Marktstimmung: Immer noch keine Panik, aber…

Zusammenfassung

Professionelle und private Anleger reagieren unterschiedlich auf die Kursverluste am deutschen Aktienmarkt. 9 Prozent der Profis haben ihre Aktien verkauft und 4 Prozent sind short gegangen. Von den Privaten haben dagegen noch mal 2 Prozent Aktien gekauft, aber auch 7 Prozent Short-Engagements aufgebaut. Von einem unterschiedlichen Niveau kommend stehen die Sentiment-Indizes der jeweiligen Anlegergruppe nun bei +19 bzw. +20 Punkten nahe beieinander.
 
Joachim Goldberg weist darauf hin, dass der Bullenanteil noch sehr hoch sei, was aber nicht grundsätzlich schlecht für den Markt sein müsse. Denn vermutlich liegen die Einstandspreise der Bullen so weit vom aktuellen Preisniveau entfernt, dass Preissteigerungen am Aktienmarkt erst bei starken Kurssprüngen zu Verkäufen führen sollten. An der Unterseite rechnet der Analyst mit erneuten Käufen in die Schwäche. Dadurch würde aber eine „Bereinigung der mittlerweile recht beachtlichen Schieflagen“ aufgeschoben. „Die längerfristigen Aussichten für den DAX scheinen sich zunehmend zu verfinstern.“
 
 

  • Profis: +19 Punkte (Vorwoche: +32)
  • Private: +20 Punkte (Vorwoche: +25)
  • DAX: -330 Punkte

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Goldberg

8. Juli 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Auch das Nein der Griechen zu Reformprogrammen, das sich aus dem Referendum vom vergangenen Wochenende ergab, hat nicht zu panikartigen Verkäufen an Deutschlands Aktienmärkten geführt. Allerdings hat der im Wochenvergleich abermals um 3 Prozent gefallene DAX bei den mittelfristig orientierten institutionellen Marktteilnehmern Spuren hinterlassen. So wollte etwa jeder siebte Optimist angesichts der weiteren Hängepartie im griechischen Schuldendrama keine weiteren Kursrückgänge mehr hinnehmen. Und weil von denen, die nunmehr ihre aufgelaufenen Verluste realisiert haben, knapp die Hälfte per Saldo ins Bärenlager abgewandert ist, fiel der Börse Frankfurt Sentiment-Index auf einen Wert von +19 nach +32 Punkten in der Vorwoche zurück. Das ist exakt der Wert, den wir vor zwei Wochen (zu dieser Zeit stand der DAX noch bei 11.500 Zählern) ermittelt hatten. Dennoch stellen die Bullen immer noch fast die Hälfte aller Teilnehmer unseres Panels.

Dass ein Teil der Optimisten erwartungsgemäß die Notbremse gezogen hat, dürfte jedoch nicht nur auf das attische Drama zurückzuführen sein, von dem viele Börsianer am liebsten nichts mehr hören möchten. Vielmehr tragen sicherlich auch die Turbulenzen an den Aktienbörsen in China sowie die fallenden Rohstoff- und Edelmetallpreise ihren Teil zu den Irritationen bei einigen Anlegern bei. Denn diese jüngste Entwicklung wird die weltweit von vielen Zentralbanken erwünschten höheren Inflationsraten sicher nicht befördern; stattdessen drohen womöglich negative Folgen auch für das globale Wachstum.

Privatanleger mit Meinung

Bemerkenswert sind unterdessen die Stimmungsveränderungen bei den Privatanlegern. In diesem Panel hat sich die Gruppe der neutral eingestellten Marktteilnehmer auf einen Anteil von zehn Prozent aller Befragten reduziert. Dabei handelt es sich nicht nur um den niedrigsten Wert seit dem 12. März 2014. Vielmehr wirkt die starke Polarisierung zwischen Bullen und Bären angesichts der von vielen Beobachtern als unübersichtlich eingestuften Marktsituation überraschend. So konnte die Gruppe der Optimisten im Vergleich zur Vorwoche noch einmal zulegen. Weil aber die Pessimisten mit einem Plus von 7 Prozent einen deutlich höheren Zustrom erfuhren, ist der Börse Frankfurt Sentiment-Index auf einen Wert von +20 nach +25 Punkten in der Vorwoche zurückgefallen.

Obgleich einige Optimisten unter den institutionellen Marktteilnehmern im Zuge der weiteren DAX-Schwäche erwartungsgemäß das Handtuch geworfen und so möglicherweise die jüngsten Kursrückgänge beschleunigt haben, bleibt sowohl bei ihnen als auch bei den Privatanlegern ein recht hoher Anteil an Bullen übrig. Die heute ermittelten Sentiment-Indizes von +19 bzw. +20 Punkten stellen dabei weiterhin eine Belastung für das Börsenbarometer dar.

Allerdings sind die Einstandspreise der verbliebenen Kauf-Positionen derzeit so weit vom aktuellen Handelsgeschehen entfernt, dass sich Abgabedruck im näheren Kursumfeld nicht bemerkbar machen dürfte. Im Gegenteil: Da sich der Einstandspreis dieser Engagements vermutlich immer noch zwischen 11.400 und 11.500 Zählern bewegt, bedarf es schon einer ausgesprochen positiven Überraschung und eines damit verbundenen Kurssprungs, damit diese Akteure wenigstens noch mit einem blauen Auge aus ihren Engagements herauskommen können.

Andererseits ist nicht anzunehmen, dass die verbliebenen Bullen im Falle weiterer Kursrückgänge zwangsläufig panikartig dem DAX den Rücken kehren werden. Vielmehr ist zu befürchten, dass ein sich scheibchenweise abschwächender Aktienmarkt zu erneuten Käufen in die Schwäche verführt und somit eine Bereinigung der mittlerweile recht beachtlichen Schieflagen auf die lange Bank geschoben wird. Kurzum: Die längerfristigen Aussichten für den DAX scheinen sich zunehmend zu verfinstern.

  • 11.15 Uhr auf n-tv
  • 14.10 / 18.05 Uhr auf DAF

von Joachim Goldberg, Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

© 8. Juli 2015

[1] Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positiven in negative Werte markiert die neutrale Linie. Die Werte des früheren Cognitrend Bull/Bear-Index sind auf die neue Skalierung umgerechnet worden.

Börse Frankfurt Sentiment-Index
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Blaue Balken: institutionelle Investoren, gelbe Balken: private Investoren

Institutionelle Anleger

 

   Bullish Bearish  Neutral
Total  48%  29%  23%
ggü. letzter Erhebung  -9%  +4%  +5%

 

    • DAX (Veränderung im Vergleich zu 1. Juli): 10.700 (-3,0%)
    • Börse Frankfurt Sentiment-Index institutionelle Anleger: +19 Punkte  (+32 Punkte in der Vorwoche)
DAX-Entwicklung im betrachteten Zeitraum
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Private Anleger

 

   Bullish Bearish  Neutral
Total  55%  35%  10%
ggü. letzter Erhebung  +2%  +7%  -9%

 

  • DAX (Veränderung im Vergleich zu 1. Juli):  10.700 (-3,0 %)
  • Börse Frankfurt Sentiment-Index private Anleger: +20 Punkte (+25 Punkte in der Vorwoche)