Wochenausblick: Und ewig grüßt das Murmeltier

2+haendler+screens+telefon+188x80.jpg

21. September 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Ist die ganze Diskussion über die Zinswende eine Farce? „Mit jeder halbseiden begründeten Verschiebung seitens der Notenbank laufen mehr Marktteilnehmer ins Lager derer über, die nicht daran glauben, dass Janet Yellen die Leitzinsen in absehbarer Zeit überhaupt erhöhen kann oder will“, beschreibt Patrick Franke von der Helaba. Darunter leide die bereits beschädigte Glaubwürdigkeit und Transparenz der Federal Reserve noch mehr. „Der Verweis auf die angeblich gestrafften finanziellen Bedingungen durch die Aktienmarktschwäche ist angesichts des Umfangs der „Straffung“ lächerlich“, urteilt der Analyst.

Für Folker Hellmeyer weist die aktuelle Offenmarktausschuss-Sitzung gar Merkmale auf, die auf einen Einstieg in den Ausstieg aus einer nachhaltigen Zinswende deuten. „Hinsichtlich der strukturellen Defizite in den USA ist es zunehmend unwahrscheinlich, dass die Konjunkturerwartungen des Gremiums voll erfüllt werden“, meint der Analyst der Bremer Landesbank.

Aufgeschoben, aber nicht aufgehoben

hellmeyer+folker+120x125.jpg
Hellmeyer

An den Kapitalmärkten hielt sich indes die Euphorie über die verschobene Zinswende in Grenzen: Moderate Kursgewinne der Renten, Verluste auf der Aktienseite sowie beim US-Dollar, wie seine Kollegin Claudia Windt zusammenfasst. Der DAX rutschte am Freitag erneut unter die Marke von 10.000 Punkten und verabschiedete sich mit einem Stand von 9.916 Zählern ins Wochenende.

„Nach über einem Jahr der verbalen Vorbereitung hätten es die Kapitalmarktakteure einfach gerne hinter sich gebracht.“ Nun aber würden Ratlosigkeit und Rätselraten auch die kommenden Monate begleiten. Die Analystin geht davon aus, dass aufgeschoben nicht aufgehoben ist und der Zinsschritt vermutlich im Dezember folge. Neben dem anhaltend robusten Arbeitsmarkt stütze der voraussichtliche Inflationssprung Richtung 2 Prozent zum Jahreswechsel diese Annahme.

Zinsschritt für Schwellenländer unerwünscht

halver+robert+120x125.jpg
Halver

Im Oktober oder Dezember die Zinsen zu erhöhen, um sich wieder vor aller Welt zum Herrn des Verfahrens zu machen, ist nach Auffassung von Robert Halver von der Baader Bank aber auch gefährlich. „Der Zins-Schuss könnte sozusagen nach hinten losgehen.“ Wenn die verabreichten Beruhigungspillen nicht wirken, erschüttere dies womöglich Asien und Lateinamerika. Mit dem dann stattfindenden Kapitalabfluss steige die Gefahr, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Damit zersetzte man die Wehrkraft einer fundamental immer noch soliden volkswirtschaftlichen Lage durch die Hintertür.

Denn asiatische und lateinamerikanische Staaten würden aller Voraussicht nach mit Zinserhöhungen folgen, um die eigene Währung zu stärken und das Kapital im Land zu halten. „Leider zerstört diese Geldpolitik aber auch Wirtschaftspotenzial im Inland und macht die bereits bestehenden Kreditblasen immer unbeherrschbarer“, befürchtet Halver. Dieser „Fed-Zinskopplungseffekt“ –  die US-amerikanische Notenbank prescht mit Zinserhöhungen vor und die anderen folgen – sei in der Vergangenheit regelmäßig aufgetreten. „Selbst wenn der Zusammenhang heute nicht mehr so fest ist wie früher, findet er dennoch grundsätzlich statt.“

