Marktsentiment: DAX-Rückschlag ganz oben auf der Wunschliste

Zusammenfassung der Analyse

Die Preise sind weiter auf Rekordniveau, trotzdem halten sich die Anleger zurück. Obwohl der DAX von einem Rekordniveau zum nächsten springt, bleiben Investoren vorsichtig. Von den befragten privaten und professionellen Anlegern haben jeweils 1 Prozent deutsche Bluechips gekauft. Auf der Short-Seite sind 4 Prozent der Privaten aus ihren Positionen raus gegangen. Die Anzahl der professionellen Bären bleibt unverändert bei 37 Prozent. Das hält den Bull/Bear-Index für Profis auf moderaten 51,1 Punkten – moderat angesichts der Hausse, während die Privaten für immerhin 58,9 Punkte Optimismus zeigen. 

Gianni Hirschmüller stellt fest, dass mit den Rekordständen inzwischen auch die mediale Empfehlung der Aktie als Anlageklasse eingesetzt habe. Dennoch blieben die Investoren misstrauisch. Viele Anleger seien bei der Hausse außen vor gewesen, weshalb der verhaltensorientierte Analyst annimmt, diese Akteure warten nun auf einen Rückschlag, um dann bei der (erhofften) Jahresendrallye dabei zu sein.

Dies Bild zeichnen auch die Erwartungen konkreter DAX-Punkte, die mit der Hausse nicht mitgezogen werden, und der Gemischtwarenladen an antizipierten Top-Performern und Flop-Performern unter den DAX-Werten.

Bull/Bear-Index: 51,1 Punkte

Vorwoche: 50,6 Punkte. Oberhalb 50 Punkte ist der Markt optimistisch, unterhalb pessimistisch.

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Hirschmüller

30. Oktober 2013. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Sie sind wieder da, die Lobeshymnen auf den Aktienmarkt. Im Frühjahr, als der DAX schon einmal außerordentliche Stärke bewies und neue Rekordhochs markierte, hatten wir uns schon gewundert, wo die typischen Lobhudeleien auf die Aktienanlage bleiben. In der Regel werden bei neuen Allzeit-Hochs oder nach markanten Hausse-Perioden immer wieder Statistiken aufgearbeitet und Analysen veröffentlicht, in denen man bestaunen kann, wie viel eine Aktienanlage gebracht hätte. Dieses Jahr bedurfte es zweier Rekordstürme um die Welle dieser, an Konjunktivtis kränkelnder Analysen loszutreten. Jetzt heißt es also wieder einmal: An Aktien komme kein langfristiger Anleger vorbei oder eine Aktienanlage sei alternativlos. Sie brächte dauerhaft die höchsten Gewinne. Um im Konjunktiv zu bleiben: Vielleicht hätten sich die großen Versicherer diese Regeln zu Herzen nehmen sollen. Schließlich fahren die meisten von ihnen seit einer Dekade eine ganz andere Strategie: Sie gewichten Aktien unter.

Die von der Börse Frankfurt befragten Institutionellen verhalten sich derzeit ähnlich. Seit Mitte Oktober – also seitdem der DAX seinen jüngsten Ansturm gestartet hat – halten sie sich mit Engagements im deutschen Aktienmarkt zurück. An unserem Bull/Bear-Index – er verharrt seit zwei Wochen knapp oberhalb der 50-Prozent-Marke – ist gut erkennbar, wie sehr sie der Rally mistrauen. Zwar sammelten einige Investoren kurz vorher noch die Schwäche auf, die sich aus dem US-Haushaltsstillstand ergab. Jedoch zögerten sie nicht lange, diese Positionen in die Stärkephase der Vorwoche wieder abzubauen. Seitdem beschränken sich diese Akteure darauf, den Markt zu beobachten. Seit der vergangenen Erhebung mussten sie allerdings mitansehen, wie der DAX ohne sie die 9.000er Marke knackte und sich nun stetig weiter von ihr distanziert.

