Marktsentiment: Besser als erwartet?

Zusammenfassung der Analyse

Zurück auf Grün ist die Stimmung an der Börse geschaltet. Wenig Ausdauer haben die Bären bewiesen, die erst in der vergangenen Woche auf die Short-Seite gewechselt sind. 9 Prozent der Profis und 4 Prozent der Privaten haben angesichts der DAX-Zulage um 250 Punkte ihre Short-Positionen in deutschen Bluechips dicht gemacht. 5 Prozent der befragten institutionellen Anleger haben allerdings den Markt verlassen und nur 4 Prozent Aktien gekauft. Weitaus optimistischer sind da die Privatanleger, von denen 7 Prozent in Aktien eingestiegen sind. Der Bull/Bear-Index zeigt jedenfalls wieder mehr Optimismus im Markt an mit 63,3 (Profis) bzw. 59,5 Punkten (Private).

Von einer Achterbahnfahrt der Zinserwartungen spricht Joachim Goldberg. Allerdings wären die Kursgewinne viel eher hausgemacht, weil preisgetrieben. Langfristig orientierte Anleger hielten sich dagegen zurück, diese seien aber eine Voraussetzung für eine substantielle Aufwärtsbewegung.

Hinsichtlich der konkreten Punkteprognose haben sowohl die Bullen mit einem Mittel von 8.300 Punkten als auch die Bären mit 7.700 Punkten einfach ihre Erwartungen um 200 Punkte nach oben angepasst. Bei den Einzelwerten führt die Commerzbank weiterhin die erwarteten Over- wie Underperformer an, im grünen Bereich gefolgt von Lanxess und K+S, im roten Bereich von ThyssenKrupp und HeidelbergCement.

Bull/Bear-Index: 63,3 Punkte

Vorwoche: 56,1 Punkte. Oberhalb 50 Punkte ist der Markt optimistisch, unterhalb pessimistisch.

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Goldberg

10. Juli 2013. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Seit der vergangenen Stimmungserhebung müssen Börsianer zeitweise eine regelrechte Achterbahnfahrt mitgemacht haben. Denn einiges, das sich seither ereignete, dürfte für manchen Akteur erst auf den zweiten Blick nachvollziehbar gewesen sein. Natürlich hatte EZB-Präsident Mario Draghi die Marktteilnehmer insofern überrascht, als er sich, entgegen der Gepflogenheit seines Vorgängers Jean-Claude Trichet, zum ersten Mal im Voraus bezüglich seiner Niedrigzinspolitik festlegte. Doch bei weiterem Nachdenken dürfte es – ob nun mit expliziter Verpflichtungserklärung oder versteckten Codeworten, mit denen sich etwa Trichet zu früheren Zeiten trotz aller Beteuerungen immer festgelegt hatte – ohnehin kaum jemanden gegeben haben, der vor dem Statement Draghis überhaupt auf längere Sicht mit einem Anziehen der Leitzinsen gerechnet hätte.

Erneut durcheinander geschüttelt wurden die Anleger dann noch einmal, als am vergangenen Freitag die US-Arbeitsmarktdaten so viel besser als erwartet ausgefallen waren, dass die Reaktion auf diese Zahlen anfangs sogar negativ war. Weil man befürchtete, die US-Notenbank hätte mit diesem Wirtschaftsdatum ein weiteres Argument erhalten, mit dem so genannten Tapering, dem langsamen Auslaufenlassen der Anleihekäufe, eher früher als später zu beginnen. Doch die weitere Reaktion fiel bereits kurze Zeit später diesseits und jenseits des Atlantiks vollkommen konträr aus. Während die US-Aktienmärkte leicht positiv den Handelstag beendeten, musste der DAX stattdessen einen Rückschlag von mehr als zwei Prozent hinnehmen – eine kuriose Situation, wo doch deutsche exportorientierte Unternehmen von einem positiven Trend am US-Arbeitsmarkt am ehesten profitieren sollten.

