Baader Bond Markets: "Die Chimäre der Finanztransaktionssteuer "

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Stopp

12. März 2015. München (Baader Bank). Für jeden Finanzminister klingen diese Zahlen verlockend. Bei einer Einigung in Sachen Finanztransaktionssteuer winken z. B. Deutschland Mehreinnahmen von bis zu 44 Milliarden Euro pro Jahr. Das geht aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor. Selbst kleinste Lösungen brächten demnach noch Milliarden.

Frankreich würde durch die Steuer Mehreinnahmen von bis zu 36 Milliarden Euro generieren können, Italien immerhin noch maximal 6 Milliarden Euro. Grundlage ist das Modell der EU-Kommission, das vorsieht, den Anbieter ebenso wie den Erwerber einer Aktie oder Anleihe mit einem Steuersatz von je 0,1 Prozent des Kaufpreises zu belegen. Bei Termin-, Tausch- und Optionsgeschäften, sogenannten Derivaten, ist ein Satz von 0,01 Prozent angedacht. Nicht besteuert würden Bankgeschäfte des täglichen Lebens wie Überweisungen vom Girokonto, die Aufnahme von Krediten, die Emission von Aktien sowie Transaktionen zwischen Lebensversicherungen und ihren Kunden.

Würde man aber den Derivatehandel, in dem die Eurex in Frankfurt eine europaweit führende Rolle inne hat, von der Steuer befreien, hätte dies laut DIW allein für Deutschland einen Rückgang der möglichen Steuereinnahmen um bis zu 90 Prozent zur Folge. Bei einem Verzicht der Besteuerung des Handels mit Anleihen, müsste der Bund mit bis zu 8 Milliarden Euro weniger rechnen.

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass Handelsaktivitäten als Reaktion auf die Steuer abnehmen oder in Drittländer verlagert werden. Hier nimmt das DIW an, dass sich bei Einführung der Steuer das Handelsvolumen um bis zu 15 Prozent reduziert. Doch selbst bei einem 15 prozentigen Rückgang der Wertpapiergeschäfte und einem Einbruch des Derivatehandels um 75 Prozent kämen demnach immer noch rund 19 Milliarden Euro in Deutschland zusammen.

Was dies aber für den Finanz- und Wertpapierhandelsplatz Deutschland bedeutet, können diese Zahlen gar nicht ermessen. Klar wäre, dass die börsliche Preisqualität massiv leiden würde, schließlich kommt eine Kursfeststellung dem optimalen Marktpreis umso näher, je höher die zu diesem Preis getätigten Umsätze sind. Und, sollte der Handel von Futures und Options tatsächlich um drei Viertel einbrechen, so käme dies im Grunde einem schleichenden Ende des gesamten Derivatehandels in Deutschland und damit der Terminbörse Eurex gleich. Die Steuereinnahmen aus diesem Geschäft würden dann ganz schnell gegen Null tendieren. Man hat den Eindruck, dass solche Rechnungen ohne den Wirt namens Markt gemacht werden. So gesehen, kann sich die Finanztransaktionssteuer ganz schnell zur Chimäre entpuppen.

Auch bei einer Halbierung der Steuersätze auf 0,05 Prozent für Aktien und 0,005 Prozent für Derivate kommt das DIW immer noch auf ein Steueraufkommen von 10 bis 25 Milliarden Euro. Selbst bei einer Reduzierung auf 0,01 und 0,001 Prozent kämen noch 2,3 bis 5,4 Milliarden Euro zusammen.

Freilich, ob die Finanztransaktionssteuer von 11 der 28 EU-Staaten, die sich dazu bekannt hatten, tatsächlich wie geplant 2016 eingeführt wird, ist noch nicht klar. Angesichts der Zahlenspiele des DIW dürfte aber das Interesse manches Finanzministers wieder gestiegen sein.

Dritter Aufschub für Defizitsünder Frankreich

Man konnte fast den Eindruck erhalten, dass die erneute Fristverlängerung für die Sanierung des französischen Haushalts in Brüssel ohne großes Aufsehen abgenickt wurde. Ok, die Finanzminister aus den Ländern Spanien, Portugal, Irland und den Niederlanden übten Kritik, da diese zum Teil große Sparanstrengungen geleistet haben. Somit kann man froh sein, dass wenigstens ein leises Grummeln zu hören war, bevor die EU-Finanzminister Frankreich nun schon zum dritten Mal einen zeitlichen Aufschub genehmigt haben, um sein Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen. Die Euro-Finanzminister waren damit dem Vorschlag der EU-Kommission gefolgt.

