Auslandsaktien: Indien geht kleinen Schritten voran

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21. Mai 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Nach rund einem Jahr an der Regierung hat Indiens Staatschef Narendra Modi erste Reformen auf den Weg gebracht, um die Wirtschaft des Landes voranzubringen. Die Rahmenbedingungen für ausländische Investitionen wurden gelockert, Unternehmenssteuern gesenkt, ein einheitliches Mehrwertsteuersystem vorbereitet und erhebliche Infrastrukturmaßnahmen angekündigt. Letzeres sei Voraussetzung für die Stärkung Indiens als Industriestandort. „Finanzinvestoren scheinen von den bisherigen Schritten überzeugt“, meint Roland Stadler von der Baader Bank, auch wenn strukturelle Maßnahmen erst langfristig griffen. Der indische Leitindex Sensex hat seit Modis Amtsantritt von 24.000 auf 28.000 Punkte gewonnen, stand in der Spitze allerdings bereits bei rund 30.000 Punkten.

Der Premierminister ziele auf eine Steigerung des industriellen Anteils am indischen Bruttoinlandsprodukt von derzeit 15 auf 25 Prozent innerhalb der kommenden zehn Jahre. „Finanziert werden soll das Vorhaben mit Hilfe von ausländischem Kapital.“ In Ländern wie Frankreich, Deutschland und Kanada rührt der Staatschef bereits erfolgreich die Werbetrommel für intensivere Handelsbeziehungen. Von Frankreich gebe es Investitionszusagen in Höhe von zwei Milliarden Euro und mit Kanada stehe ein Vertrag zur Lieferung von Urankonzentrat. Anlässlich des geplanten Merkel-Besuchs in Indien werde die deutsche Wirtschaft im Oktober vermutlich mit Zusagen in Milliardenhöhe folgen.

Technik aus China

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Stadler

Mit diversen Abkommen in der Tasche beendet Modi auch seinen ersten Besuch in China. Das Land wolle sich an Projekten aus den Bereichen Bahn, Raumfahrt und Bergbau ebenso beteiligen wie an Konzepten für erneuerbare Energien, Industrieparks, Stahl, Medien und Unterhaltung.

„Trotz historisch schwierigem Verhältnis der beiden Staaten umfasst das Gesamtvolumen dieser Verträge immerhin 22 Milliarden US-Dollar“, weiß Walter Vorhauser von Oddlo Seydler. Seit dem Krieg im Jahr 1962 sei das Miteinander durch einen Grenzkonflikt belastet.

ICICI nimmt Hürde nach China

Dass sich zwischen Indien und China etwas bewegt, demonstriert die indische ICICI Bank (WKN 936793). „ICICI hat in der vergangenen Woche die erste eigene Filiale in Shanghai eröffnet“, berichtet Vorhauser. Insgesamt seien 26 Geschäftsstellen in China geplant. Im Heimatland überzeuge die größte indische Privatbank mit innovativen Produkten wie Pocket. „Pocket ist eine App-basierte digitale Geldbörse, die über google play heruntergeladen wird.“ Mit der Installation erhielten Kunden eine virtuelle Visakarte, die für Zahlungen jeder Art genutzt werden könne. Auch Verbraucher, die kein Konto bei der Bank haben, könnten Pocket nutzen.

Der Aktienkurs des Unternehmens hat in den vergangenen zwölf Monaten von 7,40 auf 9,34 Euro hinzugewonnen. „Dem derzeitigen Sog an den internationalen Aktienmärkten konnte sich der Wert allerdings nicht entziehen.“ Vom Hoch bei 11,40 Euro in diesem Jahr hat sich die Aktie wieder entfernt. Vorhauser geht davon aus, dass der Kurs der Aktie mittelfristig wieder gen Norden wandert. „Für die Kapitalmärkte beschreitet Indien den richtigen Weg.“

Wipro baut auf künstliche Intelligenz

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Vorhauser

Immerhin ein leichtes Plus von 9 auf 10,40 Euro gibt es seit Januar für das Wertpapier des indischen IT-Dienstleisters Wipro (WKN 578886). In der Spitze notierte die Aktie bei 12,80 Euro. Als Teil einer massiven Restrukturierung konzentriere Wipro seine Forschung und Entwicklung nun auf zukunftsweisende New Age-Technologien zur Verbesserung der Interaktion zwischen Mensch und Maschine. „Wipro plant eine Offensive in den Bereichen Robotics, Drohnen und Automation in Fabriken als auch Zuhause“, registriert Vorhauser. Mit digitalen Produkten der neuen Generation wolle der Konzern in den kommenden drei Jahren rund eine Milliarde US-Dollar umsetzen. Zudem würden Innovationszentren nahe den wichtigsten Kunden in Europa und den USA errichtet. „Gleichzeitig tritt das Wipro-Management auf die Kostenbremse, um jährlich 300 Millionen US-Dollar einzusparen.“

Schwellenländeraktien noch im Abseits

Bei den Aktien von indischen Großkonzernen wie Tata Motors (WKN A0DJ9M) hat sich seit Jahresbeginn wenig getan. Die Aktie tritt um die 36 Euro mehr oder weniger auf der Stelle. Ebenso bewege sich die Aktie der State Bank of India (WKN 903136) nach wie vor um 40 Euro. Dem Mischkonzern Reliance (WKN 884241) gelang im selben Zeitraum immerhin ein kleines Plus von rund 23 auf 25 Euro pro Aktie. „Das Interesse an Unternehmen aus Schwellenländern hat seit der Rallye an den westlichen Märkten spürbar nachgelassen“, begründet Stadler. Dieses Blatt werde sich beizeiten wieder wenden.

Indische Aktien werden in Europa übrigens nicht direkt gehandelt, sondern als ADR. Diese so genannten American Depositary Receipts sind von US-amerikanischen Banken ausgegebene Hinterlegungsscheine, die das Eigentum an den Aktien verbriefen. Abgesehen vom Stimmrecht haben ADR-Besitzer die gleichen Rechte wie Aktieninhaber.

von Iris Merker, Deutsche Börse AG
© 21. Mai 2015