Langfristige Investoren zurückhaltend

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Diese unterschiedlichen Reaktionen der Aktienmärkte haben die von der Börse Frankfurt wöchentlich befragten Investoren schließlich zum Anlass genommen, ihre in der Vorwoche gezeigte Skepsis teilweise zu revidieren. Denn gemessen an unserem Bull/Bear-Index, hat der Optimismus wieder deutlich angezogen. Die Abwanderung aus dem Bärenlager, das um ein Viertel kleiner geworden ist, zeigt jedoch keinen überbordenden Optimismus, weil gut die Hälfte dieser Befragten zu den „Neutralen“ wechselte. Vielmehr sollte man eher von einem verminderten Pessimismus sprechen, verbunden mit der Einsicht, dass an fallenden Kursen derzeit nicht allzu viel zu verdienen ist. Eine ähnliche Bewegung gab es übrigens auch bei den Privatanlegern, wo sich unser Bull/Bear-Index auf 59,5 Punkte allerdings nicht so stark wie beim institutionellen Pendant erhöhte.

Der jüngst wieder aufgeflammte Optimismus gibt jedoch keinen Anlass zur Sorge – der Wochenanstieg des DAX von 3,2 Prozent ist aber hausgemacht und kaum aufgrund einer fundamentalen bullishen Überzeugung entstanden. Die jüngsten Käufe waren wohl vielmehr preisinduziert gewesen, wobei wir annehmen, dass langfristiges Kapital gerade wegen der relativen Schwäche des DAX gegenüber anderen wichtigen Indizes während des Berichtszeitraums sowohl aus dem In- als auch dem Ausland sehr zurückhaltend gewesen sein dürfte. Gerade dieser Kapitalstrom wäre jedoch eine wichtige Voraussetzung für eine substantielle Aufwärtsbewegung des DAX.

© 10. Juli 2013/Joachim Goldberg, cognitrend

Verhältnis Optimisten zu Pessimisten

  Bullish Bearish Neutral
Total 48 % 24 % 28%
ggü. letzter Erhebung +4 % -9 % +5 %

 

Institutionelle Anleger: Stimmungs- und DAX-Verlauf
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  • Stand DAX (10. Juli): 8.050 Punkte (+3,11 % gegenüber der letzten Erhebung)
  • Stand Bull/Bear-Index: 63,3 Punkte

Verhältnis Optimisten zu Pessimisten

Mit Unterstützung von
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  Bullish Bearish Neutral
Total 49 % 31 % 20 %
ggü. letzter Erhebung +7 % -4 % -3 %

 

Private Anleger: Stimmungs- und DAX-Verlauf
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  • Stand DAX (10. Juni): 8.050 Punkte (+3,11 % gegenüber der letzten Erhebung)
  • Stand Bull/Bear-Index: 59,5 Punkte

Weiterführende Links

Bearishe Ambitionen deutlich reduziert

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Goldberg

Die jüngsten Prognosen der Bullen und Bären haben mit der Entwicklung des DAX im Wochenvergleich nicht ganz mithalten können. Dennoch fällt auf, dass sich selbst bei den verbliebenen Pessimisten, deren Anteil sich um 9 Prozentpunkte verringert hat, eine gewisse Einsicht breitgemacht haben dürfte, eventuelle DAX-Korrekturen würden sich in der nächsten Zeit wohl in Grenzen halten. Denn es ist schon ein wenig erstaunlich, wie früh die Kaufbereitschaft auf niedrigerem Niveau aus heutiger Sicht bereits einsetzen würde: bei 7.865 DAX Zählern. Der mittlere Wert der bearishen Prognosen liegt nunmehr mit 7.700 Punkten 200 Punkte über dem Niveau, das sich diese Akteure noch in der Vorwoche ursprünglich erhofft hatten. Dies mag als Indiz dafür gewertet werden, dass man sich auf das befürchtete Tapering der US-Notenbank selbst hierzulande langsam einzustellen scheint. Erstaunlich bleibt wiederum, wie gelassen die Akteure auf die wesentlich problematischere Entwicklung der chinesischen Ökonomie und der Kreditmärkte reagieren. Auch scheint man die jüngsten, wenn auch in der Grundaussage nicht wesentlich veränderten Statements aus der EZB ernst nehmen, die Zinsen würden für lange Zeit niedrig bleiben.

