Marktsentiment: Optimismus bleibt auch in 2013 erhalten

Gewinne, aber keine Gewinnmitnahmen

Zusammenfassung: Obgleich der DAX knapp unter seinem Jahreshoch schließen konnte und auch gleich zu Beginn des neuen Börsenjahres für einen furiosen ersten Handelstag sorgte, wurden bei deutschen Standardwerten kaum Gewinne mitgenommen. Der Optimismus, gemessen an unserem Bull/Bear-Index, hat sich zwar sichtbar von seiner Spitze von Anfang Dezember auf nunmehr 62,2 Prozent zurückgebildet. Dies ist aber nur dem Umstand geschuldet, dass eine Gruppe Trading-orientierter Händler mittlerweile zum dritten Mal den Versuch startet, eine DAX-Korrektur der jüngsten Gewinne zu antizipieren. Der harte Kern der Bullen, den wir schon seit Mitte Oktober identifizieren, hält weiter still. Damit zeigt die Verteilung der von der Börse Frankfurt getätigten Umfrage, dass das Gros der Investoren dem DAX treu bleibt und weiter steigende Kurse vorwegnimmt. Kleinere Rücksetzer dürften hingegen zusätzliche Nachfrage anziehen.

Bull/Bear-Index: 62,2 Punkte

Vorwoche: 66,7 Punkte. Oberhalb 50 Punkte ist der Markt optimistisch, unterhalb pessimistisch.

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Hirschmüller

9. Januar 2013. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Zahlreiche Akteure fühlten sich wahrscheinlich sehr unwohl, als am 31. Dezember die Schlussglocke an der Wall Street ertönte. Denn sie wussten: Bis zur Deadline der US-Fiskalklippe blieben nur noch wenige Stunden. Als Anfang des Jahres die Börsen dann wieder öffneten, machte sich aber nicht nur Erleichterung über den Kompromiss breit, der in der Neujahrsnacht erzielt wurde, wie die Mehrheit der Finanzmarktkommentatoren zunächst behauptete. Vielmehr stellten Dauer-Skeptiker fest, dass sich ihre Horror-Szenarien weder im vergangenen Jahr erfüllt, noch im neuen Jahr für einen Fehlstart gesorgt hatten. Die Prophezeiung von Hyperinflation, vom Zusammenbruch des Finanzsystems oder des Euro sind nicht eingetreten. Schlussendlich ist nun auch der US-Fiskalklippensturz ausgeblieben. Also hieß es erst einmal für Short-Spieler eindecken und für alle untergewichteten Investoren zukaufen. Dieses Verhalten hat weltweit nicht nur für eine ordentliche Rallye am ersten Handelstag des neuen Jahres gesorgt. Es hat auch die Volatilitäten zum Einsturz gebracht, wie sich eindrucksvoll am US-amerikanischen VIX-Index oder am heimischen VDAX ablesen lässt.

Gewinnmitnahmen Fehlanzeige

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Glücklicherweise hatten die von der Börse Frankfurt regelmäßig befragten Fondsmanager im Spätherbst rechtzeitig einen Strategiewechsel vollzogen und sich auf steigende Kurse eingerichtet. Allerdings haben die meisten von ihnen – wie schon oft an dieser Stelle erwähnt – sich nur mit dem Nötigsten an Aktien eingedeckt. Dies erklärt auch, warum von diesem harten Kern der Optimisten kaum Gewinnmitnahmen ausgegangen sind. Im Gegenteil: Statt Long-Positionen glattzustellen, müssen diese noch weiter ausgebaut werden, um überhaupt mit der Benchmark Schritt halten zu können. Natürlich unter der Voraussetzung, dass die stetigen Mittelzuflüsse, die wir im vierten Quartal beobachtet hatten, weiter anhalten. Letztere stellen immer wieder die Grundlage unserer Einschätzung dar, der auf den ersten Blick hohe Optimismus sei für den DAX unschädlich bzw. sogar als bullish zu interpretieren.

Nun hat der DAX seit Mitte November ununterbrochen zulegen können und das Börsenjahr 2012 sogar fast am Hoch abgeschlossen. Bei einer solchen Rallye zeigt sich der eine oder andere Marktteilnehmer immer wieder mal angriffslustig. Tatsächlich stellten sich auch diesmal – trotz des beeindruckenden Jahresstarts – eine bekannte Gruppe von Händlern dem DAX in den Weg. Es sind die bekannten 6 Prozent der Befragten, die nun schon zum dritten Mal versuchen, auf eine DAX-Korrektur zu setzen. Aber selbst wenn sie diesmal Erfolg haben sollten, bleiben die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Hausse gegeben.

