Peeters: "Die Angst vor der Abschaffung des Bargelds"

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29. Mai. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Es mutet an wie ein typisches „Sommerloch-Thema“, wenn es auch kalendarisch und auch meteorologisch völlig verfrüht erscheint: Der jüngste Hype in der Finanzpresse, aber auch in Medien für breitere Massen über die Thematik einer möglichen, zumindest teilweisen Abschaffung des Bargelds.

Nachdem mehrere Ökonomen das Thema mit einigen provokativen Aussagen angestoßen hatten, war die Reaktion ebenso deutlich wie absehbar: Schnell wurde aufs Tapet gebracht, dass hinter dieser harmlos anmutenden Idee, in der auf den ersten Blick nur ein weiterer Bereich unseres Lebens und unserer Wirtschaft digitalisiert wird, in Wirklichkeit deutlich finstere Absichten stecken. Denn eine teilweise oder auch vollkommende Abschaffung des Bargelds führt zu einem deutlichen Mehr an Transparenz, was das einzelne Individuum mit seinem Geld denn so genau macht, bzw. überhaupt sein Eigen nennt. Darüber hinaus sind alle möglichen Formen der Pauschalbesteuerung auch zur Bewältigung der öffentlichen Schulden, in dieser Konstellation durchaus denk- und umsetzbar.

Dabei liegen hier Licht und Schatten eng beieinander. Denn die von Ökonomen genannte Absicht, illegale Geldströme, etwa aus dem Drogenhandel, somit auszutrocknen und auch die Schwarzarbeit zu bekämpfen ist sowohl moralisch als auch wirtschaftlich ein richtiger Ansatz, über den sich als solchen niemand aufregen wird. Genau so wenig jedoch will ein Großteil des freien und redlichen Bürgertums einen Staat haben, der auf diesem Wege alle Macht und Kenntnis über die Gelder seiner Einwohner hat.

Auch vor dem Hintergrund dieses Spagats ist anzunehmen, dass Bargeld noch länger eine Rolle in der Wirtschaft innehaben wird. Auch wenn etwa in Dänemark der Annahmezwang für Bargeld in Teilen gelockert wird und es in Zypern vor zwei Jahren schon mal den Sündenfall gab, dass der Staat in die Taschen der Sparer griff und diese Enteignung nutzte, um den maroden Bankensektor zu stützen, ist in der Breite noch nicht erkennbar, dass zielgerichtet an einer Abschaffung des Bargelds auf staatliche Initiative hin gearbeitet wird.

Dass es im Zuge des technologischen Fortschritts zu einer Verlagerung auf Online-Zahlungskanäle kommt, steht jedoch außer Frage. Angst könnte hier ein falscher Ratgeber sein und aufhalten lassen sich diese Prozesse wahrscheinlich ohnehin nicht. Wer dennoch voller Angst vor dieser Entwicklung ist, sollte das tun, was auch in Vermögensfragen die beste Vorgehensweise ist: Diversifizieren. Wer Teile seines Vermögens in andere Assetklassen verschiebt, beugt dem Risiko etwa der teilweisen Enteignung von Sichtguthaben vor.

Dies könnte analog der Wirkung von Negativzinsen auch für eine weitere Verlagerung von Vermögen in die Aktien- oder Immobilienmärkte führen und für einen weiteren preislichen Aufwind sorgen. Doch auch hier gilt: Vor Eingriffen durch den Fiskus auch in größerem Umfang ist niemand gefeit und die Rückkehr zum analogen Aktienhandel mit effektiven Stücken wird es sicher nicht mehr geben.

von Roger Peeters, Close Brothers Seydler Research AG
© 29. Mai 2015

Roger Peeters ist Head of Research bei der Oddo Seydler Bank AG, einer 100-prozentige Tochter der unabhängigen Finanzdienstleistungsgruppe Oddo & Cie, Paris. Oddo Seydler und Oddo & Cie beobachten gemeinsam mehr als 400 Aktien, Schwerpunkte sind deutsche und französische Werte. Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

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