Paris hat nun bis 2017 zwei Jahre mehr Zeit, sein Haushaltsdefizit auf die EU-Defizitgrenze von maximal 3 Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken. Eigentlich hätte Frankreich schon im Jahresverlauf 2015 seine Neuverschuldung unter die Höchstgrenze senken müssen, wird nun aber wohl bei 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts landen. Noch im April will die Pariser Regierung weitere Sparmaßnahmen im Umfang von 4 Milliarden Euro für 2015 präsentieren.

Trotz des Reißens der Defizitziele muss Frankreich erneut keine Geldstrafen zahlen, was von den Ministern mit der schwachen wirtschaftlichen Situation und anderen Faktoren begründet wurde. Mit den „anderen Faktoren“ ist wohl die Furcht vor einem weiteren Erstarken des rechtsextremen Front National gemeint.

Immerhin gibt es auch Silberstreifen am Horizont. So ist die französische Industrieproduktion im Januar überraschend um 0,4 Prozent gegenüber dem Vormonat gestiegen, nachdem Volkswirte bereits ein Minus von 0,3 Prozent erwartet hatten.

Vor dem Kassensturz in Griechenland

Die Kassenlage in Athen spitzt sich zu. Selbst nach dem eigenem Eingeständnis der Regierung befindet sich Griechenland in akuter Finanznot. Doch den Geldgebern genügen die bisherigen Reformvorschläge noch lange nicht, um weitere Hilfsgelder fließen zu lassen. Nun also sollen die „Institutionen“ Europäische Zentralbank (EZB), EU-Kommission und IWF, die man nicht mehr Troika nennen darf, zum ersten Mal seit dem Regierungswechsel im Januar wieder Einblick in die griechischen Finanzbücher erhalten.

Die zentralen Verhandlungen werden in Brüssel stattfinden. Sogenannte technische Teams werden gleichzeitig nach Athen entsandt. Am Ende wird ein Kassensturz stehen, dessen Ergebnis sich grausam lesen wird. Das dürfte den Europartnern bereits heute klar sein. Ohne weitere Milliarden des Geldgeber-Trios wird Griechenland pleitegehen. Ziel der neu aufgenommenen Gespräche ist der Abschluss des bis Juni verlängerten Rettungsprogramms. Ohne diesen Abschluss können noch bereitstehende Hilfsgelder von insgesamt 7,2 Milliarden Euro von Athen nicht abgerufen werden.

22 Milliarden Euro sollen die Griechen in den vergangenen drei Monaten von ihren Bankkonten abgehoben haben. Die Geldeinlagen sind auf rund 150 Milliarden Euro gefallen. Dies ist der niedrigste Stand seit 10 Jahren. Der griechische Staatsminister Alekos Flambouraris hatte einen dramatischen Appell an seine Landsleute gerichtet, ihr Geld aus dem Ausland zurückzubringen.

So ganz zum Thema Sparanstrengungen will dann auch eine andere Meldung nicht passen. So sind die Arbeitskosten in Griechenland zuletzt weit stärker gestiegen als im Rest der EU. Mit einem Zuwachs von 7,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal wiesen die Griechen für das 3. Quartal 2014 den höchsten Kostenanstieg aller EU-Länder auf, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Zuvor waren deren Arbeitskosten allerdings rückläufig.

Aber vielleicht sind schon bald für Athen alle finanziellen Probleme gelöst. Denn mit der Erfüllung der Forderungen an Deutschland als Ausgleich für die Gräueltaten während des 1000-jährigen Reichs wären die Griechen auf einen Schlag alle ihre Sorgen los. Wenigstens träumen können sie, wenn es schon mit anderen Dingen nicht klappt!

Risiken von Staatsanleihen bewerten!

Die Stabilitätswächter der Europäischen Zentralbank (EZB) haben an eine gute alte Sitte unter Bankern erinnert, die ausgerechnet bei Staatsanleihen nicht angewandt wird. So liegt es in der Tradition ehrbarer Kaufleute, dass sie Ausfallwahrscheinlichkeiten in ihren Büchern auch als das bewerten, was sie sind: nämlich Risiken.

