Marktsentiment: Aktienkauf mit Widerwillen

Zusammenfassung der Analyse

Mit dem kräftigen Tagesanstieg der deutschen Bluechips zur Wochenmitte hat auch die Anlegerstimmung einen Riesensatz nach oben gemacht, und zwar um 5 auf 69,4 Prozent des Bull/Bear-Index. 7 Prozent der befragten professionellen Anleger haben DAX-Aktien gekauft. Für Gianni Hirschmüller von Cognitrend hatten die professionellen Akteure eigentlich auf eine zweite Korrektur gewartet und sind nun von der Preisentwicklung unter Druck gesetzt worden mitzuziehen. Da aber das gesamte Kaufinteresse vermutlich „nicht erschöpft ist, sind ein höherer Stimmungspegel und höhere Aktienkurse wahrscheinlich.“

Eine Analyse der Kursziele zeigt, dass der erwartete DAX-Stand der Bären viel weiter vom aktuellen Niveau entfernt ist als das der Bullen. Cognitrend schließt daraus, dass selbst Profis „einen gehörigen Respekt vor psychologisch wichtigen Marken und dem früheren Allzeithoch zu haben scheinen“. Von den Einzelwerten führt E.ON die Gewinnerliste an und die Commerzbank die Verliererliste.  

Bull/Bear-Index: 69,4 Punkte

Vorwoche: 64,4 Punkte. Oberhalb 50 Punkte ist der Markt optimistisch, unterhalb pessimistisch.

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Hirschmüller

20. Februar 2013. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Seit einigen Wochen schon beobachten wir den Widerwillen der mittelfristig orientierten Marktteilnehmer, dem steigenden DAX zu folgen. Der Grund dafür ist nicht etwa, dass man dem deutschen Aktienmarkt keine höheren Kurse zutraut. Ganz im Gegenteil, die Überzeugung, Aktien seien eine vielversprechende Anlageklasse, scheint sich immer mehr durchzusetzen. Was die meisten Investoren indes stört, ist das Kursniveau. Der DAX ist ihnen schlicht zu teuer geworden. Fondsmanager standen in den vergangenen Tagen deshalb Gewehr bei Fuß und spekulierten auf einen zweiten Korrekturast, also eine Fortsetzung der Abwärtsbewegung, die zu Monatsbeginn losgetreten wurde.

Während technische Analysten darauf warteten, dass Fähnchen- oder Wimpelformationen ausgelöst würden, beobachtete die fundamental orientierte Fraktion eher das Treffen der G7 bzw. der G20. Negative Signale für den Aktienmarkt hätten dort durchaus entstehen können, beispielsweise durch eine massive Verhärtung der Fronten oder durch ausgeprägte Uneinigkeit. Dies war aber nicht der Fall. Und spätestens nach dem festen Schlusskurs von gestern, sahen sich auch die Chartisten gezwungen die nach unten zeigenden Pfeile und Linien zu löschen.

Optimismus am Jahreshoch

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Besonders der gestrige Handelstag hat wohl entscheidend auf das jüngste Urteil der von der Börse Frankfurt befragten Akteure abgefärbt. Plötzlich ist ein ganzer Schwung zurück ins bullishe Lager gewechselt. Unser Bull/Bear-Index wurde dadurch auf ein neues Jahreshoch gehievt. Wir sind zwar davon ausgegangen, dass die befragten Händler einem deutlichen Kaufdruck ausgesetzt sind. Wie stark dieser derzeit sein muss, zeigt aber allein die Tatsache, dass die meisten von ihnen nicht einmal die Wahlen in Italien am kommenden Wochenende abwarten wollten oder konnten. Dabei wird die italienische Abstimmung schon seit Wochen allgemein als Risikoereignis bewertet. Wenn also nur ein paar Tage vor diesem Termin von bislang zögernden, skeptischen Fondsmanagern bei Aktien kräftig zugepackt wird, müssen sie wohl reichliche Mittelzuflüsse erhalten haben.

Der fast zweiprozentige Kursanstieg, den der DAX gestern so eindrucksvoll aus dem Stand vollzogen hat, muss eine ganze Menge Händler ordentlich überrascht haben. Nicht nur, weil es der stärkste Tagesgewinn seit Anfang September 2012 war, sondern weil er für die meisten Skeptiker auch zur Unzeit gekommen sein dürfte; nur 24 Stunden zuvor war das Jahrestief noch in greifbarer Nähe. Die Nachfrage, die sich eigentlich irgendwo zwischen 7.400 und 7.500 DAX-Zählern hätte entfalten sollen, ist nun in steigende Kurse in den Markt geflossen. Da nicht anzunehmen ist, dass das gesamte Kaufinteresse erschöpft ist, sind ein höherer Stimmungspegel und höhere Aktienkurse wahrscheinlich.

