahmefähig.

Zweiter Schwachpunkt: China. Experten beziffern das Expansionspotenzial im Reich der Mitte langfristig auf nur noch auf 5 bis 5,5 Prozent (derzeit 7,5 Prozent). Wichtig dafür ist auch hier die Demographie. Hinzu kommt, dass so­ziale Stabilität für die neue chinesische Führung wich­tiger ist als Wachstum. Die Unruhen, die in den letzten Wochen bei der Beschränkung des Kreditwachstums von Banken und Schattenbanken entstanden sind, zei­gen, wie schwierig dieser Übergang zu managen ist.

Zu den Schwachpunkten wurde von manchen auch Ja­pan gerechnet. Am Ziel der Abenomics, der Belebung des Wachstums und der Überwindung der Deflation, zweifelt niemand. Fragezeichen gibt es aber, ob es ge­lingen wird, dazu die strukturellen Rigiditäten der Wirt­schaft aufzubrechen. Wenn Tokio das nicht schafft, bleibt von Abenomics nur eine Blase.

Die USA zählen normalerweise nicht zu den Schwach­punkten. Sie sind die einzigen, die wieder den konjunk­tu­rellen Normalzustand erreicht haben. Die Wirtschaft braucht keine geldpolitische Stütze mehr. Die Auswir­kungen des Kurswechsels der Fed werden sich daher in Grenzen halten. Es wurde jedoch darauf hingewiesen, dass das gesamtwirtschaftliche Wachstum im Augen­blick überschätzt wird. Die Verringerung der Staatsaus­gaben (Sequester) ist in den bisher bekannten Zahlen noch nicht enthalten. Man sollte daher nicht überrascht sein, wenn nicht nur das zweite Quartal enttäuschend ausfällt, sondern auch das dritte.

Fünfter Schwachpunkt: Der Euroraum. Zwar rechnet heute niemand mehr mit einem Zusammenbruch der gemeinsamen Währung. Es werden auch die Erfolge der Schuldnerländer bei der Verbesserung der Leis­tungsbilanzen und der öffentlichen Haushalte anerkannt. Woran es aber nach wie vor mangelt, sind ausreichende strukturelle Reformen zur Stärkung der Wachstumskräf­te und der Wettbewerbsfähigkeit. Wenn sich hier die Si­tuation in den nächsten zwölf Monaten nicht verbessert, dann – so ein Banker – könnten die globalen Investoren (vor allem auch die asiatischen) die Geduld verlieren und beginnen, sich aus Europa zurückziehen.

Von Vertretern Frankreichs hörte man in Paris die üb­lichen Forderungen nach strukturellen Reformen in ih­rem Land zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Interessant jedoch: Frankreich sieht sich nicht auf einer Stufe mit den südeuropäischen Schuldnerländern.

Es habe wesentlich bessere demographische Bedingun­gen. Es habe auch ein großes Potenzial an inländischer Ersparnis. Das erklärt, dass die Bond Spreads des Lan­des immer noch relativ gering sind.

 

Für den Anleger

Zeiten des Umbruchs sind immer schwierig für die Fi­nanzmärkte. Diesmal ist es besonders schwierig: Es gibt nicht nur weniger Wachstum, die Länder befinden sich auch an unterschiedlichen Stellen des globalen Konjunk­turzyklus und die USA verabschieden sich von dem bis­herigen Konsens der internationalen Notenbanken. Vor­sicht ist daher angebracht. Die Aktien- und Bonds-Märk­te sind schwerer als sonst einzuschätzen. Auch an den De­visenmärkten kann es zu größeren Schwankungen kom­men. Vielleicht sollten Anleger jetzt erst mal Urlaub ma­chen, bis sich der Nebel an den Märkten lichtet.

Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.

© 3. Juli 2013 /Martin Hüfner

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon. Viele Jahre war er Chefvolkswirt der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG und Senior Economist der Deutschen Bank AG. Er leitete fünf Jahre den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung in Brüssel. Zudem war er über zehn Jahre stellvertretender Vorsitzender beziehungsweise Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Bundesverbandes Deutscher Banken und Mitglied des Schattenrates der Europäischen Zentralbank, den das Handelsblatt und das Wallstreet Journal Europe organisieren. Dr. Martin W. Hüfner ist Autor mehrerer Bücher, unter anderem „Europa – Die Macht von Morgen“ (2006), „Comeback für Deutschland“ (2007), „Achtung: Geld in Gefahr“ (2008) und „Rettet den Euro!“ (2011).