Wochenausblick: Risikobereitschaft bleibt hoch

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2. März 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Sowohl Aktien als auch Anleihen stehen derzeit bei Anlegern ganz hoch im Kurs. Der deutsche Leitindex verabschiedete sich ins Wochenende mit einem neuen Rekord auf Schlusskursbasis und startete heute Morgen noch darüber in die neue Handelswoche. Gleichzeitig fiel die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen zeitweise unter 0,3 Prozent.

„Auf Seiten der Aktienmärkte läuft die seit Jahresbeginn ungebremste Bewegung wohl unter dem Stichwort Alternativlosigkeit“, urteilt Claudia Windt von der Helaba. Bei sehr niedriger oder gar negativer Verzinsung führe an Aktien scheinbar kein Weg mehr vorbei. Dabei fehle dem Auftrieb am Markt die fundamentale Unterstützung. Denn die Unternehmensgewinne hüben wie drüben gäben kaum Anlass zur Euphorie.

Solides Fundament

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Halver

Konjunkturell geht es indes größtenteils nach vorn. Steigenden ifo-Geschäftserwartungen folgen mittlerweile harte Fakten. Die Aufträge im deutschen Anlagen- und Maschinenbau legen im Vorjahresvergleich klar zu, wie Robert Halver von der Baader Bank anmerkt. „Die deutsche Industrie profitiert von einer robusten US-Konjunktur und einer stabilen Wirtschaftsentwicklung in Asien.“ Ab März kämen die EZB-Anleiheaufkäufe hinzu. Das reduziere die Zinsattraktivität der Eurozone gegenüber den USA noch stärker. Ein infolge weiter nachgebender Euro komme der hiesigen Exportindustrie zugute.

Anzeichen höherer Inflation

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Für Stefan Mütze deutet übrigens einiges auf eine Wende bei der Inflation im gemeinsamen europäischen Währungsraum. Der Analyst der Helaba erwartet den Tiefpunkt im ersten Vierteljahr 2015. Die derzeit stattfindende wirtschaftliche Besserung und die Normalisierung der Ölnotierungen sprächen für ein Szenario anziehender Produktpreise. „Strukturreformen in einzelnen Ländern wirken zwar preisdämpfend“, meint der Analyst der Helaba. „Trotzdem steigen die europäischen Lohnstückkosten.“

Technik mahnt zur Vorsicht

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Salomon

Charttechnisch könnte die Hausse die Hausse nähren, wie Stefan Salomon in den Raum stellt. „Die Frage ist allerdings, ob der DAX nach einem Zugewinn von über 30 Prozent seit Oktober 2014 und einer bisherigen Jahresperformance von über 16 Prozent noch Kraft nach oben entwickeln kann“, bemerkt der technische Analyst von wallstreet-online.de. Zumal das deutsche Aktienbarometer mit der oberen Begrenzung des jüngsten Hochs vom Freitag ein erstes Kursziel des seit Oktober laufenden Aufwärtstrendkanals erreicht habe.

Allerdings rät Salomon Investoren zu erhöhter Wachsamkeit. Es gebe erste Anzeichen von Euphorie: „Der prozentuale Abstand zwischen dem DAX-Close und der 200-Tagelinie signalisiert mit einem positiven Wert von 16,74 Prozent eine beginnende Übertreibung im Markt.“ Damit steige die Gefahr von Rückschlägen. Bedenklich stimme zudem die Entwicklung der US-Indizes, die in der vergangenen Woche auf der Stelle getreten seien.

„Kräftigere Gewinnmitnahmen dürften im DAX allerdings erst bei einem Fall unter das Tief der Vorwoche bei 11.069 Punkten eintreten und könnten den deutschen Bluechip-Index sodann auch bis 10.800 bzw. 10.700 Punkten führen.“ Hier wäre jedoch aus Sicht von Lunten an den jüngsten Wochenkerzen mit Kaufbereitschaft zu rechnen. Im besten Fall lege der DAX noch zu, wobei jedes weitere Hoch die Bullen bestärke. Unterstützt von Euphorie und Kaufpanik stehe dann die Marke von 12.000 Punkten auf dem Programm.

