Peeters: Die überhaupt nicht fröhliche Sommerreise durch Europa

Peeters
Peeters

14. Juli 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). „Griechenland oder Portugal?“ „Oder vielleicht doch Spanien?“ „Nein, wie wäre es denn mit Italien?“ Irland wäre ja auch eine Idee?“ Unterhaltungen wie diese wären insbesondere zur Sommerzeit bis vor gar nicht mal so langer Zeit mit ziemlicher Sicherheit dem Austausch über das diesjährige Urlaubsziel geschuldet gewesen. Man hätte sich auf Land, Leute und das schöne Wetter gefreut und wäre gleichermaßen gut gelaunt wie erwartungsfroh in die erwählte Region gereist.

Im Jahr 2011 geht es um eine eher virtuelle Reise in die jeweiligen Länder. Und im Gegensatz zum konventionellen Tourismus stehen die Gastgeber der getroffenen Auswahl des jeweiligen Landes skeptisch gegenüber. Konkret geht es um die wechselnde Fokussierung von Baisse-Spekulanten am Anleihemarkt. Geradezu wöchentlich werden im eleganten Doppelpass mit den großen amerikanischen Rating-Agenturen neue Staaten ins Ziel genommen, deren Zahlungsfähigkeit ernsthaft in Frage gestellt wird.

Die Folgen dieser Verunsicherung sind am Anleihemarkt schnell zu erkennen. Die Kurse der Bonds der ins Visier genommenen Länder fallen gehörig, die Renditen (und damit auch die mutmaßlichen Refinanzierungskosten der Staaten) steigen entsprechend. Das Ganze führt wiederum zu neuerlicher Verunsicherung und Skepsis gegenüber dem ins Gerede gekommenen Staat mit entsprechenden Konsequenzen für die Anleihekurse. Ein waschechter Teufelskreis.

Erschreckend ist die Größe der mittlerweile ins Visier genommener Staaten. Länder von der Größenordnung Italiens sind „too big too fail“, aber auch nicht leicht zu „retten“, wenn dazu der Anlass bestehen soll. Somit ist das Thema ernst zu nehmen.

Doch was soll sich ändern? Es ist ja unstrittig so, dass die Anhäufungen von Verschuldungen der meisten gereiften Industriestaaten ganz objektiv hoch und in vielen Fällen auch zu hoch sind. Andererseits sollte diese Erkenntnis im Kapitalmarkt nicht über Nacht gereift sein. Wenn etwa das zuletzt stark ins Visier genommene Italien am Donnerstag bei der jüngsten Auktion von Staatsanleihen über 100 Basispunkte mehr bezahlen muss als bei der vorherigen, dann werden hier aus Stimmungen doch sehr schnell deutliche Fakten geschaffen.

Bei all dieser Verunsicherung, die es am Markt gibt, wirkt die Ferienzeit natürlich wie ein Katalysator. Denn somit fehlen zahlreiche potenzielle Käufer und vor der Abreise eines Portfoliomanagers werden gerne auch noch mal Wackelkandidaten aus dem Depot genommen, auch um die Wahrscheinlichkeit eines ruhigen Urlaubs zu erhöhen. Und Wackelkandidaten gibt es reichlich. Doch es wird nicht reichen, den Herbst und das Ende der Ferienzeit herbei zu sehnen.

Es wird in Europa (aber auch in den USA oder Japan) kein Weg daran vorbei führen, dass die Staaten eher über kurz als über lang endgültig vom Leben auf Pump zu Lasten der kommenden Generationen abkommen. Klare Signale hin zu mehr Solidität nehmen all denen, die nun gegen die Staaten spekulieren am ehesten den Wind aus den Segeln. Unabhängigkeit von Geldgebern hieße auch Unabhängigkeit von den Launen des Kapitalmarkts. Und ganze Staaten sind schlichtweg zu wichtig, um sie den schnellen Meinungsänderungen der Investoren zu opfern.

© 14. Juli 2011/Roger Peeters

*Roger Peeters ist Vorstand der Close Brothers Seydler Research AG, einer Tochter der Frankfurter Wertpapierhandelsbank Close Brothers Seydler Bank. Zuvor leitete Peeters viele Jahre die Redaktion der „Platow Börse“ und beriet den von ihm konzipierten DB Platinum III Platow Fonds. 2008 erschien von ihm ‚Finde die richtige Aktie – ein Profi zeigt seine Methoden‘ im Finanzbuchverlag. Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.