Markttechnik: Prognosen gehen auseinander

6. April 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Von einer ausgedehnten Korrektur kann keine Rede mehr sein. Der Kurssturz nach den Ereignissen in Japan ist noch keine drei Wochen her, da hat der DAX sein altes Niveau schon wieder zurückerobert. Ob die jüngste Erholung jedoch von Dauer sein wird, ist unter technischen Analysten umstritten. Während einige Techniker vor erneuten Rückschlägen warnen, sehen andere weiteres Aufwärtspotenzial am Aktienmarkt.

Chartbild kritisch

Bauer
Bauer

Nach Einschätzung von Gregor Bauer, selbstständiger Portfoliomanager und Vorstandsvorsitzender der Vereinigung Technischer Analysten Deutschlands (www.vtad.de), ist das Chartbild des DAX aktuell als sehr schwierig einzustufen. Zwar habe der deutsche Leitindex am vergangenen Freitag einen wirklich wichtigen Widerstand bei 7.140 Punkten nach oben durchbrochen, seitdem sei die Entwicklung aber wieder leicht rückläufig. „Im Bereich von 7.090 bis 7.140 Punkte wird es kritisch. Wenn der Index unter diese Unterstützungszone fällt, werden neue Verkaufssignale generiert“, erklärt der Analyst und verweist in diesem Zusammenhang auf zahlreiche Stopp-loss-Punkte, die im Bereich bis etwa 7.050 Zählern lägen. „Sollte der DAX tatsächlich diese Hürde nach unten durchbrechen, wäre dies ein Signal für einen möglicherweise mehrere Monate anhaltenden Abwärtstrend“, meint Bauer. Auch das Tief von Mitte März bei rund 6.500 Punkten rücke dann wieder in Sichtweite.

Für den Fall jedoch, dass der DAX an dem Unterstützungsbereich zwischen etwa 7.090 Punkten und 7.140 Punkten nach oben abprallen sollte, ist nach Ansicht des Charttechnikers mit Kursgewinnen bis in den Bereich um 7.350 bis 7.450 Zähler zu rechnen. „Denn dann steht der Index erneut vor einer massiven Widerstandszone. Dass diese auf Sicht der kommenden Monate überwunden werden kann, erscheint aktuell unwahrscheinlich.“

DAX vor Korrektur?

Geyer
Geyer

Auch Christoph Geyer, technischer Analyst der Commerzbank, mahnt zur Vorsicht. Zwar scheine der DAX aktuell nur noch eine Richtung zu kennen – nach oben. Doch diese Anstiegsbewegung sei von zwei wesentlichen Faktoren gekennzeichnet, die bei aller Freude über das schnelle Aufholen der Verluste nicht übersehen werden sollten: „Die Umsätze der Erholungsbewegung waren auf sehr niedrigem Niveau. Das bedeutet, dass die Breite der Marktteilnehmer nicht wieder eingestiegen ist und somit der Aufschwung nur von wenigen Käufern getragen wurde. Zudem ist der Anstiegswinkel der Aufwärtsbewegung derart steil, dass ein Bruch unweigerlich kommen muss“, argumentiert Geyer und fügt hinzu: „Ein steiler Anstiegswinkel, gepaart mit geringen Umsätzen ist ein guter Nährboden für Konsolidierungen.“

Es sei zwar nicht zu erwarten, dass der Markt wie ein Kartenhaus zusammen falle. Eine Bewegung unter die Marke von 7.000 Punkten sei aber durchaus noch einmal möglich.

Auf mittlere Sicht zeigt sich Geyer aber optimistisch: „In die Frühlingsmonate hinein sollte eine Rally möglich sein. Vorausgesetzt die internationalen Krisen verschärfen sich nicht und geben somit keinen neuen Anlass zur Sorge, könnten die Tops von Mitte Februar schnell übersprungen werden“, prognostiziert der Techniker.

Genügend Potenzial um noch mal durchzustarten

Meier
Meier

Jana Meier von der HSBC Trinkaus & Burkhardt sieht aktuell keinen Grund für Pessimismus und rechnet mit einer anhaltenden Erholung beim DAX. Mit dem Sprung über ein markantes Widerstandscluster bei 7.065 bis 7.088 Punkten, das sich aus der Parallelen zum Aufwärtstrend seit August 2009, der 90-Tages-Linie, einer Aufwärtskurslücke, sowie dem Jahreshoch 2010 ergebe, sei ein markanter Puffer geschaffen worden. Dieser Bereich dürfe die deutschen Standardtitel solide absichern, zeigt sich die technische Analystin optimistisch. „In den vergangenen Tagen tat sich der DAX zwar mit den Hürden bei rund 7.200 Punkten etwas schwer, doch insgesamt sollte noch genügend Aufwärtspotential vorhanden sein, um erneut durchzustarten.“ Dabei rücke zunächst das ehemalige Ausbruchsniveau im Bereich des Hochs vom Mai 2008 bei 7.232 Punkten in den Fokus. Die nächsten Widerstände sieht Meier im Bereich des Hochs vom 1. März bei 7.356 Punkten und des bisherigen Jahreshochs bei 7.442 Punkten.

Unterstützung von den Indikatoren

Rückenwind für das Positivszenario liefern aus Sicht von Meier die technischen Indikatoren. „Auf Tagesbasis dominieren weiter die Kaufsignale. Aber auch von den US-Aktienmärkten kommen derzeit konstruktive Impulse: Der Dow Jones hat jüngst mit 12.438 Punkten auf den höchsten Stand seit gut zweieinhalb Jahren angezogen.“ Diese Entwicklung werde zudem durch den Dow Jones Transportation Average bestätigt, der zuletzt ebenfalls ein neues Verlaufshoch verbucht habe und nun Kurs auf ein neues Allzeithoch nehme. „Im Erfolgsfall entsteht hier nochmals ein prozyklisches Kaufsignal“, erklärt Meier.

Vorsichtige Anleger

Die Anleger nehmen – zumindest beim DAX – zunehmend eine abwartende Haltung ein. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Sentimenterhebung der Börse Frankfurt bei 300 aktiven Investoren. 3 Prozent der bislang optimistisch eingestellten DAX-Investoren haben ihre Aktien in dieser Woche verkauft und sind ins neutrale Lager gewechselt. Der Bull/Bear-Index für den Leitindex verzeichnet dadurch einen Rückgang von 58,3 auf 56,7 Prozent.

Bei den Technologiewerten überwiegt unterdessen der Optimismus. 4 Prozent der bislang neutral eingestellten Anleger sind wieder in TecDAX long gegangen. Der Bull/Bear-Index steigt auf eindeutig optimistische 69,3 Prozent.

Der Bull/Bear-Index misst das Maß an Optimismus im Markt. Dafür werden die Optimisten ins Verhältnis zu den Pessimisten gesetzt und mit den neutral Gestimmten gewichtet. Werte unter 50 Punkte zeigen eine pessimistische Gesamtstimmung der Anleger. Was es bedeutet, können Sie ab 17 Uhr bei www.boerse-frankfurt.de/sentiment lesen.

© 6. April 2011/Karoline Kopp