Anleihen: Wie paralysiert

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26. Juni 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Immer noch steht die Einigung im Schuldenstreit mit Griechenland aus. „Je nach Nachrichtenlage geht es bei den Anleihen hoch oder runter“, meldet Arthur Brunner von der ICF Bank. Die Umsätze seien aber dünn, niemand wolle sich aus dem Fenster lehnen. Sabine Tillmann von der Hellwig Wertpapierhandelsbank spricht von einem „Nachrichtenhickhack.“ „Widersprüchliche Informationen zum Thema sind fast schon an der Tagesordnung.“ Bei geringen Umsätzen blieben die Märkte nervös. Von anhaltenden Abgaben griechischer Anleihen berichtet Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsgesellschaft. „Das übrige Geschäft ist wie gelähmt.“

Die am vergangenen Wochenende vorgelegte Reformliste der Griechen war ursprünglich gut angekommen, zu Anfang der Woche ging es an den Börsen daher kräftig nach oben. „Staatsanleihen gerieten ins Hintertreffen, besonders die Anleihen des Bundes mit langer Laufzeit“, schildert Tillmann die Lage. „Der Euro-Bund-Future büßte am Montag 176 Stellen ein.“ In die andere Richtung ging es dann am Mittwoch, als bekannt wurde, dass die Gläubiger die neuen Sparvorschläge so nicht akzeptieren können.

Im Wochenvergleich bleibt ein Minus beim Euro-Bund-Future: Am Freitagmittag notiert der Indikator für die langfristigen Zinserwartungen bei 150,94 Prozent nach 152,18 am vergangenen Freitag. Zehnjährige Bundesanleihen werfen 0,85 Prozent nach 0,76 Prozent vor einer Woche.

Wieder ein Countdown

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Daniel

Ewig kann es mit dem Gezerre um die Schulden nicht weiter gehen. „Beschleunigt werden könnte der Entscheidungsprozess – in die eine oder andere Richtung – durch die massiven Abflüsse aus dem Bankensektor, der Einlagenabzüge von schätzungsweise 1 Milliarde Euro pro Tag in den letzten fünf bis sechs Tagen verzeichnet haben soll“, berichtet die HSH Nordbank. Die EZB habe die dadurch entstehenden Bilanzlöcher durch die laufende Erhöhung der ELA-Notkredite gestopft. Zudem müsse Griechenland am 30. Juni, also am kommenden Dienstag, Farbe bekennen. „Dann müssen 1,6 Milliarden Euro an den IWF gezahlt werden.“ Am 20. Juli sind weitere 3,5 Milliarden Euro bei der EZB fällig. „Im Fall der Nicht-Bedienung der Schulden wird die EZB kaum bereit sein, die ELA-Kredite weiter zu erhöhen. Es käme zum faktischen Grexit.“

Renditeaufschläge schrumpfen

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Brunner

Anleihen der Peripheriestaaten halten sich Brunner zufolge gut, etwa spanische Papiere. „Die Spreads gingen zurück.“ Auch der Helaba zufolge hat selbst die Tatsache, dass das Eurogruppen-Treffen am Mittwochabend erneut ohne Resultate beendet wurde, für keine nennenswerten Verstimmungen unter den Marktteilnehmern gesorgt. „Offenbar ist die Hoffnung weiterhin groß, dass vor dem Stichtag am 30. Juni noch eine Einigung getroffen werden kann“, erklären Viola Julien und Ulrich Wortberg.

USA: baldige Zinswende

In den USA wird eine Zinserhöhung im September unterdessen immer wahrscheinlicher. „Darauf deuten die jüngste Äußerung von Fed-Mitglied Powell und aktuelle Konjunkturdaten hin“, erklärt Brunner. Etwa habe sich die Kernrate der Auftragseingänge für langlebige Wirtschaftsgüter besser als erwartet entwickelt – ein Zeichen für eine robuste Wirtschaft. Jerome Powell, Mitglied im Bundesbankrat der Federal Reserve, hatte zudem am Dienstag geäußert, dass es mit einer fünfzigprozentigen Wahrscheinlichkeit eine Zinserhöhung im September geben werde und er außerdem mit einer zweiten Erhöhung im Dezember rechne.

Kaum Neuemissionen

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Stopp

Unternehmen halten sich angesichts des unsicheren Umfelds mit neuen Anleihen zurück. „In der vergangenen Woche glich der Neuemissionsmarkt bei den Unternehmensanleihen den Wasservorkommen in der Sahara während der Trockenzeit“, kommentiert Klaus Stopp von der Baader Bank.

Der US-Lebensmittelkonzern HJ Heinz, bekannt vor allem für seinen Ketchup, kam mit einer bis 2023 laufenden Euro-Anleihe mit Kupon von 2 Prozent (WKN A1Z3Q8) auf den Markt, die Stückelung liegt allerdings bei 100.000 Euro. „Laut Börsen-Zeitung werden mittlerweile 80 Prozent der Unternehmensanleihen mit einer Stückelung von mindestens 100.000 Euro begeben“, bemerkt Brunner. „Dann entfällt die Prospektpflicht, und die Unternehmen sind im Moment auf die Kleinanleger nicht angewiesen.“

Eine kleinere Stückelung bieten die ebenfalls neuen Anleihen von Heinz in US-Dollar, von denen Tillmann berichtet: Die eine läuft bis 2045 bei einem Kupon von 5,2 Prozent (WKN A1Z3PC), die zweite bis 2018 bei 2 Prozent (WKN A1Z3PD) und die dritte bis 2017 bei 1,6 Prozent (WKN A1Z3PH). Die Mindestanlagesumme liegt bei 2.000 US-Dollar.

von Anna-Maria Borse, Deutsche Börse AG
© 26. Juni 2015