Markttechnik: Nicht zu früh freuen

18. Januar 2012. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Jahresanfangs- statt Jahresendrallye: Über 7 Prozent hat der DAX seit Ende Dezember zulegen können. Viele technisch orientierte Analysten mahnen aber zur Vorsicht, ihrer Einschätzung nach wird die Erholung nicht von Dauer sein. „Aus zyklischer Sicht ist es für den Anstieg noch zu früh“, meint etwa Christoph Geyer von der Commerzbank. Kurzfristig sei der Ausbruch über die Widerstandszone zwischen 6.200 und 6.400 Punkten zwar möglich, nachhaltig werde dieser aber nicht sein. Der Stochastik-Indikator mahne zur Vorsicht, dazu komme der Widerstand bei rund 6.500 Punkten. Auch Klaus Deppermann von der BHF-Bank und Martin Siegert von der Landesbank Baden-Württemberg sind skeptisch.

Neuerlicher Tiefstkurs im August

Deppermann zufolge spricht einiges für wieder sinkende Kurse, und verweist auf die Formation des aufsteigenden Dreiecks beim DAX. „Dieses gilt in der Chartliteratur als bullish. Unsere eigenen Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass der Ausbruch zwar zunächst häufig nach oben stattfindet, dieser aber wenig später von einem Ausbruch nach unten abgelöst wird.“ An wichtigen oberen Trendwenden trete das aufsteigende Dreieck beim DAX besonders häufig auf.


Deppermann

„Sehr eindeutig war das beim langfristigen Hoch im Jahr 2007.“ Nicht ganz so lehrbuchhaft, aber doch deutlich erkennbar, seien die aufsteigenden Dreiecke im Sommer 2000 und im Sommer 2011. Alle drei Zeiträume hätten langfristige obere Trendwenden beim DAX markiert. Den jüngsten Anstieg über die obere Begrenzungslinie bei 6.180 Punkten interpretiert Deppermann als Fehlausbruch.

Daneben ließen auch die mittel- und langfristigen Zyklen pessimistisch in die nähere Zukunft blicken. „Dazu zählt der Vergleich mit der Entwicklung von 2007“, erklärt der Analyst. Aber auch auf Basis des Zehnjahreszyklus könne man davon ausgehen, dass sich die Aktienkurse noch bis mindestens Mitte dieses Jahres nach unten bewegen werden. „Auffällig ist die Häufung der Wendepunkte im August und im Oktober.“ Deppermann rechnet in diesem Jahr wieder mit dem tiefsten Punkt im August.

Korrekturbewegung nach oben in Spätphase


Siegert

Auch Martin Siegert hält es für wahrscheinlich, dass die Erholungsphase nach den Tiefstkursen im Spätsommer zu Ende geht. „Der DAX befindet sich seit Ausbildung eines Doppeltiefs knapp unter der 5.000er Marke im September in einer Korrekturbewegung“, erläutert der Charttechniker. Diese verlaufe derzeit in einem intakten Trendkanal mit Begrenzungslinien bei etwa 5.670 Punkten auf der Unter- sowie knapp über 6.600 Punkten auf der Oberseite. „Aus Sicht der aktuellen Verlaufsstruktur und der Lage der Indikatoren im Tages- und im Wochenchart lässt sich die Erwartung ableiten, dass diese Korrekturbewegung bereits in eine Spätphase eingetreten ist.“

Zu Beginn dieser Woche sei der DAX nochmals in eine dynamische Bewegung übergegangen. „Das minimale Kursziel wurde mit einem Preissprint über der 6.320er Marke bereits erreicht, das alternative rechnerische Preisziel sollte im Bereich der 6.442er Zone zu finden sein.“ Knapp unter dieser Marke verlaufe aktuell die 200-Tagelinie. Die Ausbildung eines Tops, das idealtypisch in den nächsten Tagen durch das Signal einer Tagesumkehr bestätigt werden sollte, stelle den Abschluss der mehrmonatigen Korrektur dar.

„Aus Sicht der klassischen Chartanalyse könnte dann von einem Pullback zur 200-Tagelinie gesprochen werden.“ Das Unterschreiten der kurzfristigen Trendgeraden im Bereich der 6.070er Zone und nachfolgend der Preisunterstützungsmarke bei 5.988 Punkten bestätigten diese Betrachtung. „Das führt den DAX in den kommenden Wochen und vermutlich Monaten vor eine neuerliche Bewährungsprobe.“

Drastischer Stimmungsabfall bei DAX-Werten

Auch die Anleger trauen dem Braten offenbar nicht: Besonders bezüglich des DAX hat sich die Stimmung deutlich eingetrübt, wie die aktuelle Befragung der Börse Frankfurt unter 300 aktiven Investoren ergeben hat. Im Vergleich zur Vorwoche verließen satte 10 Prozent der Anleger das Bullenlager, 14 Prozent sind nund bearish. Insgesamt ist mit 46 Prozent nun fast die Hälfte der Interviewten in Sachen Bluechips negativ gestimmt. Der Bull/Bear-Index ist mit 45 Punkten eindeutig im pessimistuischen Bereich. Bei den Technologiewerten gibt es hingegen kaum Veränderung: Hier kommt es nur zu kleinen Verschiebungen zwischen den Lagern, der Bull/Bear-Index geht hier von 58,6 auf 56,4 Punkte zurück.

Der Bull/Bear-Index misst das Maß an Optimismus im Markt. Dafür werden die Optimisten ins Verhältnis zu den Pessimisten gesetzt und mit den neutral Gestimmten gewichtet. Werte unter 50 Punkte zeigen eine pessimistische Gesamtstimmung der Anleger. Was es bedeutet, können Sie ab 17 Uhr bei www.boerse-frankfurt.de/sentiment lesen.

© 18. Januar 2012 / Anna-Maria Borse