Devisen: Euro lässt Muskeln spielen

13. April 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Einen wahren Höhenflug erlebte der Euro gegenüber dem US-Dollar in den vergangenen Wochen, gestern kletterte der Wechselkurs im europäischen Nachmittagshandel erstmals seit Januar 2010 wieder über die Marke von 1,45 US-Dollar. Vor drei Wochen mussten nur 1,41 US-Dollar für einen Euro gezahlt werden. „Erstaunlich, wie robust sich der Euro trotz der andauernden Krise in der Peripherie und der Flucht Portugals unter den Rettungsschirm präsentiert“, kommentiert etwa die Commerzbank. Das zeige, wie sehr die geldpolitischen Tendenzen derzeit andere Faktoren überlagerten.

Zinsdifferenzen schwächen US-Dollar

Als wichtigster Grund für die aktuelle Eurostärke wird nämlich vor allem die Zinsanhebung seitens der Europäischen Zentralbank in der vergangenen Woche gesehen. Der Zinsschritt war die erste Anpassung nach oben seit Mitte 2008, Marktteilnehmer rechnen nun mit weiteren Anhebungen noch in diesem Jahr. In den USA sind Zinserhöhungen hingegen noch kein Thema. „Einer boomenden Industrie steht dort ein schwacher Immobilien- und Bausektor gegenüber“, erklärt Christian Apelt von der Helaba. Die Inflationsbeschleunigung in den USA beschränke sich zudem bislang weitgehend auf die Preise für Energie und Nahrungsmittel. „Die Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar sollte sich noch fortsetzen, da aufgrund steigender EZB-Leitzinsen der Renditevorteil des Euro anhält“, resümiert Apelt daher und hält Wechselkurse von bis zu 1,50 US-Dollar für möglich – zumindest temporär.

Auch viele andere Analysten sehen für den US-Dollar vorerst eher schwarz: Je mehr Zentralbanken sich von der Ultra-Tiefzinspolitik verabschiedeten, desto mehr werde der US-Dollar unter der fehlenden Zinsunterstützung leiden, meint etwa die Commerzbank in ihrem Wochenausblick. „Das heißt aber: Dem US-Dollar steht noch eine Durststrecke bevor, bis die Wende zum Besseren eintritt.“ Die DekaBank verweist neben der Zinserhöhung auch auf die im März konkretisierten Rettungsmechanismen für die europäische Währung. „Beides wird den Euro in den nächsten Monaten unterstützen“, glauben die Analysten.

Gegenwind in zweiten Jahreshälfte

Allerdings sieht die Helaba auch Risikofaktoren, die den Euro im zweiten Halbjahr belasten könnten: Etwa habe der Devisenmarkt den Hilferuf Portugals weitgehend ignoriert, im Jahresverlauf könne aber die Verschuldung Spaniens auf die Agenda rücken. „Zudem ist keine langfristig tragfähige Lösung für die anderen Bailout-Länder Griechenland und Irland absehbar.“ Auch könne die EZB vor dem Hintergrund der erheblichen Wachstumsunterschiede in der Eurozone weitere Zinserhöhungen überdenken. Im Falle einer Wiederkehr der Risikoaversion werde der US-Dollar jedenfalls wieder als sicherer Hafen gesucht. „Im zweiten Halbjahr dürfte der Euro seine bisherigen und noch zu erzielenden Gewinne gegenüber dem Greenback wieder abgeben.“

Katastrophe belastet Yen

Der japanische Yen, der kurz nach der Natur- und Reaktorkatastrophe in Japan gegenüber dem US-Dollar auf den höchsten Stand seit dem zweiten Weltkrieg geklettert war, zeigte sich in den vergangenen Wochen wieder deutlich schwächer. Gleich nach dem Unglück mussten nur noch rund 76 Yen für einen US-Dollar gezahlt werden, mittlerweile sind es 84. Die starken Yen-Gewinne hatten Händler mit der so genannten Repatriierung begründet, d.h. der Rückführung von im Ausland angelegten Geldern. Japanische Investoren und Versicherer brauchten Geld, um die Schäden aus der Natur- und Nuklearkatastrophe in der Heimat zu bezahlen, hieß es.

Der Effekt verpuffte allerdings schnell, auch gegenüber dem Euro tendiert der Yen mittlerweile wieder schwächer: Während vor drei Wochen noch 114 Yen für einen Euro gezahlt werden mussten, sind es jetzt 122 Yen. Die Bremer Landesbank erwartet, dass sich diese Tendenz noch fortsetzen wird: „Wir sehen noch viel Aufwärtspotenzial für den Euro“, erklärt Stephan Beilke. „Die Katastrophe wird noch deutliche Auswirkungen auf die Volkswirtschaft haben.“ Zum Jahresende sieht er den Wechselkurs bei 130 bis 140.

Krisenwährung Franken nicht mehr gefragt

Apelt
Apelt

Auch der Urlaub in der Schweiz könnte künftig billiger ausfallen: „Im Vergleich zum Schweizer Franken hat der Euro sein Anstiegspotenzial noch nicht ausgeschöpft“, meint Apelt, eine Abwertung des Franken könnte eher früher als später erfolgen. Die Helaba rechnet per Jahresmitte mit einem Kurs von 1,40 Schweizer Franken zum Euro, aktuell werden 1,30 gezahlt. „Die Flucht in den Franken ist vorbei“, meint auch Stephan Beilke. Die Weltwirtschaft sei im Aufwind, Krisenwährungen seien nicht mehr so gefragt. „Wir sehen für den Wechselkurs noch Potenzial von 1,43 bis 1,45 zum Jahresende“.

Die Chancen des Euro gegenüber dem britischen Pfund stehen im Übrigen ebenfalls mittelfristig gut, das führen zumindest die Analysten von Godmode Trader in ihrem Forex Report aus. „Eine Rallye in Richtung 0,8941 und 0,9150 Pfund ist kurzfristig möglich. Mittelfristig besteht sogar die Chance auf eine Rallye in Richtung 0,9807 Pfund.“ Vor drei Wochen mussten für einen Euro noch 0,8681 Pfund gezahlt werden, heute sind es 0,8909. Im Dezember 2008 hatte der Wechselkurs mit 0,9807 ein Hoch erreicht, bis Juni 2010 – allerdings mit deutlichen Ausschlägen – auf 0,8069 nachgegeben und sich dann wieder erholt.

© 13. April 2011/Anna-Maria Borse