Hüfners Wochenkommentar: "Acht Gründe, warum Gold gar nicht so gut ist"

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29. Juli 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Soll man jetzt Gold kaufen? „Keine Frage“, so lautet eine Antwort, die man jetzt vielfach hört. Der Preis ist im Au­genblick relativ niedrig. Er hat sich gegenüber dem bis­herigen Höchststand fast halbiert. Vielleicht fällt er dem­nächst noch unter die Marke von 1.000 US-Dollar je Feinun­ze. Das müssten dann angesichts aller Krisen in der Welt eigentlich wieder Kaufkurse sein.

Eine solche Argumentation greift meines Erachtens zu kurz. Ich möchte daher hier etwas wider den Stachel der verbreiteten Goldeuphorie löcken. Nachfolgend acht Gründe, weshalb der Goldpreis nicht steigen muss, son­dern auch sinken kann.

Goldpreis in US-Dollar
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Quelle: Bundesbank

Erstens: Gold ist keineswegs so wertvoll und wertbe­ständig, wie oft gesagt wird. In den vergangenen drei bis vier Jahren hat es eher mit fallenden Preisen Schlagzeilen gemacht (siehe Grafik). Bei dem Flash-Crash in der vo­rigen Woche sind binnen Sekunden Milliardenbeträge in den Sand gesetzt worden. Allein die Deutsche Bundes­bank, die auf ihren Goldbestand so stolz ist, hat dabei rein rechnerisch einen Verlust in der Größenordnung von 5 Milliarden Euro gemacht. Darüber redet nur niemand.

Zweitens: Langfristig gesehen ist Gold anderen Anlageformen unterlegen. In den vergangenen dreißig Jahren ist der DAX auf mehr als das Zehnfache gestiegen, der REX auf das Sechsfache, der Gold­preis aber nur auf das Dreifache.

Drittens: Gold gehört zu den am wenigsten nützlichen Rohstoffen dieser Welt. Es ist zu weich, um es in grö­ßerem Stil in der Industrie zu verarbeiten. Nur weniger als 10 Prozent der Goldproduktion werden wirklich gebraucht (u. a. im Bereich der Elektro- und Medizintechnik). Über 50 Prozent werden als Schmuck verwendet. Nichts gegen Schmuck. Aber das ist eine Nachfrage, die wenig stabil ist. Wenn es den Menschen schlechter geht, kaufen sie als erstes weniger Schmuck. 

Viertens: Die Zentralbanken als traditionell wichtige Nachfrager nach Gold fallen mehr und mehr als Käufer aus. Die Großen unter ihnen erwerben lieber Staatsan­leihen und andere Wertpapiere. Ein Grund für den jüngsten Einbruch des Goldpreises war, dass die chi­nesische Zentralbank weniger Goldreserven ausge­wiesen hat, als der Markt erwartet hatte. Ob die Noten­banken je wieder in großem Stil zu Goldkäufen zurück­kehren werden, bezweifle ich.

Fünftens: Aus fundamentaler Sicht erscheint der der­zeitige Goldpreis wenig attraktiv. Das Wachstum der Schwellen- und Entwicklungsländer als große Käufer­gruppe am Goldmarkt geht zurück (Ausnahme Indien). Die Geldentwertung, die in der Vergangenheit den Goldpreis getrieben hat, ist niedrig. Die Zinsen sind so stark gefallen, dass sie nur noch nach oben gehen kön­nen. Damit muss der Anleger für das Halten von Gold nicht nur Lagerkosten zahlen, sondern auch auf mehr Zinsertrag bei anderen Anlagen verzichten. Der Euro könnte sich wieder aufwerten, womit die Wechselkurs­gewinne der Europäer beim Gold wegfallen.

Sechstens: Gold ist entgegen allem, was immer wieder gesagt wird, kein wirklicher Schutz gegen Krisen. Seit seiner Freigabe Anfang der 70er Jahre hat der Preis nur auf zwei große Krisen wirklich reagiert. Das war die Ölpreisexplosion im Jahre 1980 und der Höhe­punkt der Eurokrise 2011/12. Bei so wichtigen Ereignis­sen wie der Russland- und der Asienkrise Ende der 90er Jahre, dem Attentat am 11. September 2001 in New York oder beim Zusammenbruch der Lehman Bank 2008 hat er kaum gezuckt.

Siebtens: Gold ist auch keine Hilfe gegen die Zerrüttung des Finanzsystems, die wir derzeit erleben. Noch nie zuvor in der Nachkriegszeit war das Vertrauen in die Stabilität des Geldes so angeknackst wie heute. Geld ist praktisch wertlos geworden. Es gibt Blasen an den Märkten, die eines Tages platzen werden. Die Theore­tiker alternativer Geldsysteme haben Hochkonjunktur. Da müsste es doch mit dem Teufel zugehen, wenn Gold nicht eine Renaissance erleben sollte.

Doch nichts passiert. Weder rührt sich der Goldpreis, noch sehe ich eine Begeisterung für eine Rückkehr der Goldwährung. Der Grund ist ganz einfach. Die Goldwäh­rung war bei Weitem nicht so gut, wie oft behauptet wird. Die Preise schwankten damals sehr viel stärker als heu­te. Mal gingen sie in einem Jahr um 20 Prozent nach oben, dann aber im nächsten um 15 Prozent nach unten. Das hängt natürlich mit der Starrheit der Gold-Geldmenge zusam­men, die sich nicht an die Entwicklung der Wirtschaft anpassen und sie glätten kann. Erst als die Goldwäh­rung aufgegeben wurde, wurde auch die Geldwertent­wicklung stetiger. Die großen Kritiker des gegenwärtigen Währungssystems plädieren daher nicht so sehr für die Rückkehr zu einer Goldwährung. Sie treten eher ein für ein Ende des staatlichen Geldangebotsmonopols und eine Privatisierung des Geldsystems.

Achtens, was oft übersehen wird: In der Goldwährung war es den privaten Anlegern in vielen Ländern verbo­ten, Gold zu besitzen (zum Beispiel in den USA). Wer Gold kauft, um damit in einer Goldwährung reich zu werden, steht am Ende vielleicht ohne da.

Für Anleger

Der Goldpreis lebt davon, dass die Menschen an die Wertbeständigkeit des gelben Metalls glauben. Man sollte Gold kaufen, wenn man sich dadurch besser fühlt, nicht aber um Geld zu verdienen. Vor allem sollte man daraus keine allgemeingültigen Regeln formulieren. Ich halte das alte Postulat, 5 Prozent bis 10 Prozent seines Vermögens in Gold zu halten, für überholt. Es war vielleicht sinnvoll, als der Goldpreis fix war oder sich langfristig in einem Auf­wärtstrend befand wie in den Jahren 2000 bis 2010. Jetzt gilt es nicht mehr.

von Martin Hüfner, Assenagon
© 29. Juli 2015

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon. Viele Jahre war er Chefvolkswirt der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG und Senior Economist der Deutschen Bank AG. Er leitete fünf Jahre den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung in Brüssel. Zudem war er über zehn Jahre stellvertretender Vorsitzender beziehungsweise Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Bundesverbandes Deutscher Banken und Mitglied des Schattenrates der Europäischen Zentralbank, den das Handelsblatt und das Wallstreet Journal Europe organisieren. Dr. Martin W. Hüfner ist Autor mehrerer Bücher, unter anderem „Europa – Die Macht von Morgen“ (2006), „Comeback für Deutschland“ (2007), „Achtung: Geld in Gefahr“ (2008) und „Rettet den Euro!“ (2011).