ETFs: Vornehme Zurückhaltung

11. Oktober 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Zwar bescherten steigende Kurse Aktionären in der vergangenen Woche kräftige Gewinne, bei ETF-Anlegern ist von Euphorie aber noch nichts zu spüren. „Investoren halten sich zurück. Heute wird die Entscheidung der Slowaken über den Rettungsschirm abgewartet“, erklärt Bastian Ohta von der Unicredit Group. Die Commerzbank meldet für die abgelaufene Woche sogar noch einen Verkäuferüberhang, bei einem insgesamt „ordentlichen“ Handelsaufkommen. „Das waren wohl Gewinnmitnahmen“, mutmaßt Frank Mohr.

Von „enttäuschend niedrigen Umsätzen“ berichtet Mark Schönbrodt von der DekaBank. „Die vergangene Woche und der Montag waren von den Umsätzen her sehr gut“, meint hingegen Sidi Kleefeld von der Deutschen Bank. Zu Anfang sei die Stärke am Aktienmarkt im ETF-Handel noch zum Abbau von Positionen genutzt worden, das habe sich aber schnell geändert. „Dann wurden alle risikobehafteten Anlagen gesucht.“ Short-ETF auf den DAX oder den Euro Stoxx seien verkauft worden.

In der Hoffnung auf ein gütliches Ende der Schuldenkrise war der DAX innerhalb nur weniger Tage von rund 5.200 auf über 5.800 Punkte geklettert, heute hat das Aktienbarometer allerdings schon wieder den Rückwärtsgang eingelegt. Mit großer Anspannung sehen Anleger der slowakischen Entscheidung entgegen, denn ein Nein würde die schnelle Umsetzung der Erweiterung zumindest vorerst blockiert.

Gemischtes Bild bei Bluechip-Trackern


Mohr

Wie üblich dominierten DAX- und Euro Stoxx 50-Tracker den ETF-Handel, über die Richtung gehen die Meinungen der Market Maker aber auseinander. Die Deutsche Bank meldet durchweg Zuflüsse bei den Bluechip-Produkten, und zwar über alle Länder hinweg. DAX-, Euro Stoxx-, FTSE-, MSCI USA- oder S&P 500-Indexfonds – alles werde gekauft (WKN DBX1DA, DBX1EU, DBX1FA, DBX1MU, DBX0F2). Auf den Abgabelisten stünden lediglich Short-Produkte, vor allem auf den bankenlastigen Euro Stoxx 50 (WKN DBX1SS, DBX1DS).

Mohr zufolge überwogen in der vergangenen Woche bei DAX-Indexfonds (WKN ETF001) noch Abflüsse, während sich bei Euro Stoxx 50-Trackern (WKN ETF050) Zu- und Abflüsse die Waage gehalten hätten.

Laut DekaBank standen der DAX-Tracker von Source (WKN A0X80V), der ETFLab-DAX (WKN ETFL06) und der Lyxor MSCI World (WKN LYX0AG) auf den Einkaufszetteln ganz oben. „Das bewegt sich aber alles auf niedrigem Niveau.“ Daneben haben sich laut Mohr Anleger auch ETFs mit japanischen Aktien (WKN ETF117) ins Portfolio gelegt. Einen klaren Verkaufsüberhang hat der Market Maker unterdessen beim ComStage MSCI Pacific ex Japan (WKN ETF115) registriert. „Offenbar sehen Investoren in dieser Region kein Potenzial mehr.“


Othar

Bastian Ohta von der Unicredit Group beobachtet nach wie vor extrem großes Interesse an gehebelten ETFs, auch wenn die Nachfrage zuletzt etwas gesunken sei. „Es sind viele Day Trader unterwegs, die die hohe Schwankungsbreite im Markt nutzen wollen.“ Mit gehebelten Produkten, etwa dem Lyxor LevDAX (WKN LYX0AD), können Investoren überproportional von Kursgewinnen profitieren.

