Baader Bond Markets: "Mogelpackung aus Athen"

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Stopp

6. Dezember 2012. MÜNCHEN (Baader Bank). „Athen macht seinen Gläubigern ein attraktives Angebot“ war in großen Lettern auf den Titelseiten der Zeitungen zu lesen. Im Rahmen eines 10 Milliarden Euro umfassenden Rückkaufprogramms bietet Griechenland für die Bonds mit Laufzeiten von 2023 bis 2042 im Schnitt 33,1Prozent des Nominalwertes. In einer sogenannten Holländischen Auktion wird der Anleger die Möglichkeit haben, in vordefinierten Spannen den Preis anzugeben, zu dem er seine Papiere verkaufen würde. Der Rückkauf bezieht sich auf Anleihen mit einem Volumen von 62 Milliarden Euro, die Griechenland im Rahmen seiner Umstrukturierung im März den Privatinvestoren eingebucht hat. Es ist allerdings ein Irrtum zu glauben, dass dem Anleger beim Verkauf Geld überwiesen wird. Stattdessen werden ihm Zerobonds mit sechsmonatiger Laufzeit vom EFSF ins Depot eingebucht. Die Banken werden sich sicherlich mit entsprechenden Gebühren bei Privatinvestoren „bedanken“.
 
Das Angebot mag ja mit Blick auf die aktuellen Kurse attraktiv erscheinen, aber es dürfte vielen Anlegern wie der blanke Hohn vorkommen, hatten sie doch bereits im März auf 70 Prozent ihres angelegten Kapitals verzichtet. Man stelle sich mal vor, dass ein Schuldner zu seiner Hausbank geht und vorschlägt: „Ich zahle 35 Prozent meiner Schulden zurück und dann sind wir quitt“. Verhaftung bzw. Einweisung in die Psychiatrie wäre die logische Konsequenz. Attraktiv ist das Angebot allenfalls für den Schuldner, der mit dem Geld der europäischen Steuerzahler Anleihen mit einem Nominalwert von ca. 33 Milliarden Euro zurückkaufen dürfte. Dennoch wäre das nur ein Tropfen auf den heißen Stein und Griechenland könnte seine Schulden lediglich um ca. 20 Milliarden Euro senken. Faszinierend hierbei ist für mich, dass man mit geliehenem Geld anderes geliehenes Geld zurückzahlt, also aus Nichts etwas schafft.
 
Kein Wunder, dass Anlegerschutzvereinigungen ihren Mitgliedern empfehlen, nicht auf das Angebot einzugehen, weil sie sonst auch jede rechtliche Grundlage für einen Prozess aus der Hand geben.

USA und die Fiskalklippe

Die Wiederwahl von Barack Obama ist zwar auch schon wieder Geschichte, aber die Angst vor der Fiskalklippe („fiscal cliff“) ist den Anlegern erhalten geblieben. Auch wenn allen beteiligten Parteien klar ist, dass sich die USA ein Scheitern der Verhandlungen nicht leisten können, ist eine Einigung noch nicht in Sicht. Erst kürzlich hat Präsident Obama den Kompromissvorschlag der Republikaner abgelehnt und somit die Muskeln spielen lassen. So kann das Spielchen noch einige Tage ablaufen. Härte demonstrieren und anschließend den Kompromiss als eigenen Erfolg verkaufen. Das hört sich nicht nach einer ruhigen und besinnlichen Vorweihnachtszeit an.
 
Falls allerdings vor dem 1. Januar keine Einigung erzielt wird, könnte das Bruttoinlandsprodukt um bis zu 4 Prozent sinken. Es ist zu befürchten, dass die Amerikaner ohnehin bis spätestens Anfang März die Verschuldungsgrenze erhöhen müssen. Scheitern die Verhandlungen, ist für Amerika eine Rezession zu befürchten. Das würde allerdings die Weltwirtschaft ebenfalls in Mitleidenschaft ziehen. Experten fragen sich, wieso die Amerikaner immer wieder mit dem Finger auf die Probleme der Eurozone und insbesondere Griechenlands zeigen. Die Gefahr lauert doch eher im eigenen Garten!

