Roth: Wo bleibt die Jahresendrallye?


Roth

23. Dezember 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Viele Anleger erhoffen sich auch in diesem Jahr zum Jahresende wieder steigende Börsekurse. Die sogenannte Jahresendrallye sorgt in jedem Jahr für Gesprächsstoff bei Börsianern. Nicht immer kommt sie, aber die Hoffnung darauf lässt die Herzen der Investoren höher schlagen. Wie ist die Lage und was spricht für und gegen die Rallye in diesem Jahr?

Die Schuldenkrise schreitet weiter voran, aber langsamer als bisher. Rating Agenturen senken zwar weiterhin fleißig die Aussichten der Euro-Länder, aber das war allgemein erwartet worden und deshalb bereits eingepreist. Die letzten Euro-Anleihen des Jahres konnten erfolgreich am Markt platziert werden und die Renditen der Krisenländer sind zumindest vorübergehend gesunken. Mit den Beschlüssen des jüngsten Euro-Gipfels haben sich die Regierungschefs nochmals Zeit verschafft. Doch die mittelfristig ausgerichteten Maßnahmen müssen nun zügig und möglichst unverwässert erst in Verträge und in dann in nationale Gesetze umgesetzt werden. Das braucht aber weitere Zeit. Diese Zeit werden die verschreckten Anleger der Politik nicht ohne weiteres zugestehen. Die Einführung von EU-Haushaltskontrollmechanismen, die zur Schuldenkonsolidierung führen sollen ist längst genauso überfällig, wie die geplante Fiskalunion der Eurozone. Bevor diese Räder aber ineinander greifen können, werden die Risikoaufschläge für Euroanleihen weiter dramatisch ansteigen, womit die Finanzierung der Staaten in der Zwischenzeit immer teurer wird. An dieser Stelle kommt die EZB ins Spiel. Sie wäre die einzige Instanz die sämtlicher Spekulation ein Ende bereiten und das Vertrauen der Anleger wiederherstellen könnte, in dem sie die Finanzierung der Staatsbudgets vorübergehend sicherstellt. Aber das darf sie laut ihren Statuten nicht. Und so entsteht ein temporäres Vakuum, dass die Finanzmarktstabilität gefährdet. Noch ziert sich die EZB überbrückend zu helfen.

Ein anderes Thema ist die Entwicklung der Weltwirtschaft. Dort lässt die Dynamik weiter nach, aber wichtige Volkswirtschaften wie die USA und Deutschland erweisen sich als robust gegenüber der Abschwächung. Das unterstützt die Finanzmärkte und rettet sie derzeit vor dem Kollaps. Damit entfällt auch der Ausverkauf an den Börsen. Die Märkte hängen zwischen Hoffen und Bangen und diese Hängepartie kann sich noch weit ins nächste Jahr hineinziehen.

Der DAX könnte im Verlauf der nächsten Woche vielleicht nochmals die Marke von 6.100 Punkten überspringen. Zu mehr wird es aber wohl nicht reichen. Deshalb von einer Rallye zu sprechen, erscheint mir etwas übertrieben. Das Windows Dressing der institutionellen Investoren lässt dagegen eher schon Grüßen. Der DAX verlor im laufenden Jahr über 17 Prozent. Selbst wenn noch bis zum Jahresende eine kleine Erholung stattfinden sollte, wird das Jahr 2011 den Anlegern als Krisen- und Chaosjahr in Erinnerung bleiben. Viele sehnen sich daher nach dem Ende des alten und dem Beginn des neuen Jahres. Aber bisher verspricht das neue Jahr keine Besserung. Es wird erst einmal weiter gehen wie bisher. Und Ende 2012 werden dann wieder einige Anleger darauf hoffen, dass eine Rallye im Dezember das bringt, was das Börsenjahr nicht gebracht hat. Gewinne!

© 23. Dezember 2011/Oliver Roth

* Oliver Roth ist der Kapitalmarktstratege der Close Brothers Seydler Bank AG, ein eigenständiges Tochterunternehmen der an der London Stock Exchange gelisteten Close Brothers Group plc, London. Mehr über Oliver Roth auf www.oliver-roth.de

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