Kaserer, TUM
30. Januar 2012. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Seit August 2011 ist die IPO-Aktivität zum Erliegen gekommen. Im zurückliegenden vierten Quartal gab es lediglich einen Börsengang an der Frankfurter Wertpapierbörse. Die Unsicherheit an den Kapitalmärkten strahlt also weiterhin auf die Primärmärkte aus. Gleichzeitig gibt es aber auch erste ermutigende Signale, die auf eine Trendwende hindeuten könnten. So ist die Volatilität an den Aktienmärkten spürbar gesunken und der DAX konnte zuletzt Kursgewinne verzeichnen. Entsprechend beobachten wir einen leichten Aufwärtstrend im IPO-Klima. Der Deutsche Börse IPO-Indikator ist in den vergangenen drei Monaten auf 29,23 Punkte gestiegen gegenüber einem Stand von 27,97 Punkten zuvor. Dies ist der erste Anstieg nach drei rückläufigen Quartalen in Folge. Die Befragung der Marktteilnehmer zeigt, dass diese für das kommende Quartal mit einer leichten Belebung des Primärmarkts rechnen.
Abbildung 1: IPO-Indikator-Ampel
Rückläufige Volatilität …
VDAX-New
Der VDAX-New gibt die vom Terminmarkt zu erwartende Schwankungsbreite des DAX-Index für die nächsten 30 Tage an. Grundlage für die Berechnung sind die Optionspreise der DAX-Werte und damit die implizite Volatilität, d.h. die zurzeit vom Markt erwartete Intensität zukünftiger Preisschwankungen.
Historische Erfahrungen zeigen, dass die Aktivitäten am IPO-Markt zyklischen Bewegungen unterliegen. Welche Faktoren solche Zyklen auslösen, ist zwar umstritten, dennoch lassen sich gewisse Muster erkennen. Eines dieser Muster besteht darin, dass ein Rückgang der Preisvolatilität positiven Einfluss auf den Primärmarkt hat.
Dieses Muster spiegelt sich in vielen Märkten wider, so auch in Deutschland, wie Abbildung 2 zeigt.
Das erneute Aufbrechen der Euro-Schuldenkrise im Juli 2011 hatte die seit Beginn 2009 zurückgehende Volatilität des deutschen Aktienmarktes unterbrochen. Zwischen Ende Juni und Oktober 2011 hat sich der Stand des VDAX-New von etwa 18 auf rund 34 Prozent beinahe verdoppelt. Zwischenzeitlich lag das Niveau sogar deutlich über 40 Punkten. Im vierten Quartal hat sich die erwartete Schwankungsbreite der DAX-Aktien wieder verringert, aktuell liegt sie gemessen am VDAX-New bei 24 Prozent. Angesichts der genannten historischen Erfahrungen muss man davon ausgehen, dass sich diese rückläufige Volatilität positiv auf die Emissionstätigkeit auswirken wird.
Abbildung 2: Gleitender Durchschnitt der Zahl der IPOs sowie VDAX-New
Blaue Linie: Verlauf VDAX-New (indexiert); Graue Balken: Anzahl IPOs (gleitender 3-Monatsdurchschnitt)
… und Aufwärtsbewegung im DAX lassen Trendwende erwarten
Ein zweites Muster besteht im Zusammenhang zwischen Kursentwicklung und Börsengängen. Auch hier zeigen Analysen, dass einem Aufschwung am Primärmarkt in der Regel ein Kursaufschwung an der jeweiligen Börse vorausging und umgekehrt. Dieser Zusammenhang wird in Abbildung 3 bestätigt. Die in der oben beschriebenen niedrigeren Volatilität zum Ausdruck kommende Beruhigung der Märkte spiegelt sich auch im Bewertungsniveau wider. Zwischen Anfang Oktober 2011 und Ende Januar 2012 ist der DAX um knapp 20 Prozent gestiegen. Insgesamt könnte diese Entwicklung auch die Emissionstätigkeit anregen.