 © 9. Januar 2013/Gianni Hirschmüller, cognitrend

Verhältnis Optimisten zu Pessimisten

  Bullish Bearish Neutral
Total 49 % 27 % 24 %
ggü. letzter Erhebung -6 % +2 % +4 %
DAX-Stimmungskurve
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Stand DAX 09.01.2013, 12:00 Uhr: 7.720 Punkte (+0,58 % gegenüber der letzten Erhebung), Bull/Bear- Index: 62,2 Punkte

Kleines „Reset“ der Referenzpunkte

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Goldberg

Die Detailanalyse unserer jüngsten Sentiment-Erhebung zeigt recht eindrucksvoll, wie bei den Investoren zu Jahresbeginn die Bezugspunkte neu ausgerichtet wurden. Allerdings recht maßvoll. Dabei ist festzustellen, dass sich die Vorhersagen relativ gleichmäßig um den Kurs zum Zeitpunkt der Erhebung verteilen. Außerdem hat sich bei Bullen, Bären und neutral gestimmten Akteuren der Zentralwert der Prognosen gegenüber der letzten Befragung des Jahres 2012 durchweg um 100 DAX-Zähler erhöht. Dies ist deutlich mehr, als die korrespondierende DAX-Veränderung im Punktvergleich (0,8 Prozent) ergibt. Trotz der guten Performance des Börsenbarometers zu Jahresbeginn, halten sich die Erwartungen der in der Mehrheit gebliebenen Bullen in Grenzen: Ihre mittlere Prognose liegt bei 7.900 zwar auf einem neuen Fünfjahreshoch, aber eine Standardabweichung entfernt reicht es an der Oberseite gerade einmal für ein leichtes Überschreiten der ominösen 8.000er Linie. Neue Allzeithochs bleiben derzeit für die meisten also noch jenseits des Vorstellungshorizonts.

   Median höchster Wert* tiefster Wert* Streuung
Bullen 7.900 / +100 8.020 7.805 110 / +10
Bären 7.500 / +100 7.625 7.225 200 / +/-0
Neutrale 7.700 / +100 7.830 7.535 150 / +60

* = eine Standardabweichung vom Mittelwert aller Kursprognosen.

Viele Akteure misstrauen Volatilitäts-Frieden

Einzelwertanalyse

Untersucht werden die Aktien, die für Bullen und Bären derzeit die größten Favoriten darstellen, also die mit der besten erwarteten Entwicklung und die mit der schlechtesten.

Immerhin ist das Zutrauen der Optimisten in die eigene Vorhersagekraft mit einer Streuung von 110 DAX-Zählern fast unverändert hoch, was man derartiges von den Bären jedoch nicht behaupten kann. In dieser Gruppe hat sich die Prognoseunsicherheit deutlich erhöht, die Streubreite hat sich gegenüber den Bullen auf ein doppelt so hohes Niveau vergrößert. Auffallend ist in jenem Lager überdies die asymmetrische Verteilung der Prognosen um den Zentralwert, wobei sich die Abweichungen nach unten bis auf 7.225 erstrecken, also fast 500 Punkte unter dem Erhebungsniveau liegen. Mit erster Nachfrage wäre nach unseren Berechnungen allerdings bereits bei 7.625 DAX-Zählern zu rechnen. Wesentlich breiter als bei den letzten Befragungen des vergangenen Jahres hat sich das Prognoseband der neutralen gestimmten Akteure dargestellt. Dies mag nicht nur dem Umstand geschuldet sein, dass die feiertagsbedingt ruhigen Handelstage nunmehr hinter uns liegen. Vielmehr ist überraschend, dass sich die Unsicherheit in dieser Gruppe trotz der zuletzt zurückgegangen impliziten Volatilität des DAX (vergleiche DAX-Sentiment-Bericht) deutlich erhöht hat. Offensichtlich traut man dem Volatilitäts-Frieden nicht so ganz.

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Gewinner und Verlierer: Deutsche Bank nur noch Top

Investoren, die in der letzten Woche des vergangenen Jahres auf die Aktie der Deutschen Bank gesetzt hatten, sind trotz aller Hiobsbotschaften seinerzeit für ihren Mut fürstlich belohnt worden. Denn allein dieses Papier konnte entgegen der Meinung vieler Kommentatoren seither um gut 10 Prozent an Wert gewinnen – offenbar trauen die Investoren dem Branchenprimus zu, alle noch offen stehenden Probleme meistern zu können. Nicht minder freuen konnten sich Inhaber der Commerzbank-Aktie, deren Kurs ähnlich stark zugelegt hatte.

So wundert es auch nicht, dass diese beiden Bankwerte bei unserer heutigen Umfrage die Liste der meist gefragten Aktien anführen. Mit einem Unterschied allerdings: Im Gegensatz zur Deutschen Bank, die bei den Verlierern nicht mehr zu finden ist, teilt die Commerzbank-Aktie immer noch die Investoren in zwei Lager. Die starke Polarisierung – 14 Prozent der Befragten setzten das Papier auf die Liste der Gewinner, während sich 10 Prozent für ein Flop-Votum entschieden – sorgt dafür, dass der Wert in beiden „Rennlisten“ gleichzeitig die Führungsrolle einnimmt. Die Aktie der Deutschen Bank liegt unterdessen auf der Einkaufsliste der Investoren auf Platz zwei, während sich mit Abstand BASF, Daimler sowie K+S den dritten Rang teilen.

Bei den DAX-Flops folgen ThyssenKrupp und RWE dem „Tabellenführer“ Commerzbank mit einem Wert von 7 Prozent aber nicht ganz auf dem Fuß. Beide Papiere haben übrigens während der vergangenen Handelstage an Momentum verloren und tendierten seitwärts – Thyssen Krupp jedoch innerhalb einer Aufwärtsbewegung, RWE konsolidiert dagegen an der Unterseite des Dezember-Tiefs.

 © 9. Januar 2013/Joachim Goldberg, cognitrend