Bemerkenswertes Debüt von Bilfinger & Berger

Von einer „staaden Zeit“ zu sprechen, würde den wahren Begebenheiten am Markt für Unternehmensanleihen nicht entsprechen. So gab bereits am vergangenen Donnerstag das Unternehmen Bilfinger & Berger SE ein bemerkenswertes Debüt am Primärmarkt für Euro-Corporates. Der börsennotierte, international tätige Bau- und Dienstleistungs-Konzern mit S&P-Rating BBB+ emittierte eine Anleihe über 500 Mllionen Euro. Die Anleihe mit Fälligkeit im Dezember 2019 und einem Kupon von 2,375 Prozent wurde bei 99,892 Prozent gepreist, was einem Spread von 115 BP über Midswaps entsprach. Wie groß der Anlagebedarf der Investoren aktuell immer noch ist, verdeutlicht die Tatsache, dass die Anleihe nach der Zuteilung bereits in den ersten Handelsstunden bei 102,00 Prozent gehandelt wurde.
 
Am Dienstag dieser Handelswoche emittierte die Metro AG eine Unternehmensanleihe mit einem Kupon von 2,25 Prozent, einer Laufzeit von 5 1/2 Jahren und einem Volumen von ebenfalls 500 Millionen Euro. Zeichnungsaufträge im Volumen von ca. 3,2 Milliarden Euro verdeutlichen wiederum die hohe Nachfrage und somit erfolgte die Zuteilung bei einem Kurs von 99,488 Prozent, was einem Spread von 150 Basispunkten über Midswaps entsprach.
 
Ebenso über große Nachfrage konnte sich die Deutsche Post AG (Baa1/BBB+) erfreuen. Emittiert wurden zwei Tranchen mit einer Laufzeit von 8 bzw. 12 Jahren. Die finalen Orderbücher lagen bei insgesamt 3,5 Milliarden Euro für beide Tranchen zusammen. Die kürzer laufende Anleihe mit Fälligkeit Dezember 2020 wurde bei 60 BP über Midswaps gepreist. Dies entsprach einem Kurs von 99,048 Prozent für die 300 Millionen Euro große Anleihe mit einem Kupon von 1,875 Prozent. Die zweite Tranche mit Rückzahlungstermin Dezember 2024 bietet ihren Investoren einen Kupon von 2,875 Prozent. Dieser 700 Millionen Euro große Teil wurde bei 99,75 Prozent begeben. Dies entsprach einem Spread von 100 Basispunkten über Midswaps.
 
In ebenfalls zwei Tranchen emittierte Rio Tinto, ein multinationales Bergbauunternehmen mit Sitz in Großbritannien, Anleihen im Wert von 1,25 Milliarden Euro. Die 750 Millionen Euro Tranche mit Fälligkeit November 2020 wurde bei einem Kurs von 99,271 Prozent gepreist. Dies entsprach bei einem Kupon von 2 Prozent einem Spread von 80 Basispunkten über Midswaps. Für die zweite Tranche im Volumen von 500 Millionen Euro und Fälligkeit im Dezember 2024 wurde als Kupon 2.875 Prozent fixiert. Gepreist wurde diese halbe Milliarde Euro bei 110 Basispunkten über Midswaps.

Hellas – ein Fall für den Schuldenberater

Griechische Tragödie nächster Akt: „Raus aus den Schulden“ oder „Wie zieht Griechenland den Kopf aus der Pleite-Schlinge?“ Das Maßnahmenpaket zur Rettung Griechenlands erscheint Außenstehenden wie die Schuldnerberatung von Peter Zwegat in der Sendung von RTL. Aus allen Ecken und Enden kratzten die Eurokraten Millionen- und Milliardenbeträge zusammen, um Griechenland noch einmal vor einem Schuldenschnitt zu bewahren.
 
Die Beträge sollten Athen noch einmal ein wenig Zeit schenken oder eher Angela Merkel Luft bis zur nächsten Wahl geben. Lange Zeit hatte auch die Kanzlerin den Schuldenschnitt kategorisch abgelehnt, doch inzwischen rudert sie mit folgenden Worten vorsichtig zurück: „Wenn Griechenland eines Tages wieder mit seinen Einnahmen auskommt, ohne neue Schulden aufzunehmen, dann müssen wir die Lage anschauen und bewerten.“ Dadurch wurden auch die Äußerungen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble pulverisiert, der einen Schuldenschnitt noch vor wenigen Tagen ausschloss. Seiner Ansicht nach würde ein Schuldenschnitt Anreize für ein Nachlassen der griechischen Reformbemühungen setzen und mit einem Haircut oder ähnlichen Maßnahmen würde man sich auch den Weg für weitere Garantien verstellen. Doch es ist tatsächlich nur eine Frage der Zeit, bis die Bundesregierung ein weiteres Versprechen brechen wird. Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit wird das deutlich vor dem von Merkel in Aussicht gestellten Zeitraum 2014/15 der Fall sein.
 