 © 20. Februar 2013/Gianni Hirschmüller, cognitrend

Verhältnis Optimisten zu Pessimisten

  Bullish Bearish Neutral
Total 55 % 20 % 25 %
ggü. letzter Erhebung +7 % -2 % -5 %

 

Institutionelle Anleger: Stimmungs- und DAX-Verlauf
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  • Stand DAX (20. Februar): 7.760 Punkte (+1,29 % gegenüber der letzten Erhebung)
  • Stand Bull/Bear-Index: 69,4 Punkte

Verhältnis Optimisten zu Pessimisten

Mit Unterstützung von
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  Bullish Bearish Neutral
Total 62 % 24 % 14 %
ggü. letzter Erhebung +1 % -3 % +2 %

 

Private Anleger: Stimmungs- und DAX-Verlauf
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  • Stand DAX (20. Februar): 7.760 Punkte (+1,29 % gegenüber der letzten Erhebung)
  • Stand Bull/Bear-Index: 70,0 Punkte

Weiterführende Links

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Goldberg

Die heutige Stimmungserhebung der Börse Frankfurt zeigt ziemlich eindrucksvoll, dass Optimismus nicht gleich Optimismus ist. Denn obwohl dieser deutlich gestiegen ist, blieben die Prognosen der befragten Investoren offenbar in einer anderen Welt zurück. Der Median der Bären blieb mit einem Wert von 7.400 DAX Punkten naturgemäß gegenüber der vergangenen Befragung unverändert. Allerdings hat dort die Prognosesicherheit abgenommen, was angesichts der Entfernung der Zielkurse vom derzeit gehandelten Niveau auch nicht erstaunen sollte – sie liegen im Mittel über 300 DAX-Zähler unter dem Kurs zum Erhebungszeitpunkt.

Bei den Optimisten hat sich interessanterweise auch nicht allzu viel verschoben. Zwar konnten jene einen Zuwachs von sieben Prozent der befragten mittelfristigen Akteure für sich verbuchen, aber der mittlere Prognosewert der Bullen liegt mit 150 Zählern nicht einmal halb so weit vom Erhebungsniveau entfernt wie der der Bären. Dafür gibt es nur zwei Erklärungen: Die eine wäre, dass es die neu Hinzugekommenen gut erwischt haben und zum tiefsten Kurs des Erhebungszeitraums ihre neuen Engagements eingegangen sind. Daher auch die verhalten wirkenden Prognosen. Dies erklärt aber nicht, warum sich der Kursanstieg des Börsenbarometers nicht auch in den Vorhersagen derjenigen deutlicher niederschlägt, die bereits seit Jahresbeginn auf steigende Kurse setzen. Die Veränderung der mittleren Prognose gegenüber der vergangenen Sentiment-Erhebung um 35 Zähler auf 7.915 Punkte spiegelt den jüngsten Kursaufschwung fast nicht wider. Und die erste Standardabweichung der Vorhersagen liegt zwar über der magischen 8.000, aber mit 8.095 immer noch unter dem Allzeithoch des DAX.

   Median höchster Wert* tiefster Wert* Streuung
Bullen 7.910 / +35 8.095 7.830 130 / +10
Bären 7.400 / +/-0 7.600 7.185 205 / +25
Neutrale 7.680 / +20 7.780 7.640 70 / +5

* = eine Standardabweichung vom Mittelwert aller Kursprognosen.

Respekt vor alten Marken

Einzelwertanalyse

Untersucht werden die Aktien, die für Bullen und Bären derzeit die größten Favoriten darstellen, also die mit der besten erwarteten Entwicklung und die mit der schlechtesten.

Daraus lässt sich schließen, dass selbst Profiinvestoren einen gehörigen Respekt vor psychologisch wichtigen Marken und dem früheren Allzeithoch zu haben scheinen. Die große Vorsicht auf der einen Seite und die relativ hohe Anzahl der Optimisten die angesichts der konservativen Kursziele auch noch ein hohes Vertrauen in ihre eigenen Prognosen haben, sind ein Indiz dafür, wie stark die Kapitalströme in den deutschen Aktienmarkt sein müssen. Zumindest so stark, dass man sich ihnen nicht entgegenstellen möchte. Dennoch scheint die jüngste Aufwärtsentwicklung des DAX vielen Akteuren so „contre cœur“ zu laufen, dass man sich bei nächster Gelegenheit am liebsten gleich wieder nach unten absichern würde.

Auffallend ist übrigens auch bei den im neutralen Lager verbliebenen Akteuren: Die Bandbreite der Prognosen hat einen deutlichen Schlag nach unten – offensichtlich wähnt man sich am oberen Ende der Fahnenstange.

DAX-Gewinner und -Verlierer: E.ON weiterhin stark gefragt – Infineon schaffen es gerade einmal auf Platz fünf

Eigentlich hätte man auf der heutigen Liste der beliebtesten Aktien Bayer und Infineon Technologies finden müssen. Denn dies waren zumindest die gefragtesten Einzelwerte des gestrigen starken Handelstages, wobei man bei Infineon immerhin die Meldung, es setze auf ein neues Fertigungsverfahren, wohlwollend aufnahm. Stattdessen finden wir E.ON weiter auf der Spitzenposition der Gewinner, ein Papier, für das sich 16 Prozent der Investoren als Favorit entschieden hatten. Und zwar mit extrem deutlichem Abstand, denn auf den folgenden Plätzen sind Werte zu finden, für die sich jeweils nur 5 Prozent der Befragten Investoren entscheiden konnten. Die relativ besten Plätze zwei und drei nehmen dabei Siemens und Allianz ein. Infineon landeten gerade einmal auf Platz fünf, während sich für Bayer überhaupt niemand interessieren wollte.

Bei den Verlierern liegt die Commerzbank immer noch auf dem ersten Platz, gefolgt nunmehr von Lufthansa, die bis zuletzt noch mit einem neuen Jahreshoch, aber mit auch mit einer Dividenden-Enttäuschung aufwarteten und sich sogar noch vor die ebenfalls seit Wochen nicht gerade beliebten ThyssenKrupp schoben.

Unauffällig waren zuletzt Munich Re, die weder bei den Gewinnern noch bei den Verlierern punkten konnten.

 © 20. Februar 2013/Joachim Goldberg, cognitrend

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