Roth: "Die Kakophonie in der Eurokrise"

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21. Juli 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). In der Musik werden Dissonanzen als kakophon bezeichnet. Als klangliche Unstimmigkeiten und Disharmonie könnte man es umschreiben. In der EU herrscht derzeit eine Kakophonie in der Debatte über die Euro-Rettung. Harmonie und Einigkeit wären aber die Grundlage zum Erfolg.

Die Lage

Der Euro steht aufgrund der Schuldenkrise auf der Kippe. Um den Euro zukunftsfähig zu machen, brauchen wir in der europäischen Führung Einigkeit als Basis zur Rettung. Das permanente übertünchen von Rissen im Eurofundament mit Geldgeschenken aus Rettungsfonds ist nicht vertrauenerweckend und deshalb auch nicht nachhaltig. Was wir brauchen, ist der großer Wurf. Eine tiefgreifende, strukturelle Änderung des Euro und seiner Institutionen. Die ist aber weit und breit nicht in Sicht und die Zerstrittenheit der Euroländer in der Eurokrise lässt das schlimmste befürchten.

Europäische Politiker und Notenbanker streiten seit Monaten heftig über die Schuldenkrise und verunsichern durch unterschiedlichste Aussagen die Finanzmärkte. Diese waren zuvor schon wegen der hohen Staatsschulden besorgt gewesen und werden nun von der politischen Kakophonie zusätzlich verunsichert. Gegenseitige Schuldzuweisungen sind an der Tagesordnung in der europäischen Spitzenpolitik und verdeutlichen, wie zerstritten die EU in der Frage der Verschuldungskrise ist. Nicht mal auf nationaler Ebene sind sich die Parteien einig. Während jüngst Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble noch für eine „Sanfte Umschuldung“ Griechenlands plädierte, sprach sich der damalige Bundeswirtschaftsminister Brüderle bereits für einen „harten Schnitt“ in der Sache aus. So wird das nichts mit der Euro-Rettung.

Zunächst ist es wichtig festzuhalten, dass die Verschuldungskrise der Industriestaaten hausgemacht ist. Es hilft nicht, angloamerikanische Rating Agenturen zu verteufeln, solange wir unsere Aufräumarbeit nicht erledigt haben. Verständlich ist die Kritik an den Bonitätswächtern, aber sie darf nicht über die Ursachen der Eurokrise hinweg täuschen. Denn für eine bitter nötige gesamtheitliche Lösung des Problems bedarf es eines scharfen Blicks auf die ursächlichen Probleme des Euro.

Der Weg

Der Euro war nach seiner Einführung als europäische Einheitswährung – ohne politische Union – davon abhängig, dass eine Synchronisierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Mitgliedsländer folgen würde. Die Unterschiedlichkeit der Volkswirtschaften Europas machte diesen Schritt eigentlich unabdingbar, der jedoch ausblieb. Die Volkswirtschaften drifteten so weiter auseinander und fehlende wirksame Sanktionsmechanismen gegen Schuldensünder ließen einige Länder in die Schuldenfalle tappen. Denn durch die Einführung des Euro sanken die Zinsen für die südlichen Eurostaaten signifikant. Das ließ die Regierungen in Athen, Lissabon und all den anderen Hauptstädten der Peripheriestaaten auf Pump finanzierte Geschenke verteilen. Sie lebten über ihre Verhältnisse und verfrühstückten Geld, das sie nach der Finanz- und Wirtschaftskrise dringend gebraucht hätten. Viele OECD-Staaten waren bereits vor der Krise hoch verschuldet und verschlimmerten ihre Haushaltslage durch teure Banken- und Konjunkturrettungsprogramme. Aber die Krisenländer des Euro traf die Lage besonders hart, denn sie hatten ja bereits alles verspeist und nun nichts mehr zum Stützen der Wirtschaft übrig. Die benötigte Hilfe der reicheren Euroländer war nur über erzwungene Rosskuren im Haushalt zu erhalten. Für Griechenland waren diese Sparpakete der Sargdeckel.

Vernünftige Lösungsansätze in der Krise blieb man uns bisher schuldig. Die alten Verzögerungs- und Ablenkstrategien der Politik haben sich selbst überlebt. Das Spiel mit der Zeit („soll es doch der Nachfolger richten“), die Verdummung der Bürger aus wahltaktischen Erwägungen (die Wahlen in NRW 2008: „Das kostet uns nichts“), die Ablenkmanöver („die Rating Agenturen machen alles kaputt“), die Sparwutstrategie des IWF („die Griechen sind durch das Sparen schneller pleite“) und die sogenannten Rettungsschirme, die gegen Flut nicht schützen. Das alles hilft nicht mehr. Dazu noch die Streitigkeit innerhalb des politischen Establishments Europas und fertig ist das Chaos.

Das Ziel

Mit der Uneinigkeit innerhalb der EU muss Schluss sein. Was der Euro zur Rettung braucht sind klare Beschlüsse. Die strukturellen Wettbewerbsnachteile der Krisenländer müssen ausgeglichen, weitere Refinanzierungshilfen beschlossen und Griechenland muss über eine Entschuldung entlastet werden. Zusätzlich müssen künftig härte Strafen gegen Schuldensünder möglich sein und die Finanz- und Wirtschaftsstrukturen müssen innerhalb Europas deutlich angepasst werden. Wenn das bald schnell und entschieden beschlossen und umgesetzt wird, hat der Euro eine Chance seine Kritiker zu überleben. Das bedingt aber auch ein Ende der Kakophonie in der Europäischen Union.

© 21. Juli 2011/Oliver Roth

* Oliver Roth ist der Kapitalmarktstratege der Close Brothers Seydler Bank AG, ein eigenständiges Tochterunternehmen der an der London Stock Exchange gelisteten Close Brothers Group plc, London. Mehr über Oliver Roth auf www.oliver-roth.de.

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