Im Übrigen habe sich auch die Suche nach voll replizierenden ETFs verstärkt. Bei ETFs werden voll replizierende, für die alle Wertpapiere des zugrunde liegenden Index gekauft werden, von den Swap-basierten unterschieden. Bei den letzteren werden Total-Return-Index-Swaps verwendet, um die Wertentwicklung eines Index darzustellen. Swap-basierte Indexfonds sind ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, nicht zuletzt durch den im September ans Licht gekommenen Handelsskandal bei der UBS. „Die Kunden fragen schon genauer nach“, meint auch Frank Mohr mit Blick auf die zunehmende Presseberichterstattung zu diesem Thema.

Schwellenländer-Indexfonds kommen unter die Räder

Auch wenn es an den Industrieländerbörsen in den vergangenen Tagen deutlich aufwärts ging: Die Schwellenländer verlieren in der Gunst der Anleger. „Die Flucht aus Emerging Markets hat sich beschleunigt“, erklärt Stefano Valenti von der Unicredit Group. Besonders marktbreite ETFs und solche mit dem Schwerpunkt Lateinamerika oder auch China würden abgestoßen. „Wir sehen fast ausschließlich Verkäufer, Käufer sind sehr selten.“ Das sei vor dem Hintergrund der Inflationssorgen in China und Indien sowie der deutlich verschlechterten Wachstumsaussichten von Ländern wie Brasilien nicht verwunderlich. „Der chinesische Leitindex ist innerhalb eines Monats um 30 Prozent eingeknickt“, bemerkt Valenti.

Auch der DekaBank zufolge verabschieden sich Anleger aus Schwellenländerengagements (WKN A0HGZT, A0HGZT). Laut Kleefeld von der Deutschen Bank werden breite Körbe wie der db x-trackers MSCI Emerging Markets (WKN DBX1EM) oder der db x-trackers MSCI Asia ex Japan (WKN DBX1AE) zuletzt aber durchaus wieder gekauft. Indexfonds, die die Entwicklung von Aktienindizes einzelner Länder abbilden, kämen hingegen weniger gut an.

In den Umsatzstatistiken der Börse Frankfurt zeigt sich ebenfalls der rege Handel in Emerging Markets-ETFs: Für die vergangenen fünf Handelstage belegte der db x-trackers MSCI Emerging Markets den fünften Platz – das ist ungewöhnlich weit oben.

Bodenbildung bei Banken-ETFs?


Hamme

Bei Sektoren-ETFs bleiben Banken Dauerthema. Auf politischer Ebene wird derzeit heiß diskutiert, ob und wie europäische Banken rekapitalisiert werden sollen. In der vergangenen Woche hatte die Schuldenkrise mit dem belgisch-französischen Kommunalfinanzierer Dexia ihr erstes Opfer gefordert. „Anfang der vergangenen Woche deckten sich Anleger mit Banken-ETFs ein“, erklärt Gregor Hamme von der Unicredit Group (WKN A1JFG7, 628930). „Damit haben sie ein gutes Händchen bewiesen.“ Die Aktienkurse europäischer Banken konnten nämlich deutlich zulegen. „Es ist aber unsicher, ob das nur eine Gegenbewegung nach den heftigen Kursverlusten ist oder die Kehrwende.“

Die gestrige Gewinnwarnung der österreichischen Ersten Bank habe die Begeisterung ohnehin gedämpft. „Bei Banken-ETFs sehen wir nur zaghafte Käufe“, berichtet Sidi Kleefeld (WKN DBX1SF). Das zwischenzeitlich gestiegene Vertrauen in die Finanzinstitute habe sich eher am Zuspruch für den bankenlastigen Euro Stoxx 50 gezeigt. Andere Händler melden Geschäfte mit Banken-Indexfonds in beide Richtungen.

„Zyklische Branchen werden abgestoßen, konjunkturunabhängige gekauft“, heißt es darüber hinaus von der Commerzbank mit Verweis auf Zuflüsse in den Gesundheitssektor und die Versorgerbranche (WKN ETF068, ETF079). ETFs mit Aktien der Grundstoff-, Automobil- oder Chemie-Branche seien hingegen verkauft worden (WKN ETF063, ETF061, ETF064).

© 11. Oktober 2011 / Anna-Maria Borse