Keine „normale“ Hausse

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Ohne Zweifel fällt es vielen Investoren nicht leicht, die neuen Höhen im Aktienmarkt zu feiern. Schließlich stellt diese Hausse eine ganz besondere Herausforderung für sie dar. Es reicht nicht, sich nur Gedanken über die Gewinnentwicklung der Unternehmen, einzelner Sektoren oder der gesamtwirtschaftlichen Lage der Bundesrepublik oder ihrer Handelspartner zu machen. Vielmehr muss man die nächsten Schritte der US-Notenbank erahnen. Schließlich handelt es sich um keine „normale“, sondern um eine liquiditätsgetriebene Hausse. Und die Liquidität kommt hierzulande, wie auch bei anderen benachbarten Börsen, aus dem Euro-Ausland. Enorme Mittel fließen seit Wochen nach Europa. Aber im Gegensatz zu ähnlichen Situationen im Frühjahr oder Sommer dieses Jahres, wird über Rekordzuflüsse nun mehr berichtet, als über Rekordkurse.

Die Privatanleger bewiesen trotz der neuen Allzeit-Hochs erneut mehr Nervenstärke als die Profis. Gewinnmitnahmen gab es keine. Stattdessen zog sich ein Teil der Bären zurück. Dem Bull/Bear-Index der Privaten tat dies gut. Er stieg auf 58,9 Prozent.

Was die Akteure sich derzeit wünschen, scheint ziemlich klar: einen Rückschlag, eine Gelegenheit zum Wiedereinstieg. So geduldig wie sie warten, scheinen sie sich ihrer Sache sicher zu sein, diese Chance auch wirklich zu bekommen und sich so noch rechtzeitig für eine Jahresend-Rally positionieren zu können. Aber manche Wünsche gehen ja bekanntlich erst an Weihnachten in Erfüllung.

von Gianni Hirschmüller, cognitrend
© 30. Oktober 2013

Verhältnis Optimisten zu Pessimisten

  Bullish Bearish Neutral
Total 39 % 37 % 24 %
ggü. letzter Erhebung +1 % +0 % -1 %

 

Institutionelle Anleger: Stimmungs- und DAX-Verlauf
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  • Stand DAX (30. Oktober): 9.045 Punkte (+1,41 % gegenüber der letzten Erhebung)
  • Stand Bull/Bear-Index: 51,1 Punkte

Verhältnis Optimisten zu Pessimisten

Mit Unterstützung von
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  Bullish Bearish Neutral
Total 50 % 33 % 17 %
ggü. letzter Erhebung +1 % -4 % +3 %

 

Private Anleger: Stimmungs- und DAX-Verlauf
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  • Stand DAX (30. Oktober): 9.045 Punkte (+1,41 % gegenüber der letzten Erhebung)
  • Stand Bull/Bear-Index: 58,9 Punkte

Weiterführende Links

Ungeliebte Börsen-Rally

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Goldberg

Eines lässt sich mit Gewissheit sagen: In den vergangenen 30 Jahren dürfte es kaum einen Aufwärtstrend mit neuen Allzeithochs gegeben haben, über den sich so wenige Händler richtig gefreut haben. Statt großer Torten und Blitzlichtgewitter scheint sich die DAX-Rally in diesem Jahr historisch als eine der meist gehassten überhaupt zu entpuppen. Als ob im Hinterkopf der institutionellen Anleger immer noch große Vorbehalte bestünden. Außerdem scheint der wöchentliche Kursgewinn des DAX von 1,4 Prozent (in der Punktbetrachtung) oder das Überschreiten der runden 9.000er Marke am vergangenen Freitag fast niemanden zu Kapitulationskäufen genötigt zu haben. Immerhin: Es gab auch keine Gewinnmitnahmen im größeren Stil.