Dass diese bewährte Usance für Staatsanleihen nicht gelten soll, stört das bei der EZB angesiedelte European Systemic Risk Board (ESRB). Wenn für Staatsanleihen ein faktisches Ausfallrisiko besteht, soll sich diese Gefahr bei der Risikobewertung in den Bankbilanzen auch entsprechend niederschlagen, lautet die einfache Argumentation der EZB-Stabilitätswächter. Die aktuellen Regeln bei der Risikobewertung von Staatsanleihen seien dagegen mit dem derzeit existierenden System der Überwachung der Finanzmärkte nicht vereinbar, heißt es in einem Bericht des ESRB.

Dass diese europäische Erkenntnis auch in eine Änderung des Regelwerks einfließen könnte, braucht man freilich nicht zu hoffen. So schreibt EZB-Präsident Mario Draghi persönlich, selbst Mitglied des ESRB-Verwaltungsrats, in einem Vorwort des Berichts: „Das aktuelle Regelwerk bei der Risikobewertung von Staatsanleihen durch die Finanz-Institutionen müsse auf globaler Ebene überprüft werden.“

BAT atmet tief ein

In dieser Handelswoche hat die British American Tobacco (BAT) tief eingeatmet und sich am Kapitalmarkt insgesamt 3 Milliarden Euro mittels vier Anleihen in Euro refinanziert.

Eine Anleihe (WKN A1ZYK2) im Volumen von 800 Millionen Euro ist am 13.03.2019 endfällig und mit einem jährlichen Kupon von 0,375 Prozent ausgestattet. Bei einem Emissionspreis von 99,719 Prozent ergab sich hieraus ein Spread von +25 bps über Mid Swap. Die zweite Anleihe (WKN A1ZYK3) mit einer Fälligkeit am 13.10.2023, einem Kupon von 0,875 Prozent und einem Volumen von 800 Millionen Euro wurde mit 99,10 Prozent gepreist. Dies entsprach einem Emissionsspread von +43 bps über Mid Swap. Die dritte Anleihe (WKN A1ZYK4) im Volumen von ebenfalls 800 Millionen Euro ist am 13.03.2027 fällig und mit einem Zins von 1,25 Prozent versehen. Gepreist wurde die Anleihe mit 98,691 Prozent, was einen Spread von +60 bps über Mid Swap ergab. Die vierte Anleihe (WKN A1ZYK5), die bis 13.03.2045 terminiert ist, hat einen jährlichen Kupon von 2 Prozent. Die 600 Millionen Euro umfassende Anleihe wurde bei 97,813 Prozent gepreist, was einem Emissionsspread von +100 bps über Mid Swap gleich kam.

Aber auch andere Unternehmen zeigten sich am Kapitalmarkt und nutzten die Gunst der Stunde. Sicherlich macht es für die Finanzchefs vieler Gesellschaften Sinn, in der Phase der erhöhten Nachfrage seitens der EZB und ihrer Notenbanken den Anlegern neues Material zur Verfügung zu stellen. So nahm der spanische Versorger ENAGAS mit einer am 25.03.2025 endfälligen Anleihe (WKN A1ZYLC) 400 Millionen Euro auf. Der Kupon in Höhe von 1 Prozent und der Emissionspreis von 99,672 Prozent ergaben einen Spread von +53 bps über Mid Swap. Alle genannten Anleihen wurden mit einer Mindeststückelung von 100.000 Euro begeben und zielen somit eher auf institutionelle Anleger ab.

Allerdings zeigte sich auch der Handelskonzern METRO am Kapitalmarkt und emittierte eine Anleihe mit Fälligkeit 19.03.2025 (WKN A14J83), die zumindest bei der Mindeststückelung von 1.000 Euro den Belangen von Privatanlegern gerecht wird. Das Emissionsvolumen beläuft sich auf 600 Millionen Euro. Bei einem jährlichen Kupon von 1,5 Prozent und einem Emissionspreis von 99,834 Prozent ergab sich ein Spread von +85 bps über Mid Swap.

Autor: Klaus Stopp, stellvertretender Leiter Rentenhandel der Baader Bank.

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© 12. März 2015