Roths Lagebesprechung

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Roth

6. November 2014 FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die Stimmung zur Wirtschaft bleibt schlecht. Das ist insofern bemerkenswert, als dass die reale Lage weltweit viel besser als die Stimmung ist. Die US-Wirtschaft läuft stabil und der Arbeitsmarkt profitierte bisher davon. Positiv ist ebenfalls, dass die Dynamik noch nicht ausreicht, um die Geldpolitik zur Zinswende zu verändern. In Asien läuft die Konjunktur auch gut, wenngleich in China das erklärte Minimumwachstum von 7 Prozent derzeit ausreichen muss.

Diese beiden Säulen der Weltwirtschaft halten die europäische Konjunktur über Wasser. Zu mehr reicht es nicht, aber immerhin. Auch die mittelfristigen Aussichten für die Weltökonomie fallen weiter gut aus.

Die US-Konjunkturindikatoren überraschen immer wieder positiv und verheißen weitere Entspannung am Arbeitsmarkt. So nähert sich die Arbeitslosenquote Vollbeschäftigungswerten, die Beschäftigung steigt im Schnitt um über 200.000 pro Monat und die Stimmung in den USA hellt sich weiter auf, was in Umfragen deutlich zu erkennen ist. So stieg man in den ISM-Umfragen auf ein Zwanzigjahreshoch. Angesichts der im dritten Quartal erneut sehr starken Wirtschaftsdynamik wird das Regierungsziel mit 3 Prozent Wachstum p.a. erneut bestätigt.  

Die Notenbanken stehen nach wie vor im Zentrum des Interesses. Zuletzt beherrschte die Bank of Japan mit ihrer überraschenden Erhöhung der Anleiheaufkäufe die Schlagzeilen. Sie sorgte damit für ein Kursfeuerwerk an der Börse in Tokio. Aber wenn wir ehrlich sind, ist das nur ein Grund zur Freude für die Finanzmärkte. Denn es bedeutet doch lediglich, dass die bisher getätigten gigantischen geldpolitischen Maßnahmen nicht ausgereicht haben, um die Wirtschaft ohne Schwimmflügel im Wasser zu lassen. Was bleibt nun noch an Maßnahmen übrig, fragt man sich?
 
Keine News gab es indes von der Fed. Die US Notenbank lieferte keine Signale für oder gegen eine mögliche Zinswende. Nur das Kaufprogramm wurde, wie erwartet, eingestellt. Die US Renditen kurzfristiger US-Treasuries stiegen daraufhin und der US-Dollar legte spürbar zu. Die Märkte reagierten ganz unterschiedlich darauf. Während langfristige Anleihen kaum reagierten, sprangen die Kurse der Aktienmärkte, nach einer kurzen Verzögerung, deutlich an. Und was macht die EZB? Das werden wir in dieser Woche erfahren.

Die EZB hat nun die Stresstests durchgeführt und die Geschäftsbanken könnten nun durchatmen, hatten diese doch gewaltigen Respekt vor diesem ersten „echten“ Belastungstest der Geschichte. Die Zeit vor dem Test hatten die Banken dazu genutzt, ihre Eigenkapitaldecke zu stärken und „Bilanzrisiken“ loszuwerden. Offensichtlich war man erfolgreich in den Bemühungen.

Wenn gleich auch jeder Test bisher, auch der von der Notenbank durchgeführte, eher wohlwollend vollzogen wurde. Man will ja keine neue Krise in Frankfurt „künstlich“ heraufbeschwören. Weshalb ein Deflationsszenario nicht geprüft wurde. Jetzt hofft die europäische Notenbank auf neue Freizügigkeit im Kreditwesen, galt doch der Stresstest als größte Bremse im Kampf gegen die Deflation. Ergo wird die EZB, außer im Falle der Eskalation des Preisverfalls, erst abwarten, wie sich das Kreditvolumen im „Nach Stresstest“-Europa entwickelt. Vorher sind neue Entscheidungen zum Kaufprogramm nicht zu erwarten.  

Die Europäische Zentralbank steht also im Fokus. Nach all den Ankündigungen der vergangenen Monate wird die Notenbank die Bälle wohl eher flach halten. Weitergehende Maßnahmen werden offen gehalten. Die Auftragseingänge und Industrieproduktion aus Deutschland werden in dieser Woche geliefert und sollen die Sorgen der Anleger weiter vertreiben. Der ISM-Einkaufsmanagerindex wird ebenfalls erwartet. Also bleibt es wie es ist: Konjunktur und Zinsen bestimmen den Markt. Krisen spielen keine größere Rolle.

Der Trend

Die Ampel springt von Grün auf Gelb. Wir müssen uns an die Schwankungen der vergangenen Wochen gewöhnen. Kaufen, wenn die Märkte nervös werden und verkaufen, sobald sie sich wieder beruhigen. Das geschieht jetzt gerade: Der Abwärtstrend wurde ins Umkehrte gedreht, die Marke von 9.150 zurückerobert und gehalten. Diese Marke dient jetzt als Unterstützung. Die Konjunkturdelle wirkt sich dahingehend aus, dass die Unternehmensberichte sehr unterschiedlich ausfallen. Stock-Picking ist deshalb angesagt.

Hauptreiber der Hausse bleiben weiterhin die Notenbanken. Dass sie mit ihrer ultralockeren Geldpolitik in der Realwirtschaft relativ wenig Erfolg erzielen, lässt uns auf Dauer nichts Gutes erahnen. Es drohen weitere ökonomische Verunsicherungen. Trotzdem mittelfristig verheißen niedrige Zinsen weiter viel Freude an der Börse. Die Volatilität bleibt. Die Kursspanne im Dax ist 9.150 bis 9.450 Punkte.

von Oliver Roth, Close Brothers Seydler Bank AG
© 6. November 2014

* Oliver Roth ist der Kapitalmarktstratege der Close Brothers Seydler Bank AG. Mehr über Oliver Roth auf www.oliver-roth.de