Peeters
17. Juni 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Das Dauer-Thema Griechenland füllt praktisch täglich die Schlagzeilen und hält auch die Finanzmärkte weiter in Atem. Auf der einen Seite sind es die drastischen Bilder über wachsende Unruhen in dem beliebten Urlaubsland, die erschreckend wirken. Zudem ist die finanzielle Lage des hoch verschuldeten Landes schlichtweg desaströs, so dass jedem klar ist, dass es kein „weiter so“ geben kann.
Dabei scheinen die Fronten zwischen allen Beteiligten wie etwa den Geldgebern und dem griechischen Volk als Schuldner zunehmend zu verhärten. Die Spitzenpolitiker des Landes werden dabei regelrecht aufgerieben. Vom Volk ob der Sanierungsmaßnahmen verhasst, von den internationalen Kapitalmärkten in Sorge um das geliehene Geld unter Druck gesetzt. Die Sorgen und Ansprüche aller Beteiligten sind hierbei sicherlich nachvollziehbar, doch ist mit dem Verständnis über die Sachlage das Problem nicht gelöst. Die Gretchenfrage lautet, wer welche Last schultern muss.
Dabei hat die Diskussion, wer welches Opfer erbringen muss, gerade erst begonnen. Und wie es scheint, wird sie von Tag zu Tag komplexer und verzwickter. Denn die Fronten verlaufen nicht eben gradlinig. Zudem gibt es in diesem großen Durcheinander viele potentielle Verlierer, die sich allesamt vehement wehren und dabei indirekt Nachteile der anderen Marktteilnehmer in Kauf nehmen. Somit ist die Anspannung allerorts hoch.
Besonders der Streit um die Höhe der Beteiligung der privaten Gläubiger eskaliert insbesondere innerhalb der EU. Dabei ist es auch hier falsch, von klaren Linien zu sprechen. Es beginnt bei der Definition der „privaten Gläubiger“, sprich der Anleihebesitzer, die einen sogenannten „Haircut“ (Haarschnitt) ihrer Anleihen mitmachen sollen. Diese Gläubiger sind auch zu einem großen Teil staatlich beeinflusste Privatbanken, die EZB selbst oder auch wichtige, große Banken, die „too big to fail“ sind, also schlussendlich doch wieder ein Problem der öffentlichen Haushalte werden.
Jeder weiß um die Logik und Notwendigkeit einer Beteiligung privater Gläubiger, die heutigen Marktpreise griechischer Bonds zeigen dies sehr anschaulich. Im Umkehrschluss gibt es ebenso berechtigte wie ernsthafte Sorgen über weit reichende Konsequenzen solch eines Schritts: Für andere „Wackelstaaten“, für den Euro und für alle die, die Anleihen besitzen, wie etwa Pensionskassen oder auch Versicherungen.
Deshalb ist die momentan favorisierte „entschärfte“ Lösung gemäß der „Wiener Initiative“ die für den Moment beste Lösung im Sinne des kleinsten Übels. Zwar läuft dies aller Logik der Börse, die eigentlich harte, klare Schritte gegenüber einem „Klein-klein“ und weiterer Unsicherheit bevorzugt, zuwider, doch sind die Märkte nach Lehman auch lieber auf der vorsichtigen Seite. Wie immer also auch der „Haircut“ aussieht, er wird nicht radikal. Somit scheinen bildlich gesprochen lange Haare erst einmal en vogue. Zumindest für diesen Sommer. Moden sind ja bekanntlich auch vergänglich.
© 17. Juni 2011/Roger Peeters
*Roger Peeters ist Vorstand der Close Brothers Seydler Research AG, einer Tochter der Frankfurter Wertpapierhandelsbank Close Brothers Seydler Bank. Zuvor leitete Peeters viele Jahre die Redaktion der „Platow Börse“ und beriet den von ihm konzipierten DB Platinum III Platow Fonds. 2008 erschien von ihm ‚Finde die richtige Aktie – ein Profi zeigt seine Methoden‘ im Finanzbuchverlag. Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.
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