Optimisten mit wenig Selbstvertrauen

Dass die Prognosen der Optimisten ebenfalls deutlich höher ausfallen, sollte indes nicht verwundern. Mit einem Median von 8.300 Zählern kann man jedoch nicht von Überoptimismus sprechen, zumal erste Gewinnmitnahmen bereits bei 8.125 DAX Punkten zu erwarten sind. Überhaupt ist die Streuung der Vorhersagen bei dieser Gruppe deutlich angestiegen und liegt mit 215 Punkten nunmehr über der der DAX Bären. Diese müssten sich ihrer Sache angesichts der jüngsten Kursentwicklung eigentlich weniger sicher sein, doch die Bandbreite ihrer Prognosen (erste Standardabweichung) hat sich auf 175 Zähler verringert.

Deutlich geschrumpft ist auch wieder das Vorhersageband der Neutralen, das sich trotz neu hinzugekommener Akteure gegenüber der Vorwoche um 35 Punkte verringert hat. Ein Prognoseband von insgesamt 110 Zählern, gemessen an der ersten Standardabweichung, erscheint jedoch extrem niedrig, zumal es sich bei der Gruppe derzeit um die zweitstärkste unseres Panels handelt.

   Median höchster Wert* tiefster Wert* Streuung
Bullen 8.300 / +200 8.550 8.125 215 / +75
Bären 7.700 / +200 7.865 7.515 175 / -60
Neutrale 8.050 / +150 8.100 7.990 55 / -35

* = eine Standardabweichung vom Mittelwert aller Kursprognosen.

DAX-Gewinner und -Verlierer: Lanxess überrascht

Einzelwertanalyse

Untersucht werden die Aktien, die für Bullen und Bären derzeit die größten Favoriten darstellen, also die mit der besten erwarteten Entwicklung und die mit der schlechtesten.

In die Kaufliste der institutionellen Marktteilnehmer ist etwas Bewegung hineingekommen. Jedoch nicht was den Spitzenrang angeht. Dieser wird nach wie vor von der Commerzbank gehalten, wobei sich deren Anteil an den Stimmen immerhin von 8 auf 13 Prozent der Befragten erhöht hat. Aber auf dem zweiten Rang befindet sich mit Lanxess nunmehr ein Papier, das seit Beginn unserer Erhebungen nur einmal unter den Top Drei zu finden gewesen war. Vielleicht mag dieses Votum eine späte Anerkennung durch die Investoren und eine mögliche Bodenbildung dieses Wertes nach einer anhaltenden Abwärtsphase reflektieren, zumal sich 7 Prozent der Befragten für dessen Top-Position aussprachen. Der dritte Platz wird von K+S besetzt, die zum ersten Mal seit Ende Mai wieder etwas gefragter erscheinen.

Nicht mehr ganz so dramatisch negativ stellt sich bei den Flops die Situation für die Commerzbank dar, weil sich der Anteil der Investoren, die sich für dieses Papier als Underperformer entschieden, auf 24 Prozent der Befragten reduziert hat. Der zweite Platz wird immer noch von ThyssenKrupp – allerdings mit gehörigem Abstand zur Spitzenposition – besetzt, das 5 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, während HeidelbergCement mit einem Prozentpunkt weniger an Stimmen heute Bronze umgehängt bekommt.

© 10. Juli 2013/Joachim Goldberg, cognitrend

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