Abbildung 3: Gleitender Durchschnitt der Zahl der IPOs sowie DAX
Blaue Linie: Verlauf DAX (indexiert); Graue Balken: Anzahl IPOs (gleitender 3-Monatsdurchschnitt)
Wahrgenommenes Underpricing historisch niedrig …
Underpricing
Ein weiteres wichtiges Element in der Entwicklung der Primärmärkte sind die Preissignale, die von durchgeführten IPOs ausgehen. Hierbei spielt insbesondere das Underpricing eine Rolle, weil es ein Signal für die Kaufbereitschaft der Investoren ist und gleichzeitig eine sich selbst verstärkende Feedback-Schleife bei Investoren auslösen kann. Tatsächlich lässt sich das Underpricing als Prädiktor für die Primärmarktaktivität einsetzen.
Wir berechnen für diese Prognose das so genannte Underpricing-Sentiment, das als ein Durchschnitt des Underpricings aller IPOs der vergangenen 18 Monate interpretiert werden kann, mit einer zeitabhängigen Gewichtung. Aufgrund der eher geringen Zahl von IPOs sollte diese Größe allerdings nicht überinterpretiert werden.
Ende 2009 lag dieses Underpricing-Sentiment bei rund 5 Prozent, per Ende 2010 bei 0. Im dritten Quartal ist es um weitere 5 Prozent gesunken und verharrt seitdem auf dem Tiefststand von -5 Prozent. Zuletzt wurde dieser Wert im dritten Quartal 2004 unterboten. Auch der einzige IPO im vierten Quartal 2011, der Börsengang der Ultrasonic AG, wurde am unteren Rand der Bookbuilding-Spanne platziert. Dieses Signal spricht aufgrund der historischen Erfahrungen gegen eine Belebung der IPO-Aktivität in den kommenden Monaten.
Abbildung 4: Underpricing Sentiment und Zahl der IPOs
Blaue Linie: Underpricing-Sentiment; Graue Balken: Anzahl IPOs (gleitender 3-Monatsdurchschnitt)
… bei leichter Verbesserung des IPO-Klimas
Die Stimmung am Primärmarkt wird mit Hilfe einer Befragung von Entscheidungsträgern bei Banken, Emittenten und Investoren von der Deutschen Börse erhoben. Die Ergebnisse dieser Befragung werden in einem Indexwert, dem so genannten IPO-Klima, zusammengefasst. Der historische Verlauf dieses IPO-Klimas wird in Abbildung 5 wiedergegeben. Wie man sehen kann, spiegelte diese subjektive Einschätzung der Entscheidungsträger die tatsächliche Entwicklung am Primärmarkt gut wieder.
Zwischen März 2009 und Dezember 2010 hat sich das IPO-Klima kontinuierlich verbessert, in den ersten neun Monaten 2011 war dieser Trend jedoch wieder rückläufig. Im vierten Quartal hat sich das Klima allerdings wieder verbessert und ist auf 30,8 Punkte gegenüber 29,4 Punkten im Vorquartal gestiegen. Möglicherweise deutet auch dies auf eine Trendwende hin.
Abbildung 5: IPO-Klima und Zahl der IPOs
Blaue Linie: IPO-Klima in Punkten; Graue Balken: Anzahl IPOs (gleitender 3-Monatsdurchschnitt)
Erwartung einer Erholung im ersten Halbjahr
Betrachtet man diesen Anstieg des IPO-Klimas genauer, wird deutlich, dass er ausschließlich auf positivere Erwartungen der Marktteilnehmer zurückzuführen ist. Wie man in Abbildung 6 sehen kann, rechnen alle Marktteilnehmer im Hinblick auf die IPO-Aktivitäten des laufenden Quartals mit einer freundlicheren Entwicklung. Am stärksten ist dieser Optimismus bei Emittenten und Investoren.
Allerdings sollte man dabei nicht vergessen, dass das erste Quartal im Kalenderjahr traditionell schwach ist, was Börsengänge angeht. Dies hängt damit zusammen, dass die Unternehmen für einen IPO den Jahresabschluss des vorausgegangenen Kalenderjahrs vorlegen wollen. Sollte es also tatsächlich zu einer Trendwende kommen, würde sich diese wohl erst im zweiten Quartal 2012 bemerkbar machen.
Abbildung 6: Einschätzung der Primärmarktaktivität durch die Marktteilnehmer
Grauer Balken: Emittenten; Schwarzer Balken: Banken; Blauer Balken: Investoren
© 30. Januar. 2012/Christoph Kaserer, TU München