Da ein Gesamtkonzept mit Reformen und ein Plan zum Wiederaufbau fehlen, wird Griechenland ein Krisenland bleiben. Der Schuldenberater Peter Zwegat würde sicherlich zur Privatinsolvenz raten oder die weitere Betreuung wegen der fehlenden Reformbereitschaft ablehnen. Aber nicht unsere Politiker!

Nachverhandlungen als logische Konsequenz

Die Großzügigkeit gegenüber Griechenland hat inzwischen Begehrlichkeiten anderer Staatsregierungen geweckt. Denn wenn einem Land mit solch einer geringen Wirtschaftsleistung bereits Sonderkonditionen eingeräumt werden, dann darf es nicht verwunderlich sein, wenn volkswirtschaftlich wichtigere Staaten nun ihre Karten ausspielen. Wie werden unsere Politiker auf die nun auf uns zurollenden Nachverhandlungen reagieren? Das ist die große Gretchenfrage. Man kann nur immer wieder betonen, dass die Fehler bereits vor vielen Jahren gemacht wurden, als man ein Scheitern kategorisch von sich gewiesen hat und die Möglichkeit einer Auszeit oder einen Austritt für einzelne Mitgliedsstaaten nicht bedachte. Normalerweise müsste man diese blauäugigen Politiker nachträglich noch zur Verantwortung ziehen.
 
Das wird aber nicht mehr geschehen und so stehen wir nun den Solidaritätsforderungen der „Lebenskünstler“ gegenüber.

Staatsanleihen als Zockerpapiere

Noch vor Monaten haben sich Investoren pro Sicherheit und contra Risiko entschieden. Infolge der niedrigen zu erzielenden Renditen bei den bisher sicheren Emittenten hat sich dieser Trend aber inzwischen umgekehrt. Nicht zuletzt durch die Ankündigung seitens des EZB-Präsidenten Mario Draghi, unbegrenzt Staatsanleihen von Eurostaaten unter bestimmten Voraussetzungen anzukaufen, ist der Markt in Bewegung geraten. Die Renditeunterschiede der Anleihen von Wackelkandidaten gegenüber deutschen Staatsanleihen sind kräftig zusammengeschmolzen. Auch die Ankündigung Athens bezüglich des Rückkaufs eigener Schuldentitel hat diesen Trend noch verstärkt.
 
Anscheinend führten die Uneinigkeit und das zeitweise fehlende Konzept in Euroland dazu, dass sich die „Pennystock-Liebhaber“ eine neue Assetklasse zum Spielen ausgeschaut haben. Dennoch haben sicherlich viele dieser Spieler bei der ersten Griechenlandkrise Lehrgeld bezahlen müssen, denn damals war das Muster noch anders.

Euro-Bund-Future

Auch in dieser Woche herrschte am Markt für Zinsprodukte reges Treiben. Weiterhin waren insbesondere die US-Fiskalklippe und die finanzpolitische Lage in Griechenland und Spanien die marktbestimmenden Themen. Zu Beginn der Handelswoche fiel das Sorgenbarometer, nach dem Hilfsantrag Spaniens für notleidende Banken und der Veröffentlichung des relativ „großzügigen“ Rückkaufangebots der Hellenen, bis auf 142,07 Prozent zurück. Allerdings reagierte der Zins-Future wie ein Bungee-Seil und binnen Kürze kehrte er wieder in den Bereich von 143,35 Prozent zurück. Die bisher bekannten Unterstützungs- und Widerstandslinien werden sich infolge des heutigen Kontraktwechsels allerdings um ca. 170 Basispunkte nach oben verschieben. Somit wird von den Chartanalysten die neue Trading Range im Bereich zwischen 143,75 Prozent (Tief vom 03.12.) und 145,23 Prozent (Hoch vom 13.11.) gesehen.
 