Die Prognosen der Börsenbullen halten, so gesehen, mit der Kursentwicklung lediglich Schritt, so dass der Zentralwert ihrer Vorhersagen nunmehr bei 9.200 Zählern liegt. Allerdings ist die Verteilung um diesen Wert asymmetrisch und dehnt sich an der Oberseite etwa dreimal so stark wie nach unten aus. Diese relative Ungleichverteilung mag auch ein Indiz dafür sein, dass ein Teil der Akteure sich angesichts des bislang unbekannten Territoriums uneins darüber ist, wie hoch „hoch“ tatsächlich sein mag. Immerhin fährt die Hälfte der befragten Optimisten nur auf Sicht und würde bereits zwischen 9.000 und 9.200 Zählern ihre Gewinne mitnehmen  – eine sehr konservative und keineswegs euphorische Prognose.

Pessimisten mutiger als Optimisten

Dass die Pessimisten angesichts der jüngsten Kursentwicklung nicht so recht mitziehen wollen, bleibt verständlich. Auch wenn der Zentralwert mit 8.700 nur unwesentlich hinterherhinkt, ist auch in diesem Lager eine ungleiche Verteilung – jedoch längst nicht so asymmetrisch wie bei den Optimisten – erkennbar. Obgleich sich bei dieser Gruppe hinsichtlich ihrer Größe im Panel keine Veränderungen ergeben haben, hat sich die Prognoseunsicherheit dennoch leicht erhöht. Immerhin scheint sich keine große Angst bei diesen Marktteilnehmern bereit zu machen, wenn man sieht, dass erste Nachfrage nicht vor 8.850 DAX-Punkten zu erwarten ist. So gesehen sind die Pessimisten sogar etwas mutiger als ihre bullishen Pendants.

Die Neutralen sind unterdessen wieder zu einem vergleichsweise engen Prognoseband zurückgekehrt, deren Obergrenze, während wir Schreiben, bereits getestet wird.

   Median höchster Wert* tiefster Wert* Streuung
Bullen 9.200 / +135 9.475 9.100 190 / +5
Bären 8.700 / +100 8.850 8.450 200 / +35
Neutrale 9.000 / +100 9.050 8.975 40 / -20

* = eine Standardabweichung vom Mittelwert aller Kursprognosen.

DAX-Gewinner und -Verlierer: Börsenfavoriten nur oberflächlich schön

Einzelwertanalyse

Untersucht werden die Aktien, die für Bullen und Bären derzeit die größten Favoriten darstellen, also die mit der besten erwarteten Entwicklung und die mit der schlechtesten.

Auch unsere Top-Liste verdeutlicht beinahe in dramatischer Weise, wie wenig die Akteure auf die derzeitige Aktien-Hausse setzen möchten. Nicht nur das Gros der bullishen Prognosen ist verhalten, sondern auch die Präferenzen für bestimmte Aktien waren selten so wenig ausgeprägt wie heute. So teilen sich drei Papiere den ersten Rang bei den Tops und zwar in der Reihenfolge Fresenius Medical Care, Deutsche Bank, und K+S. Alle drei Werte konnten indes jeweils nur 4 Prozent der Befragten für sich gewinnen, wobei die beiden letztgenannten Aktien auch bei den Flops auf den vorderen Rängen und sogar mit deutlich höheren Anteilen zu finden sind!

Das wahre Gesicht der Favoriten wird also teilweise an den vorderen Rängen der Flop-Liste deutlich. Diese wird mit 11 Prozent Stimmenanteil von ThyssenKrupp angeführt, für die sich (wenn auch nur 3 Prozent der Befragten) auch einige Kaufinteressenten stark machen. Es folgen K+S, die genauso wie die Commerzbank, auf 9 Prozent der Verkaufszettel zu finden sind – auf Rang vier folgt kurz dahinter die Deutsche Bank.

von Joachim Goldberg, cognitrend
© 30. Oktober 2013

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