Baader Bond Markets:"Unbegrenzt ist nicht unendlich!"

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Stopp

27. September 2012. MÜNCHEN (Baader Bank). Katzen haben bekanntlich sieben (neun) Leben! Die Euro-Finanzkrise ist zwar keine Katze, aber inzwischen hat man den Eindruck, dass sie mehr als neun Leben in sich hat und einfach nicht tot zu kriegen ist. Immer wieder gibt es Ereignisse, die uns schnell vor Augen führen, dass noch keine Lösung gefunden wurde. Ratlosigkeit macht sich breit und alle Hoffnung ruht auf dem Handeln der Europäischen Zentralbank (EZB). Dennoch ist das auch zu kurz gedacht, denn nach der vollmundigen Ankündigung durch Mario Draghi wird nun von Juristen der Deutschen Bundesbank und der EZB geprüft, ob der geplante Ankauf überhaupt rechtmäßig ist. Mein alter Geschichtslehrer hat schon vor vielen Jahren immer wieder darauf hingewiesen: „Erst denken, dann sprechen“. In diesem Fall drängte selbstverständlich die Zeit, aber bei solch heiklen Themen sollte man eine Prüfung im Vorfeld durchführen lassen. Wenn die Juristen oder auch die Verfassungsrichter demnächst sogar noch zu dem Ergebnis gelangen, dass diese Aktionen juristisch nicht haltbar sind, dann gnade uns Gott!
 
Aber auch falls unbegrenzte Käufe erlaubt werden, so heißt das nicht, dass unendlich interveniert wird. Die Haftungsobergrenzen der einzelnen Staaten stellen eine verbindliche Grenze dar. Daraus resultiert allerdings die Gefahr, dass Spekulanten die Belastbarkeit des Systems testen werden. Diese Angst scheint auch Politiker umzutreiben, denn sonst wäre es nicht nachvollziehbar, dass man die Instrumente des bestehenden Rettungsschirms EFSF nun auf den neuen ESM übertragen und die Feuerkraft erhöhen möchte. Den Investoren soll die Beteiligung durch eine Teilabsicherung ihres Risikos mittels einer Versicherungslösung schmackhaft gemacht werden. Auch die Auflage gemeinsamer Investmentfonds steht im Raum, bei denen der ESM die Erstverlust-Tranchen übernehme. Angeblich ändere sich nichts an dem Risiko von 190 Mrd. € für die Bundesbürger. Sicherlich ändert sich – vorläufig – zwar nichts am Gesamtbetrag, aber das Ausfallrisiko steigt, wenn die Staatsbonds nicht von den Euro-Partnern gekauft werden – von der Möglichkeit der Übernahme von Erstverlust-Tranchen oder der Absicherung von Verlustrisiken anderer Investoren ganz zu schweigen.

Corporates

Trotz der Marktunsicherheiten wagten sich verschiedene europäische Unternehmen erneut an den Kapitalmarkt.
 
So sammelte der österreichische Mineralölkonzern OMV insgesamt 1,5 Mrd. € frisches Kapital – verteilt über 2 Tranchen – am Kapitalmarkt ein. Die Bonds sind mit einer Laufzeit von 10 respektive 15 Jahren ausgestattet und werden mit 2,625% bzw. 3,5% verzinst. Die Benotung fällt mit A3/A- sehr solide aus.
 
Mit dem spanischen Energieunternehmen Enagas wurde darüber hinaus ein Unternehmen der Peripheriestaaten am Kapitalmarkt aktiv. Für die fünfjährige Anleihe im Volumen von 500 Mio. € musste das Unternehmen einen Kupon von 4,25% bieten. Die hierbei erzielten Konditionen sind für die spanische Regierung aktuell nicht zu erzielen und dies verdeutlicht ein Dilemma. Investoren haben weiterhin mehr Vertrauen in solide Unternehmen kriselnder Staaten als in Staatsregierungen.
 
