Auslandsaktien: Leiden unter Ölpreisverfall

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6. November 2014. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Autofahrer haben es längst bemerkt, und wer vor dem Winter noch Heizöl ordern muss, wird sich ebenfalls freuen: Öl wird immer billiger. Ein Barrel Rohöl der Nordseesorte Brent, für das im Juni noch über 115 US-Dollar bezahlt werden mussten, kostet aktuell nur noch knapp 83 US-Dollar – so wenig wie zuletzt vor vier Jahren. Ähnlich sieht es aus bei der US-Leitsorte WTI, die nur noch bei 78,58 US-Dollar notiert nach 107 im Juni.

„Auf der Nachfrageseite macht sich das rückläufige Wachstum in China und die Schwäche Europas bemerkbar“, erklärt Jan Vrbsky von der Baader Bank. Auf der Angebotsseite habe sich durch die boomende Schieferölförderung in den USA, die anhaltend hohe Produktion Saudi-Arabiens und ausbleibende Produktionsausfälle im Nahen Osten ein deutliches Überangebot entwickelt.

Branchenindex seit Juni 17 Prozent im Minus

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Vrbsky

Am Markt wird davon ausgegangen, dass die USA 2015 rund 12 Millionen Barrel pro Tag produzieren werden, damit wären sie dann größter Ölförderer der Welt. Vrbsky zufolge nimmt Saudi-Arabien Preisrückgänge in Kauf, um Marktanteile zu halten – und um Firmen in den USA, die zu viel höheren Kosten produzieren, aus dem Markt zu drängen.

Es kursieren aber auch Verschwörungstheorien derart, dass die USA und Saudi-Arabien den Ölpreisabsturz bewusst herbeigeführt haben, um das stark vom Öl abhängige Russland zu schwächen. So oder so: Der niedrige Ölpreis hat Folgen für Unternehmen der Öl- und Gasindustrie: Der europäische Branchenindex Stoxx Europe 600 Oil & Gas, der die Entwicklung der 33 größten Öl- und Gaskonzerne Europas widergibt, ist seit Juni um 17 Prozent gefallen. 

ExxonMobile-Aktien noch in der Gewinnzone

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Vorhauser

Bislang noch recht gut gefahren sind Aktionäre des US-Mineralölkonzerns ExxonMobile. Der Kurs ging zwar von Juli bis Oktober kräftig zurück, machte dann aber wieder einen Satz nach oben. „Trotz Ölpreiseinbruch konnte ExxonMobil seinen Gewinn von Juli bis Ende September um 3 Prozent steigern“, berichtet Walter Vorhauser von Close Brothers Seydler.

Der Konzern profitierte von Zuwächsen im Raffinerie- und Chemiegeschäft. „Allerdings musste wegen der Sanktionen der USA gegen Russland die Partnerschaft mit dem russischen Ölförderer Rosneft auf Eis gelegt werden.“ Gut an kam aber, dass ExxonMobil sich nun nach neuen Fördermöglichkeiten umsehen will. Aktuell wird die Aktie an der Börse Frankfurt (WKN 852549) zu 76 Euro gehandelt, das ergibt seit Jahresanfang immer noch ein Plus von 3,3 Prozent.

Chevron schlägt sich wacker

Vrbsky macht darauf aufmerksam, dass Ölkonzerne, die vor allem im Raffineriegeschäft tätig sind, vom Preisdruck weniger betroffen sind. „Dies gilt auch für Chevron“, bemerkt der Händler. Die Nummer 2 im US-Markt konnte ihren Gewinn im abgelaufenen Quartal ebenfalls überraschend deutlich steigern. Während die Förderung weniger abwarf, lief es dafür im Raffinerie- und Tankstellengeschäft um so besser. „In der Raffineriesparte verdreifachte sich der Gewinn.“ Die Aktie (WKN 852552) verteuerte sich wieder, seit Jahresanfang ist an der Börse Frankfurt zumindest ein kleines Plus zu verzeichnen.

Total, Statoil, BP schon unter Druck

Andere Adressen aus der Branche haben aber bereits jetzt zu kämpfen: So meldeten das französische Mineralölunternehmen Total und der norwegische Statoil-Konzern vergangene Woche für das dritte Quartal rückläufige Gewinne und Umsätze. Statoil rutschte sogar zum ersten Mal seit 2001 wieder in die roten Zahlen. Der britische Ölkonzern BP hat ebenfalls einen Gewinnrückgang verzeichnet – wegen des Ölpreisverfalls und des schwachen Rubels. Total (WKN 850727) hat an der Börse Frankfurt in den vergangenen drei Monaten 3,9 Prozent an Wert verloren, BP (WKN 850517) 6,7 Prozent und Statoil (WKN 675213) sogar 17,5 Prozent.

Petrochina mit Plus von 20 Prozent

Auch Chinas größter Ölkonzern Petrochina (WKN A0M4YQ) hat in den vergangenen Monaten an der Börse Federn lassen müssen, zwischen März und Oktober hatte sich die Aktie allerdings stark verteuert, so dass Aktionäre seit Jahresanfang immer noch auf Gewinnen von über 20 Prozent sitzen. „Die Quartalszahlen haben aber enttäuscht“, meldet Vorhauser. „Der Umsatz legte zwar zu, der Gewinn ging aber zurück.“

Skeptische Analysten

Bankanalysten sind zuletzt skeptischer geworden, was den Ölpreis angeht. Mehr und mehr wird davon ausgegangen, dass der Druck längerfristig anhalten wird. Vergangene Woche hat etwa die US-Bank Goldman Sachs ihre Prognose gekappt: Die Analysten rechnen für das erste Quartal und die zweite Hälfte 2015 jetzt nur noch mit 85 statt 100 US-Dollar je Barrel für Brent und 75 statt 90 US-Dollar für WTI. Auch die Citigroup und die Deutsche Bank haben vor kurzem ihre Schätzungen reduziert.

Vorhauser ist der Ansicht, dass der Ölpreis noch keinen Boden gefunden hat: „In den kommenden zwölf Monaten könnte der Brent-Preis noch auf 50 bis 60 US-Dollar fallen“, meint der Händler. Der Grund: die weiter steigenden Exportmengen der USA. Bei Aktien der Öl- und Gasbranche sei also Vorsicht geboten. „Bisher halten sich die Auswirkungen noch in Grenzen. Im kommenden Jahr wird sich der niedrige Ölpreis aber verstärkt in den Gewinnen der Ölkonzerne niederschlagen.“

von Anna-Maria Borse, Deutsche Börse AG
© 6. November 2014