Anleihen: Geldpolitik bewegt die Gemüter

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23. Oktober 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Zentralbanken stellen in dieser Woche einmal mehr die Konjunkturdaten in den Schatten. Die EZB-Aussage, je nach Bedarf das laufende Anleihen-Kaufprogramm verlängern, die monatlichen Volumina erhöhen oder den Einlagenzins weiter absenken zu können, beflügelte sowohl den Renten- als auch Aktienmarkt. Gleichzeitig verlor der Euro gegenüber dem US-Dollar deutlich an Kraft. „Die Notenbank-Junkies leben wieder auf“, urteilt Arthur Brunner. „Mal sehen, wie lange das anhält.“ Für den Händler der ICF Bank gab es eigentlich keinen Grund für die jüngste verbale Aufrüstung der europäischen Währungshüter. Damit übe man nur Druck auf andere Währungen aus.

EZB auf dem Holzweg?

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Brunner

Nach Auffassung von Gregor Daniel unterstützt die Politik des ultralockeren Geldes auch nicht bei der Erreichung des angestrebten Inflationsziels von zwei Prozent. „Japan ist der Beweis dafür, dass es nicht funktioniert“, gibt der Händler der Walter Ludwig Wertpapierhandelsgesellschaft zu Bedenken.

„Ist die Europäische Zentralbank am Ende ein zahnloser Tiger?“, fragt sich auch Klaus Stopp von der Baader Bank. Sämtliche von den Notenbankern in den vergangen Jahren aufgefahrenen Geschütze hätten sich als wenig wirkungsvoll erwiesen. „So scheint es mit dem laufenden Ankaufprogramm für Staatsanleihen auch wieder zu sein.“ Denn trotz „Dicker Berta“ sei die Teuerungsrate von 3 Prozent im September 2011 auf 0,1 Prozent im September 2015 gesunken. In dieser Phase habe die EZB den Leitzins von 1,25 auf 0,05 Prozent gedrückt und den Einlagensatz von 0,50 auf minus 0,20 Prozent gesenkt.

Wettlauf der Währungen mit offenem Ausgang

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Daniel

Andere Staaten würden zudem einem billiger werdenden Euro nicht tatenlos zusehen. „Zu unterschiedlich sind die geldpolitischen Pläne der wichtigen Notenbanken“, äußert Stopp. Während die Federal Reserve noch über den richtigen Zeitpunkt einer ersten Zinserhöhung debattiere, denke die Bank of Japan nach schwachen Konjunkturzahlen erneut über flankierende Maßnahmen zur Bekämpfung der fehlenden Nachfrage aus dem Ausland nach. Ein schwächerer Yen oder neue Konjunkturhilfsprogramme stünden im Raum.

Auch die schweizerische, die chinesische und nicht zuletzt die englische Notenbank versuche, mit ihrer Geldpolitik den Interessen der eigenen Bevölkerung gerecht zu werden. „Dadurch sind Konflikte vorprogrammiert und die Vorteile zeitlich begrenzt.“ Am Ende spiele also jeder gegen jeden und es könne  was die Sache nicht leichter mache – nur einen Gewinner geben.

Dürftige Erholung im Euroraum

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Stopp

Das deutsche Rentenbarometer spiegelt die wechselnde Anlegerstimmung im Wochenverlauf wider, wie Sabine Tillmann von der Hellwig Wertpapierhandelsbank nachvollzieht. Nach einem ruhigen Start und leichten Verlusten am Montag habe der Euro-Bund-Future am Dienstag aufgrund einer Lockerung der Standards für Unternehmenskredite und einem deutlichen Anstieg der Kreditnachfrage zugelegt. „Dies schwächte zunächst die Hoffnung auf zusätzliche geldpolitische Lockerung“, beobachtet die Händlerin der Hellwig Wertpapierhandelsbank.

Das aus Sicht von Robert Halver nur leicht positive Kreditwachstum stuft der Analyst der Baader Bank allerdings bestenfalls als Basiseffekt auf die katastrophale Kreditsituation im vergangenen Jahr ein. „Eine nachhaltige Wirtschaftserholung in der Eurozone ist damit definitiv nicht verbunden.“ Damit sei auch die konjunkturelle Stabilisierung der Euroländer noch nicht vollzogen. „Die Banken horten nach wie vor viel zu viel Zentralbankgeld, anstatt es in Form von Krediten auszuleihen.“

Bundesanleihen beliebt

Ein schwacher chinesischer Aktienmarkt hätte bereits am Mittwoch die Nachfrage nach Bundesanleihen verstärkt. „Wobei ein rückläufiger Ölpreis für zusätzlichen Auftrieb sorgte“, meint Tillmann. Mittlerweile steht der Indikator für die weitere Zinsentwicklung bei 157,40 Punkten. Damit rutscht die Rendite für zehnjährige deutsche Staatsanleihen unter 0,5 Prozent.

Unternehmensanleihen in Bewegung

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Halver

Den Handel mit Unternehmensanleihen beschreibt Daniel als eher ruhig. Anleger trennten sich beispielsweise in Summe von einer im April 2022 fälligen Stada-Anleihe (WKN A14KJP) mit einem Kupon von 1,75 Prozent. „Unternehmensmeldungen über den Generikakonzern aus Bad Vilbel scheint es nicht zu geben.“ Seit Montag hat der Kurs des Stada-Bonds von 99,54 auf zunächst 99 Prozent nachgegeben. Mittlerweile sind die Verluste aber wieder ausgeglichen.

Nach der Einigung über die Zukunft der HSH Nordbank mit der EU-Kommission über den Ankauf notleidende Kredite im Wert von 6,2 Milliarden Euro durch die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein landeten Anleihen der Bank (WKNs HSH2H1, HSH2H2, 542696) tendenziell in den Anlegerdepots. „Mittlerweile ist das Interesse wieder abgeebbt“, meldet Daniel.

Brunner spricht von anhaltender Nachfrage an einer Hybridanleihe von VW (WKN A1ZE21) mit einem Kupon von 4,625 Prozent. Im Wochenvergleich hat sich der Bond von 88,21 auf 91,96 Prozent berappelt. „Anleger gehen offenbar davon aus, dass die Verfehlungen von VW in der Abgasaffäre nun offen liegen und der Autobauer die Probleme in den Griff bekommt.“

Neuemission von Joh. Friedrichs Behrens AG

Seit dem 12. Oktober können Anleger eine fünfjährige Anleihe der Joh. Friedrichs Behrens AG (WKN A161Y5) mit einem Kupon von 7,75 Prozent über die Börse Frankfurt zeichnen. Der Produzent von Werkzeugmaschinen plant die Aufnahme von bis zu 25 Millionen Euro in einer Stückelung von 1.000 Euro über den Kapitalmarkt. Die Mittel werden nach Angaben des Spezialisten von industriellen Befestigungssystemen für Holz und holzähnliche Werkstoffe überwiegend für die Anschlussfinanzierung eines auslaufenden Darlehens und einer im kommenden März zur Rückzahlung anstehenden Anleihe eingesetzt.

Von Iris Merker, Deutsche Börse AG
© 23. Oktober 2015