Ebenso emittierte der australisch-britische Rohstoffkonzern BHP Billiton Anleihen mit Fälligkeiten in 2020 und 2027. Hierfür zahlt das mit A1/A+ bewertete Unternehmen jährlich Zinsen i.H.v. 2,25% bzw. für die 15-jährige Laufzeit i.H.v. 3,25%
 
Aus deutscher Sicht erfreulich war die Tatsache, dass sich der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF (A+) mit einer 750 Mio. € großen Anleihe am Kapitalmarkt präsent zeigte. Das mit einer Stückelung von 1.000 € als „Privatanleger-freundlich“ zu bezeichnende Wertpapier ist mit einem jährlichen Zinssatz von 1,5% ausgestattet und die aufgenommenen 750 Mio. € stehen im Jahre 2018 wieder zur Rückzahlung an.

Europa in "freudiger" Erwartung

Die Meldung hat nicht einmal eine Schlagzeile hervorgerufen: Griechenland fehlt wieder einmal Geld. Unklar ist nur, wie groß das Loch ist. Während der griechische Finanzminister Yannis Stournaras einen Fehlbetrag von 13 bis 15 Mrd. € angibt, gibt es Gerüchte, deren zufolge die Troika von 20 Mrd. € ausgeht. Sollte die Zeit zur Einhaltung der Defizitziele um weitere zwei Jahre verlängert werden, wie von den Griechen gefordert, würden nach Einschätzung der Troika sogar weitere 20 Mrd. € nötig sein. Egal, wie hoch die Beträge sind, sie werden durch Einsparungen nicht mehr auszugleichen sein! Auf der anderen Seite sind auch keine Fortschritte bei der Steuereintreibung zu sehen. Denn das wäre mehr als notwendig. Bei einer konsequenten Erhebung wären nach Ansicht von IFO-Präsident Hans-Werner Sinn geschätzte Steuereinnahmen von bis zu 50 Mrd. € möglich. Die Regierungen in Europa und Athen warten nun auf den Bericht der Troika. Erst dann wird entschieden, ob die nächste Tranche von 31 Milliarden € aus dem bereits beschlossenen 130-Milliarden-Hilfspaket ausbezahlt wird. Das kann sich aber noch lange hinziehen und zwar im schlimmsten Fall bis nach den US-Präsidentschaftswahlen. Aber auch ohne Bericht sind EU und IWF in der Zwickmühle. Denn wird einerseits die Tranche nicht ausgezahlt, ist Hellas quasi zahlungsunfähig und viel Geld verbrannt worden. Andererseits ist auch die Auszahlung weiterer Milliarden keine Garantie für ein gutes Ende. In diesem Zusammenhang wird vom IWF darauf hingewiesen, dass die EU-Regierungen die Investoren von der langfristigen Perspektive der Währungsunion überzeugen müssen. Nur so ist die Krise zu besiegen.
 
Trotz aller Bemühungen ist aber auch ein erneuter Schuldenschnitt nicht auszuschließen. Ob in diesem Fall wieder die privaten Gläubiger zur Kasse gebeten werden oder zusätzlich die Europäische Zentralbank (EZB) einen Forderungsverzicht beschließen wird, bleibt abzuwarten. Im Falle der EZB würde es sich nach Einschätzung von führenden Notenbankern um eine verbotene monetäre Staatsfinanzierung handeln. Aber auch eine Laufzeitverlängerung der in den Portfolien der EZB gelagerten Anleihen wäre eine Alternative.
 
Man darf gespannt sein, wie die Lösung aussehen wird. Noch sträuben sich die Währungshüter – noch!