Wenig Schatten

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Bauer

Für Gregor Bauer stehen derzeit aus technischer Sicht alle Ampeln auf Grün. In der vergangenen Woche habe die Ankündigung weiterer EZB-Geldspritzen in Verbindung mit positiven Konjunkturdaten aus dem Euroraum sowie den USA das deutsche Aktienbarometer auf immer neue Allzeithochs geschoben. „Diese liquiditätsgetriebene Hausse dürfte vorerst weiter gehen, wobei die nächsten Kursziele bei 11.800 bis 12.000 Punkten liegen“, prognostiziert der unabhängige Charttechniker. Damit steige allerdings auch die temporäre Korrekturgefahr. „Immerhin notiert der DAX aktuell rund 17 Prozent über seiner 200-Tage-Linie und hat sich damit bereits bedenklich weit von dieser Marke entfernt.“

Risikofreudige Anleger

Dirk Oppermann von der DZ Bank erkennt in den Charts einen dynamisch intakten Aufwärtstrend. „Dahinter steckt scheinbar der ausgeprägte Anlagenotstand der Investoren, die renditegetrieben gegenwärtig „blind“ versuchen, ihr Risiko im Portfolio zu erhöhen.“ Obwohl mit dem Erreichen der 11.225 Punkte-Marke ein aus kurzfristiger Sicht wichtiges Ziel „abgearbeitet“ worden sei, setzt sich damit ohne ein merkliches „Luftholen“ eine technisch nun aus Oppermanns Sicht nicht mehr „gesunde“ aufwärtsgerichtete Bewegung weiter fort. „Als nächstes sinnvolles Ziel lässt sich im charttechnisch widerstandsfreien Raum das 261,8 Prozent-Fibonacci-Retracement der Gegenbewegung von Anfang Februar bei 11.615 Punkten ableiten.“ 

Die Luft wird dünner

Auch Christian Schmidt ist der Ansicht, dass die Wahrscheinlichkeit einer DAX-Korrektur steigt, auch wenn in jüngster Vergangenheit erkennbare Schwächeanzeichen beim DAX durch anschließende neue Allzeithochs umgehend wieder negiert worden seien. „Einerseits verfügt der deutsche Leitindex zwar über eine relative Stärke, andererseits verläuft der Anstieg aber nicht mehr idealtypisch“, beschreibt der technische Analyst der Helaba die derzeitige Lage. Insgesamt werde die Luft, zumindest temporär, dünner, da die wichtige Projektionszielmarke bei 11.368 Zählern nahezu erreicht wurde. 

Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftsdaten

Montag, 2. März

16.00 Uhr. USA. Einkaufsmanagerindex Verarbeitendes Gewerbe Januar. Das nationale Stimmungsbarometer für das Verarbeitende Gewerbe wird sich nach Einschätzung der Helaba mit 53,5 Punkten tendenziell seitwärts bewegen. Allerdings bringe der seit langem schwelende Streit zwischen Hafenarbeitern und Arbeitgebern Prognose-Unsicherheit. Im Februar sei es an den Containerhäfen der Westküste zu einer mehrtägigen Arbeitsniederlegung eskaliert, bevor ein Kompromiss gefunden werden konnte. Der Stau an Schiffen, deren Ladung nicht gelöscht werden kann bzw. die Anzahl der in den Häfen gelagerten Containern, die nicht verladen werden können, habe im Februar weiter zugenommen. In den Januar-Handelsbilanzen und den Umfragen zur Unternehmensstimmung könne sich der Arbeitskampf widerspiegeln.

Donnerstag, 5. März

8.00 Uhr. Deutschland: Auftragseingänge Industrie Januar. Nach spürbar besserer Stimmung in der Wirtschaft im vergangenen Monat rechnet die HSBC mit einem Anstieg der Auftragsentwicklung innerhalb der Industrie in Höhe von 0,5 Prozent auf Monatsbasis, während der Konsens bei einem Minus von 0,9 Prozent liege. Zwar habe der Einkaufsmanagerindex (PMI) für das Verarbeitende Gewerbe im Februar leicht nachgegeben, der Wert bewege sich mit 52,0 Punkten aber immer noch oberhalb der Wachstumsschwelle. Für die am Freitag zur Veröffentlichung anstehende Industrieproduktion erwarten die HSBC Analysten ebenfalls einen Anstieg um solide 0,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat.

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von Iris Merker, Deutsche Börse AG

© 2. März 2015