Roth: "Standortbestimmung"

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Roth

19. Juli 2013. FRANKFURT (Börse Frankfurt). „Nein, so war das mit der Änderung des geldpolitischen Kurses nun auch nicht gemeint“. So oder so ähnlich äußerte sich Notenbank Ched Bernanke und vollzog damit eine Kehrtwende zu seinen Aussagen vor wenigen Wochen. Die Protokolle des letzten FOMC-Meetings zeigen deutlich die Uneinigkeit zwischen den einzelnen Mitgliedern hinsichtlich der zu erwartenden Dynamik der US-Wirtschaft als auch hinsichtlich der möglichen Reduzierung der Anleihekäufe. Selbst wenn das von der Fed selbstgesteckte Ziel einer Arbeitslosenrate von 6,5 bis 7 Prozent erreicht sei, bedeute dies nicht automatisch eine Zinswende. Eine expansive Geldpolitik auf absehbare Zeit sei dann nötig, wenn die Arbeitslosenquote ein zu optimistisches Bild vom Arbeitsmarkt ergebe. Wir halten es dennoch für unwahrscheinlich, dass die Fed eine Änderung ihrer eigenen Zielgröße vornimmt. Wozu auch? Der Reputation der Notenbank täte eine solche Beliebigkeit sicherlich nicht gut, zumal die Daten der Einzelhandelsumsätzen belegen werden, dass der Konsument die US-Wirtschaft weiter antreibt. Es ist deshalb nach wie vor davon auszugehen, dass die Fed ab September ihr Kaufprogramm reduziert und Diskussionen über eine Zinswende erhalten bleiben.

Dennoch ließen Spekulationen auf ein lange währendes Nullzinsniveau in den USA, im Euroraum und in Großbritannien und womöglich noch unterstützt von weiteren Liquiditätsschüben seitens der EZB und der BoE in der vergangenen Woche die Herzen der Aktien- als auch Bondanleger gleichermaßen höher schlagen. Als größter Wochengewinner mit einem Plus von 4 Prozent erwies sich Gold. Das Edelmetall ist stets dann gefragt, wenn Notenbanken eine Liquiditätsrally einläuten. In der Woche wird nur wenig ändern: Positiven Konjunkturdaten aus den USA und Deutschland stehen wohl eher Enttäuschungen aus China – mit dem BIP für Q2 – gegenüber. Erst wenn sich das konjunkturelle Bild der Weltwirtschaft deutlicher zeigt, werden die Notenbanken Farbe bekennen müssen. Bis dahin können die Anleger weiter Rouge et Noir spielen, was für eine Seitwärtsbewegung an den Kapitalmärkten spricht.

Trend

Den Kapitalmärkten etwas ruhigere Wochen bevor. Die Handelsumsätze sinken aufgrund der Urlaubszeit, die Konjunkturaussichten bleiben unklar, die Notenbanken haben gesagt was zu sagen war und damit fehlen Impulse für weitere Kursanstiege. Es herrscht genügend Freiraum für spekulative Ansätze. Damit sollten sich Optimisten und Pessimisten auf hohem Niveau ein Patt leisten. Der Dax wird auch in dieser Woche zwischen 8.030 und 8.330 Punkten verharren. Umsätze bleiben mäßig und die Sommerpause hat uns fest im Griff.

Chart der Woche

Der DAX musste am gestrigen Donnerstag gestern der Serie von zwei Aufwärtsgaps in Folge – bei 8.081/130 Punkten bzw. bei 8.177/78 Punkten – Tribut zollen. Per Saldo ergibt sich auf Tagesbasis ein klassischer „Doji“, in dem sich die Unsicherheit der Marktteilnehmer über das erreichte Niveau widerspiegelt. Ein unmittelbares Durchstarten der deutschen Standardwerte in Richtung des bisherigen Verlaufshochs bei 8.558 Punkten wird somit schwieriger. Dazu trägt auch die „herangereifte Stimmung“ bei, wie sie sich aus der jüngsten Erhebung der American Association of Individual Investors erkennen lässt. So liegt der Bärenanteil der US-amerikanischen Privatanlegern nur noch bei gut 18 Prozent, was durchaus mit einer euphorischen Grundstimmung einhergeht. Darüber hinaus ist der aktuelle Wert deutlich niedriger als Ende Mai, als der S&P 500 in der Folge von 1.687 Punkten bis auf 1.560 Punkte korrigierte. Per Saldo dürfte also auch für den DAX die Luft dünner werden.

Aussichten: Unterstützung bei 8.152,  8.030 und 7.940, Widerstand bei 8.330, 8.450 und 8.557.

© 18. Juli 2013/Oliver Roth

* Oliver Roth ist der Kapitalmarktstratege der Close Brothers Seydler Bank AG, ein eigenständiges Tochterunternehmen der an der London Stock Exchange gelisteten Close Brothers Group plc, London. Mehr über Oliver Roth auf www.oliver-roth.de

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