Bürgerproteste und ihre Folgen

Im Süden Europas brodelt es. Millionen in Madrid, Lissabon und Athen protestieren gegen die Sparpolitik ihrer Regierungen. Nach Athen ist nun auch Portugal eingeknickt. Die Portugiesen machen einen Rückzieher und haben einen anderen Sparkurs angekündigt. Die Regierung in Lissabon wird wohl auf einige Maßnahmen verzichten und die Erhöhung der Einkommens-, Kapital- sowie Vermögenssteuer überprüfen, um gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen. Natürlich unter der Voraussetzung, dass die Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds zustimmt. Das reine Drosseln der Ausgaben hat die Defizite nicht verkleinert und die Staaten an den Rand eines Bürgerkrieges geführt. Die Verzweiflung vieler Menschen wird immer größer, sie haben nichts mehr zu verlieren und die Schere zwischen arm und reich klafft immer weiter auseinander. Sozialer Sprengstoff pur!
 
Am Ende könnte alles darauf hinauslaufen, dass Deutschland die Schulden der Staaten Südeuropas bezahlen soll. Doch das wäre eine falsch verstandene Solidarität und hätte fatale Folgen für die Bevölkerung Deutschlands. Dadurch könnte sich auch in Deutschland eine Protestwelle, analog der in den Krisenstaaten entstandenen, formieren. Im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl kann konstatiert werden, dass das Krisenmanagement unserer Regierung für das Wahlergebnis verantwortlich sein wird. Da niemand mit Bestimmtheit vorhersagen kann, wie Europa in einem Jahr aussehen wird, könnte die Schuldenkrise Wahlkampfthema Nummer eins werden.

Fiskalpolitischer Zündstoff

In den USA verschaffen sich die Konjunkturpessimisten Gehör. So hat u.a. Caterpillar seine langfristige Gewinnprognose gesenkt. Anscheinend hat man Angst vor einer weltweiten wirtschaftlichen Abkühlung. Vor diesem Hintergrund und den Problemen am US-Arbeitsmarkt unterstützen viele Notenbanker die flankierenden Maßnahmen der amerikanischen Notenbank, aber nicht alle. So kritisiert zum Beispiel der Präsident der Federal Reserve Bank von Philadelphia, Charles Prosser, die jüngsten Beschlüsse der US-Notenbank sehr scharf. Der als geldpolitischer Falke einzustufende Notenbanker sieht die Gefahr, dass die Glaubwürdigkeit der Fed leidet und warnt vor den möglichen Folgen einer möglichen Inflation für das Versprechen, die Zinsen bis Mitte 2015 niedrig zu halten.
 
Die niedrigen Zinsen sind aber angesichts der Haushaltslage in den USA von elementarer Bedeutung. Denn unmittelbar nach den US-Wahlen muss für die zum Jahresende auslaufenden Steuervergünstigungen eine Lösung gefunden werden, um Schaden von der US-Wirtschaft abzuwenden. Weitere Klippen wie die automatischen Ausgabenkürzungen im Falle der Nichteinigung bezüglich der Haushaltkonsolidierung gilt es zu umschippern. Wäre die USA ein Euroland, dann würde sie alle Vereinbarungen verletzen. Europa ist zwar nicht gesund, aber man hat sich für eine Kur entschieden. In den USA fehlt diese Einsicht und es wird weitergemacht, wie in den letzten Jahren. Frei nach dem Kölschen Motto: „Et hätt noch immer joot jejange.“

Euro-Bund-Future

Nach der Ankündigung des EZB-Präsidenten, Mario Draghi, waren über dem deutschen Rentenmarkt dunkle, schwarze Wolken aufgezogen und alle Marktteilnehmer statteten sich mit stabilen Schirmen aus. Nun sind aber immer wieder neue Hiobsbotschaften aus den Hauptstädten der altbekannten Krisenstaaten zu vernehmen und schon schiebt sich der Euro-Bund-Future wieder in Regionen, die man schon aus dem Gedächtnis streichen wollte. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn bereits die Ankündigung eines möglichen Anleihekaufs durch die EZB ausgereicht hätte, die Märkte zu beruhigen.
Charttechnisch betrachtet liegt das Augenmerk der Futureshändler bei der Marke von 140,98% (Hoch vom 11. September). In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob dieses auch psychologisch wichtige Niveau gehalten werden kann. Falls es gelingen sollte, wäre das Hoch vom 29. August (142,62%) das nächste Ziel. Sollte dem Rentenbarometer allerdings in diesen Höhen die Luft ausgehen, so wäre ein erneuter Test des Tiefs bei 138,41% (vom 17. September) möglich. Somit ist die Tradingrange weiterhin zwischen 138,41% und 142,62% zu sehen und alle Blicke richten sich auf die neuesten Meldungen aus Athen, Rom und Madrid.