Die Volatilität wird uns auch im neuen Jahr erhalten bleiben, denn die Fiskalklippe ist noch lange nicht umschippert, um nur einen Einflussfaktor zu benennen. Eine Lösung wird es zwar geben, aber die Frage wird sein: „Wann und wie viel Vertrauen wurde bis zu diesem Zeitpunkt an den Börsen bereits zerstört?“

EFSF-Downgrade vorerst ohne Folgen

Auch in dieser Woche stockten diverse Staaten Altemissionen auf und konnten so den Investoren die erforderlichen Anleihen unterschiedlicher Laufzeiten zur Verfügung stellen.
 
So konnte zum Beispiel Spanien Anleihen mit verschiedenen Fälligkeiten im Volumen von 4,3 Milliarden Euro platzieren. Die Begebung der Anleihen kann durchaus als gelungen bezeichnet werden. So war u.a. die Tranche bis 2019 2,5-fach überzeichnet und die zehnjährige Anleihe wurde bei einer Rendite von 5,29 Prozent (nach 5,458 Prozent) zugeteilt.
 
Auch der EFSF konnte trotz der kürzlichen Herabstufung durch die Rating-Agentur Moody’s Dreimonatstitel im Volumen von 1,432 Milliarden Euro begeben. Die Nachfrage war bei einer 3,6-fachen Überzeichnung sogar höher als vorher und die Rendite von -0,047 Prozent (nach -0,029 Prozent) spiegelt ebenfalls eine andere Wertschätzung seitens der Investoren wider.
 
Im Gegensatz zum EFSF hat Deutschland noch sein AAA-Rating und kann für sich auch bei längeren Laufzeiten negative Renditen in Anspruch nehmen. So konnte beispielsweise am gestrigen Mittwoch im Zuge der Aufstockung der aktuellen zweijährigen Bundesschatzanweisungen die Zuteilung der 1,9-fach überzeichneten Wertpapiere bei einer Durchschnittsrendite von -0,01 Prozent erfolgen. Das Gesamtvolumen beläuft sich nach der Aufstockung um 4 Milliarden Euro nun auf insgesamt 9 Milliarden Euro.

Ein Stern über Euroland?

In der Eurozone hellt sich aktuell die Stimmung etwas auf und Zuversicht bezüglich der Zukunft des Euros macht sich breit. Angesichts der vorweihnachtlichen Zeit kann man zwar nicht von einem Stern über Euroland sprechen, aber die europäische Gemeinschaftswährung profitierte kräftig von den Entscheidungen in Griechenland und Spanien. Somit konnte die Hürde bei 1,30 US-Dollar mit Leichtigkeit überwunden werden und der Euro schickte sich an, bei 1,3126 US-Dollar ein neues Sechs-Wochen-Hoch zu erklimmen. Momentan scheint es so, dass die psychologisch wichtige Marke von 1,30 US-Dollar nachhaltig gehalten werden kann. Denn an einem schwachen Euro sind die anderen Industrienationen grundsätzlich nicht interessiert und sollte sich in den USA keine fiskalpolitische Lösung ergeben, so wäre auch dies positiv für den Euro.
 
Allerdings nicht nur gegenüber dem Greenback, sondern auch im Vergleich zu den anderen Dollarwährungen tendierte die Gemeinschaftswährung fester. Zusätzlich markierte der Euro mit 2,7873 BRL ein neues 3,5-Jahres-Hoch zum brasilianischen Real, was wiederum in Brasilien sicherlich zum Schutze der heimischen Wirtschaft positiv gesehen wird.
 
Auch wenn sich die Lage in der Eurozone etwas entspannt, bleiben die Anleger weiter auf der Suche nach Alternativen zum Euro. So geraten Fremdwährungsanleihen, insbesondere auf norwegische Kronen, australische Dollar sowie brasilianische Real lautend, immer wieder in den Fokus der Privatanleger. Denn speziell die Korrektur des brasilianischen Reals könnte auch eine Chance für Euroskeptiker darstellen.

 

Autor: Klaus Stopp, stellvertretender Leiter Rentenhandel der Baader Bank

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© 6. Dezember 2012/Baader Bank AG