Hüfners Wochenkommentar: "Die Angst vor dem starken US-Dollar"

19. August 2015. MÜNCHEN (Assenagon). Ein Gespenst geht um an den Devisenmärkten. Könnte es sein, dass der US-Dollar zu stark geworden ist? Dass er am Ende die Welt in einen Abwertungswettlauf drängt? Letzter Anlass zu solchen Befürchtungen war die überraschende Entscheidung der chinesischen Re­gierung in der vergangenen Woche, ihre Währung ab­zuwerten. Das hatte viele kalt erwischt.

Der US-Dollar schießt nach oben
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Quelle: FRED, Bundesbank
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Tatsache ist, dass der US-Dollar derzeit ungewöhnlich fest ist. Keine der größeren Währungen hat sich in den vergangenen Monaten mehr aufgewertet als er. Die Grafik zeigt, dass die US-amerikanische Währung handelsgewich­tet seit Mitte letzten Jahres um 20 Prozent an Wert gewonnen hat. Ursache ist die Kehrtwende der Geldpolitik. Die USA haben ihr Ankaufsprogramm für Wertpapiere aus­laufen lassen. In diesem Jahr wollen sie die Zinsen er­höhen. Das führt in den Vereinigten Staaten zu Kapital­zuflüssen und treibt die Nachfrage nach Dollar nach oben.

Eine Dollarstärke in diesem Ausmaß ist selten. So etwas hat es seit dem zweiten Weltkrieg nur zwei Mal gege­ben: Einmal Mitte der Achtziger Jahre und einmal kurz nach der Jahrtausendwende. Jedes Mal war es mit er­heblichen wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen verbunden. Im Plaza-Abkommen 1985 vereinbarten die großen Industrieländer konzertierte Interventionen an den Märkten. Auf der Prager IWF-Konferenz 2001 reich­te die Drohung mit solchen Eingriffen, um die Stimmung zu beruhigen. In beiden Fällen wurde so glücklicherwei­se ein Währungskrieg verhindert.

Was wird diesmal passieren? Wie überall gibt es bei der Dollaraufwertung Gewinner und Verlierer. Gewinner sind in einem System flexibler Wechselkurse alle die Länder, deren Währungen sich entsprechend abwerten. Ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessert sich. Sie können ent­weder mehr exportieren oder ihre Margen verbessern. Einer der Profiteure ist Europa. Es kommt dadurch bes­ser durch die Eurokrise. Es wird sich über die Lage si­cher nicht beschweren.

Verlierer sind einmal die Länder, die ihre Währung bis­her in der einen oder anderen Weise an den Dollar ge­bunden haben. Das war in der Vergangenheit der chi­nesische Renminbi. Die Chinesen haben lange zugese­hen, wie sich ihre Wettbewerbsfähigkeit durch den star­ken Dollar verschlechterte. Seit Mitte vorigen Jahres hat sich der Renminbi gegenüber dem Euro um 16 Prozent aufge­wertet, gegenüber dem Yen sogar um 19 Prozent. Das muss man im Hinterkopf haben, wenn sich zum Beispiel euro­päische Unternehmen beschweren, dass sie im China-Geschäft nun auch noch durch den Wechselkurs belas­tet werden. Sie vergessen, wie gut sie vorher durch den höheren Renminbi-Kurs verdient haben.

Zuletzt freilich wurde es den Chinesen angesichts der aufgelaufenen Schwierigkeiten im Inland zu viel. Sie zogen die Reißleine. Die Abwertung des Renminbis ist jedoch nach wie vor sehr maßvoll. Sie ist – seit Anfang voriger Woche insgesamt 4 Prozent gegenüber dem Euro – in keiner Weise zu vergleichen mit der vorherigen Aufwer­tung. Mit Handelskrieg hat das nichts zu tun.

Verlierer sind darüber hinaus einige Schwellen- und Ent­wicklungsländer. Sie leiden zwar nicht im Außenhandel. Auch ihre Währungen werten sich ab, was die Wettbe­werbsfähigkeit verbessert. Was sie aber belastet, ist der Abfluss von Kapital. Er gefährdet heimische Investitions­projekte, die zur Finanzierung Auslandskapital benöti­gen. Er führt dazu, dass die Abwertung ihrer Wäh­rungen sehr viel stärker ausfällt, die Inflation im Inland hoch­treibt und die Zentralbanken zu kontraproduktiven Zins­erhöhungen zwingt. Darüber hinaus wird der Schulden­dienst von Dollaranleihen dieser Staaten teu­rer. Beson­ders betroffen sind Länder wie Brasilien, Süd­afrika oder die Türkei. Sie könnten bei Anhalten dieser Situa­tion ge­zwungen sein, in den Kapitalverkehr mit dem Ausland einzugreifen.

Verlierer sind letztlich auch die USA selbst. Sie schießen sich durch die Wechselkurswirkungen der geplanten Zinserhöhung selbst ins Knie. Addiert man die handels­gewichtete Aufwertung des Dollars zu der handelsge­wichteten Abwertung des Euros in den letzten zwölf Mo­naten, so ergibt sich eine Verschlechterung der Wettbe­werbssituation der USA um über 30 Prozent. So etwas muss von den US-Unternehmen erst einmal verkraftet werden. Es erklärt, dass die amerikanische Wirtschaft in diesem Aufschwung wesentlich schlechter vorankommt als er­wartet.

Irgendwann wird der Punkt erreicht sein, an dem auch die USA diese Belastungen nicht mehr aushalten wer­den. Sie werden über Gegenmaßnahmen nachdenken. Das ist freilich nicht einfach. Denn an der Dollarstärke sind nicht die Handelspartner schuld, sondern sie selbst durch die geplante Zinserhöhung. Es läge nahe, diese noch einmal zu überdenken, jetzt mit Hinweis auf die Aufwertungseffekte. Freilich hat die Fed die Diskussion über den Termin der Zinserhöhung so lange vor sich her geschoben, dass eine erneute Verzögerung auf wenig Verständnis stoßen würde. Man würde der Federal Re­serve Unentschlossenheit vorwerfen, was sie sicher nicht gern hören würde.

Für den Anleger

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An sich ist ein starker US-Dollar ein Anreiz, in den USA oder zumindest im Dollarraum zu investieren. Investoren kön­nen dabei zusätzlich zu Zins- und Kursgewinnen auch von Wechselkursveränderungen profitieren. Aber Vor­sicht: Die amerikanischen Kapitalmärkte sind derzeit we­gen der geldpolitischen Unsicherheiten und dem schwa­chen Wachstum nicht sehr attraktiv. Das wird sich in den nächsten Monaten auch nicht verändern. Wer sich unter diesen Umständen allein auf Wechselkurs­überlegungen verlässt, geht erhebliche Risiken ein. Schließlich könnte der Markt auf die Idee kommen, die Situation selbst zu korrigieren und den Dollarkurs wieder abzuwerten.

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon. Viele Jahre war er Chefvolkswirt der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG und Senior Economist der Deutschen Bank AG. Er leitete fünf Jahre den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung in Brüssel. Zudem war er über zehn Jahre stellvertretender Vorsitzender beziehungsweise Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Bundesverbandes Deutscher Banken und Mitglied des Schattenrates der Europäischen Zentralbank, den das Handelsblatt und das Wallstreet Journal Europe organisieren. Dr. Martin W. Hüfner ist Autor mehrerer Bücher, unter anderem „Europa – Die Macht von Morgen“ (2006), „Comeback für Deutschland“ (2007), „Achtung: Geld in Gefahr“ (2008) und „Rettet den Euro!“ (2011).

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