Staatsanleihen und sonstige Neuemissionen

Seit Monaten entzieht die Europäische Zentralbank (EZB) dem Geldmarkt das Volumen der Staatsanleihen, die im Rahmen ihres Wertpapierkaufprogramms erworben wurden. Auch in dieser Woche wurden somit 209 Mrd. € absorbiert. Bei dieser Aktion wurden von 49 (58) Instituten 385,607 Mrd. € (433,177 Mrd. €) angeboten.
 
In Euroland wurden in der vergangenen Handelswoche diverse Altemissionen aufgestockt. Zusätzlich hat sich Spanien am Geldmarkt für drei bzw. sechs Monate mit Liquidität versorgt. Die Rendite der dreimonatigen Papiere stieg von zuletzt 0,946% auf 1,203% und bei sechs Monaten von 2,026% auf 2,213%. Die Unsicherheit bezüglich Spaniens schlug sich somit bereits in leicht erhöhten Zinsen nieder. Die kurzfristigen Zinsen erscheinen auf den ersten Blick zwar noch vertretbar, aber so kann sich kein Staat auf Dauer refinanzieren. Solche Probleme hat Deutschland nicht und konnte planmäßig die aktuelle zehnjährige Anleihe um 5 Mrd. € aufstocken. Die Nachfrage hielt sich zwar in Grenzen, aber dennoch erfolgte die Zuteilung bei einer Durchschnittsrendite von 1,52%.
 
Um die Investoren bereits rechtzeitig auf die Emissionen des Bundes einzustimmen, wurde in dieser Woche auch der Emissionskalender für das vierte Quartal 2012 veröffentlicht. Hierbei gab es keine großen Überraschungen, denn die Summe der aufzunehmenden Mittel entspricht der Grobplanung zum Jahresanfang. Insgesamt werden 52 Mrd. € benötigt. Bei Tilgungen i.H.v. 47,4 Mrd. € und Zinszahlungen von ca. 2,7 Mrd. € ergibt sich trotz der hohen Steuereinnahmen eine höhere Mittelaufnahme. Über die Gründe hierzu kann nur gemutmaßt werden.

Euro-Erholung mit geringer Halbwertszeit

Hinterher ist man immer schlauer. Dass die Halbwertszeiten der Euroerholung so gering sind, damit war nicht zu rechnen. Denn nachdem in den letzten Wochen die Eurostaatskrise fast gänzlich aus den Schlagzeilen verbannt war, hat die Welt sie wieder. Somit war es vorbei mit der Herrlichkeit des Euros und die Anleger kehren der Gemeinschaftswährung wieder den Rücken zu. Die logische Folge ist, dass die europäische Gemeinschaftswährung die psychologisch wichtige Marke bei 1,30 USD nicht halten konnte und zeitweise bis auf 1,2845 zurückfiel.
 
Aber auch gegenüber den Alternativwährungen musste der Euro auf breiter Front Verluste hinnehmen. Dies bestätigte die Euroskeptiker, die die Erholung des Euros zu weiteren Investitionen in Fremdwährungsanleihen nutzten. Denn Währungsanleihen bleiben in diesen unsicheren Zeiten ein Instrument zur Diversifizierung und Anlageoptimierung.

Autor: Klaus Stopp, stellvertretender Leiter Rentenhandel der Baader Bank

© 27. September 2012/Baader Bank AG

Dieser Wochenkommentar zum Anleihemarkt wird von der Baader Bank München herausgegeben. Redaktion: Marco Brosch, Klaus Stopp, Thomas Wirkner. Der Kommentar kann auf baadermarkets.de abonniert werden.