Peeters: „Ein Spiel dauert rund 90 Minuten, aber nur beim Fußball“

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30. Juni 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). „Schland, oh Schland“. Seit dem Wochenende rollt das runde Leder und Deutschland erlebt so etwas wie eine abgeschwächte Wiederholung des „Sommermärchens“ von 2006. Mit dem Start der Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft rückt erneut das Gefühl eines positiven Patriotismus in die Wohnzimmer, in denen die Spieler(innen) die Zuschauer im Bewusstsein bestärken, einer starken und erfolgreichen Nation anzugehören. Ob 2006, 2010 oder 2011: Die gemeinsam erlebte Euphorie wird durch gute Leistungen der Kicker(innen) bestärkt, während der massenweise Zuspruch seinerseits den Akteuren auf dem Platz frische Kraft und Selbstbewusstsein verleiht. Eine klassische win-win-Situation.

Sich kurzfristig selbst verstärkende Kreisläufe sind uns vom Börsenparkett her wohl bekannt. Hier heißt es dann: „Die Hausse nährt die Hausse“, aber das Grundprinzip ist dabei das Gleiche. Erlebte Euphorie und erzielte Erfolge sind die Basis für Mut und Zuversicht und neue Investitionen, welche wiederum die Kurse treiben. Das löst wiederum neue Entschlossenheit aus. Und dieser Kreislauf läuft an der Börse seit dem Ende der Finanzkrise. Zwar muss man bei genauer Betrachtung vor allen Dingen in den vergangenen Monaten Abstriche im Sentiment machen, weil zumindest nach außen wenig Euphorie gezeigt wird und sich zudem große Anlegergruppen weiter zurückhaltend zeigen.

Gleichwohl erleben wir einen dynamischen Kreislauf in Kapitalmarkt und Ökonomie, bei der steigende Preise für viele Assets nicht zu einer gebremsten Kauflaune geführt haben, sondern diese eher noch verstärkt haben: Der Haken dabei, was hoffentlich auch ein Unterschied zur Frauen-WM ist: In Börse und Wirtschaft wurde gedopt und das nicht zu knapp. Billiges Geld und Berge von (immer neuen) Schulden waren und sind ganz wesentliche Antreiber des Geschehens. Nicht erst seit der Finanzkrise, aber in diesem Zeitraum noch mal besonders intensiv.

Grundsätzlich sind Doping im Leistungssport und im Wirtschaftskreislauf durchaus vergleichbar. Das Doping wirkt jeweils leistungssteigernd, hat aber neben den direkten Nebenwirkungen den Nachteil, dass es abhängig macht. Von daher gilt gleichermaßen: Man sollte es auch gar nicht erst angefangen.

Der Fußball gilt als ausgesprochen rein, was sicher zu seinem guten Ruf beiträgt. Das Doping im Wirtschaftskreislauf in Form von wachsenden Schulden war hingegen über die vergangenen Jahre und Jahrzehnte ständiger Begleiter des Wirtschaftswachstums. Mal mehr, mal weniger, aber eigentlich immer dabei. Und gerade bei der Bekämpfung von Krisen wird der Geldhahn bis zum Anschlag aufgedreht, wie eingangs erwähnt.

Dabei gibt es neben den bekannten Begleitumständen noch ein besonderes Problem: Es gibt kein vorab erkennbares Ende. Während ein Fußballer oder eine Fußballerin, um bei der eingangs genannten Metapher zu bleiben, sicher weiß, dass ein Spiel nach rund 90 Minuten vorbei ist (genau genommen, ohne Verlängerung und Elfmeterschiessen, wenn der Schiri abpfeift), vollzieht sich das Wirtschaftsgeschehen vermeintlich mit offenem Ende.

Vermeintlich, denn das „Spielende“ in einem Wirtschaftskreislauf ist dann erreicht, wenn gar kein Geld und Vertrauen mehr da ist, etwa weil die Schulden völlig ausgeufert sind und keiner mehr bereit ist, hartes Geld zur Verfügung zu stellen. In Griechenland sah es diese Woche zwischenzeitlich so aus, dass die Gefahr eines plötzlichen und für manche überraschenden Abpfiffs besteht. Nun hat sich das Land in die Verlängerung gerettet und alle atmen auf. Doch es wäre vielleicht sinnvoll, wenn sich hier alle Beteiligten, namentlich Schuldner und Gläubiger, auf einen einvernehmlichen Spielabbruch und Neuanpfiff (beispielsweise über einen „Haircut“ unter strengen Auflagen für den Schuldner) einigen. Denn echte Sieger wird es hier- im Gegensatz zum Fußball nicht geben.

© 30. Juni 2011/Roger Peeters

*Roger Peeters ist Vorstand der Close Brothers Seydler Research AG, einer Tochter der Frankfurter Wertpapierhandelsbank Close Brothers Seydler Bank. Zuvor leitete Peeters viele Jahre die Redaktion der „Platow Börse“ und beriet den von ihm konzipierten DB Platinum III Platow Fonds. 2008 erschien von ihm ‚Finde die richtige Aktie – ein Profi zeigt seine Methoden‘ im Finanzbuchverlag. Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

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