Peeters: „Sell in May oder bereits im April oder besser gar nicht?“

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Peeters

21. April 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die Saisonalität rät dem vorausschauenden Investor zur Vorsicht. In gerade mal zehn Tagen steht der Mai ante portas und im Aktienhandel gilt diese Periode eben nicht als Wonnemonat, zumal in dieser Phase die an Performance schwächere Sommermonate eingeleitet werden. Deshalb lautet die Gretchenfrage in einem jeden Jahr „Sell in May and go away?“. Der Verkauf im Mai mit einem anschließenden Wiedereinstieg im Herbst war in vielen – aber nun auch nicht allen – Jahren eine probate, renditestarke Maßnahme.

Diese immer wieder anzutreffende Saisonalität mit ansteigenden Kursen zu Jahresende und zum Jahresbeginn hat natürlich nichts mit Zufall zu tun, sondern mit nachvollziehbaren Ursachen. Zum Jahresende nutzen Fondsmanager die niedrigen Handelsvolumina, um ihre Performance „aufzuhübschen“ (das sog. „window dressing“), zu Jahresbeginn wirken jährliche Mittelzuflüsse etwa in Pensionskassen stark unterstützend für die Märkte und zum Sommer hin ziehen Anleger auch gerne mal Gelder ab, beispielsweise für den Sommerurlaub. Zudem sind viele institutionelle Akteure ebenfalls urlaubsbedingt nicht am Arbeitsplatz.

Dazu kommt das Phänomen der sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Eben weil viele Investoren um die Schwäche der Sommermonate wissen, ziehen sie sich während dieser Zeit bewusst aus den Märkten zurück und unterstützen somit dieses Phänomen. Diese Eigendynamik geht auch sehr häufig mit einer Vorverlagerung dieser Schwächephase einher. Zu Recht, denn wer Angst vor einem schwachen Mai hat, macht mit einem Rückzug im April sicher nicht allzu viel falsch.

Soweit die grundlegende, saisonale Begründung. Darüber hinaus darf natürlich nicht der Blick auf den fundamentalen Datenkranz fehlen, welcher schlussendlich den entscheidenden Schub geben kann. Hier fällt 2011 die Bestandsaufnahme nicht leicht, denn sowohl die Aktienmärkte als auch die Weltwirtschaft sind an spannenden Punkten angelangt.

Zwar dauert der globale Aufschwung weiter unvermindert an, doch bleibt im Bewusstsein der Anleger verankert, dass die Finanzkrise letztlich nie nachhaltig gelöst, sondern unter einem Berg von Liquidität vergraben wurde. Die Sorge, dass es zu einem neuen Ausbruch kommt ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund zahlreicher mehr oder minder deutlich überschuldeter Staatshaushalte in vielen Industriestaaten durchaus nachvollziehbar. Die Nervosität, die an den Märkten zuletzt etwa beim verschlechterten Rating-Ausblick für die USA oder auch zuvor angesichts neuerlicher Sorgen um europäische Peripheriestaaten aufkam, veranschaulicht dies deutlich.

Doch die Notenbanken stehen vor der Gefahr ja nicht wie das Kaninchen vor der Schlange, sondern steuern mit den bereits erwähnten weit geöffneten Geldschleusen gegen. Für die Akteure auf dem Kapitalmarkt eine zumindest kurzfristig positive Begleiterscheinung. Und auch die hinsichtlich der Geldmengenausweitung wohl kaum zu vermeidenden langfristigen Auswirkungen, vor allem die Rückkehr der Inflation, müssen dem Aktionär nicht schaden. In solch einer kritischen Phase wäre es sicherlich eher unvernünftig, Sachwerten wie etwa Aktien den Rücken zu kehren. Stärkere Inflationierung wiederum führt in Kombination mit einem sehr starken Aufschwung fast schon zwangsläufig zu steigenden Zinsen, welche wiederum die Kapitalmärkte belasten.

Fazit: Dieses Jahr lautet die Frage nicht nur: Welcher Einflussfaktor setzt sich durch, sondern auch was er genau auslöst? Die Gemengelage von Reaktionen und Gegenreaktionen ist unübersichtlich, so dass es sich verbietet, voreilige Rückschlüsse zu ziehen. Zudem sind die Gegenreaktionen in beide Richtungen diesmal so zwangsläufig, was es eher unwahrscheinlich macht, dass die Märkte kollabieren oder auch haussieren. Damit scheint es probat, dass das Exposure erst einmal im Wesentlichen beibehalten wird.

© 21. April 2011/Roger Peeters

*Roger Peeters ist Vorstand der Close Brothers Seydler Research AG, einer Tochter der Frankfurter Wertpapierhandelsbank Close Brothers Seydler Bank. Zuvor leitete Peeters viele Jahre die Redaktion der „Platow Börse“ und beriet den von ihm konzipierten DB Platinum III Platow Fonds. 2008 erschien von ihm ‚Finde die richtige Aktie – ein Profi zeigt seine Methoden‘ im Finanzbuchverlag. Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

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