Anleger brauchen Geduld

bauer+g+120x125.jpg
Bauer

„Der steigende US-Dollar würde zudem die Schuldenlast der Schwellenländer weiter erhöhen“, ergänzt Gregor Bauer. An diesem Szenario hätten die USA vermutlich kein Interesse. Für den unabhängigen technischen Analysten kam die Fed-Entscheidung selbst nicht überraschend, wohl aber die Begründung, die am Freitag fast panikartige Aktienverkäufe ausgelöst habe. Nach dem Rutsch unter die psychologisch wichtige Marke von 10.000 Punkten könnte der deutsche Aktienindex Bauer zufolge in dieser Woche mit einem Test des Bereichs um 9.650  bis etwa 9.500 Punkte einen Doppelboden ausbilden. „Hält dieser, liegt das Kursziel aus technischer Perspektive zunächst bei 10.500 Zählern.“ Steige der DAX zum Wochenauftakt direkt an, rät Bauer dazu, das Überwinden der massiven Widerstandszone zwischen etwa 10.300 und 10.400 Punkten abwarten.

Laues Lüftchen oder Tsunami?

geyer+christoph+120x125.jpg
Geyer

Nach Auffassung von Christoph Geyer hatte der Wochenausklang an den internationalen Märkten bedenkliche Züge. „Zum Teil wurden Formationen bereits nach unten aufgelöst“, beobachtet der technische Analyst der Commerzbank. Andere Märkte stünden kurz davor. „Übergeordnet sind die Trends abwärts gerichtet, und die Tiefs vom August können durchaus noch einmal erreicht werden.“ Damit stehe eine Ausverkaufssituation im Raum, die als Basis für eine Jahresendrallye herhalten könne.

„Das deutsche Aktienbarometer hat den Ausbruch aus der Aufwärtskeilformation bereits vollzogen und weiteres Abwärtspotenzial eröffnet.“ Geyer sieht die hohen DAX-Umsätze allerdings auch im Zusammenhang mit dem großen Verfallstag von Optionen und Futures am Freitag.  Trotzdem habe sich die technische Lage verschlechtert. „Der MACD-Indikator steht kurz vor einem Verkaufssignal.“ Das bringe unter Umständen zusätzlichen Druck bis in die Region um 9.400 Punkte.

Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftsdaten

Mittwoch, 23. September

10.00 Uhr. Euroraum: PMI Einkaufsmanagerindizes September. Nach den jüngsten Revisionen für die Wachstumszahlen war das zweite Quartal im Euroraum laut DekaBank das erste seit Ende 2006, in dem alle Länder der Währungsunion gewachsen sind. Die Einkaufsmanagerindizes würden auch für das dritte Quartal voraussichtlich ein klares Wachstumssignal senden. Die Turbulenzen an den Finanzmärkten insbesondere in China und zahlreiche negative Wirtschaftsmeldungen aus den Schwellenländern verhinderten aber eine weitere Stimmungsverbesserung bei den Unternehmen.

Donnerstag, 24. September

10.00 Uhr. Deutschland: ifo Geschäftsklimaindex September. Bislang haben auch hiesige Unternehmen der DekaBank zufolge sehr besonnen auf die Entwicklungen in den Schwellenländern reagiert. Das bleibe voraussichtlich auch im September der Fall.  Angesichts einer robusten Binnenkonjunktur erwarten die DekaBank-Analysten nur mäßige Bremseffekte und eine weitgehend stabile Lageeinschätzung für die deutsche Wirtschaft. Die Exporterwartungen und mit ihnen die Geschäftserwartungen dürften aber weiter sinken, allerdings in einem gemäßigten Tempo.

Alle relevanten Termine sowie die aktuellen Daten kurz nach ihrer Veröffentlichung

Möchten Sie den Wochenausblick kostenlos per E-Mail erhalten, dann melden Sie sich an auf boerse-frankfurt.de/newsletter.

Von Iris Merker, Deutsche Börse AG

© 21. September 2015